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15.05.2003 12:32

Ursache für seltene Erbkrankheit bei Kindern entdeckt

Rita Wilp Stabsstelle Unternehmenskommunikation
Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen

    (ukg) Wissenschaftler der Abteilung Biochemie II des Bereichs Humanmedizin der Universität Göttingen haben die Ursache einer selten auftretenden Erbkrankheit bei Kindern entdeckt. Die so genannte "Multiple Sulfatase Defizienz" führt zu einer in der Regel im ersten Lebensjahrzehnt tödlich verlaufenden Krankheit, da lebenswichtige Enzyme fehlen. Bei ihren Forschungen unter Leitung von Prof. Dr. Kurt von Figura, Direktor der Abt. Biochemie II, entdeckten die Wissenschaftler nicht nur die Ursache der "Multiplen Sulfatase Defizienz", sondern auch eine neue, bislang im Protein nicht nachgewiesene Aminosäure und deren Funktion. Als Nebenprodukt ihrer Forschungen lassen sich künftig therapeutisch einsetzbare Sulfatasen gentechnologisch wesentlich effizienter und damit kostengünstiger herstellen.
    Als vor etwa 40 Jahren beim Menschen zum erstenmal eine Krankheit beschrieben wurde, bei der nicht nur eine der Sulfatasen, das sind Sulfat-Ester spaltende Enzyme, sondern alle ausgefallen waren, war relativ rasch klar, dass bei dieser Erkrankung, die als "Multiple Sulfatase Defizienz" bezeichnet wurde, ein Gen mit einer Kontrollfunktion für die Gruppe der Sulfatasen ausfällt. Sulfatasen werden für die Spaltung von Sulfat-Estern benötigt, wie sie in einer Vielfalt von Makromolekülen wie Proteinen, Kohlenhydraten und Lipiden vorkommen. Beim Menschen sind knapp 20 Sulfatasen bekannt. Schon der Ausfall einer einzelnen Sulfatase kann zu einer schweren, tödlich verlaufenden Krankheit führen. Bei der "Multiplen Sulfatase Defizienz" werden schwere Funktionsstörungen zahlreicher Organe beobachtet, wobei der Schweregrad der Symptome variiert. Bei schwerem Krankheitsverlauf sterben die Betroffenen vor Erreichen des ersten Lebensjahrs. Allerdings sind auch Patienten mit einem deutlich milderen Krankheitsverlauf beschrieben worden.

    Der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Kurt von Figura am Zentrum Biochemie und Molekulare Zellbiologie - Bereich Humanmedizin der Georg-August-Universität war Mitte der 90er Jahre der Nachweis gelungen, dass in Sulfatasen eine neuartige Aminosäure vorkommt, die posttranslational, das heißt nach der Proteinbiosynthese, an den Ribosomen entsteht und die bislang nur in Sulfatasen nachgewiesen werden konnte. Diese neue Aminosäure, C(-Formylglycin, ist für die Spaltung von Sulfat-Estern unentbehrlich. Sie liegt im katalytischen Zentrum der Sulfatasen.

    Die gleiche Arbeitsgruppe berichtet jetzt in der neuesten Ausgabe von CELL (Heft 3, Band 113) über die Entdeckung des SUMF-1 Gens, das für die Bildung der C(-Formylglycinresten in Sulfatasen verantwortlich ist. Das SUMF-1 Gen wird in allen Lebewesen gefunden, die Sulfatasen produzieren. Diese reichen von Bakterien bis zum Menschen. Bei allen Patienten mit "Multipler Sulfatase-Defizienz" wurden genetische Veränderungen (Mutationen) im SUMF-1 Gen gefunden. Schleust man normale Kopien des SUMF-1 Gens in Patientenzellen ein, normalisieren sich die Sulfataseaktivitäten in den Zellen.
    Ein für die Biotechnologie wichtiger Nebeneffekt der Entdeckung des SUMF-1 Gens betrifft die gentechnologische Herstellung von Sulfatasen. Werden Sulfatasen gentechnologisch hergestellt, stand man bisher vor dem Problem, dass sich diese Sulfatasen zwar in großen Mengen produzieren lassen, aber nur der kleinste Teil dieser Sulfatasen biologisch aktiv ist. Den nicht-aktiven Sulfatasen fehlt der wichtige C(-Formylgycinrest. Schleust man zusätzlich Kopien des SUMF-1 Gens ein, so lässt sich die Ausbeute katalytisch aktiver Sulfatasen bis um das 50-fache steigern.

    Gentechnologisch hergestellte Sulfatasen werden für die Enzymersatztherapie von Krankheiten benötigt, die durch den Verlust einzelner Sulfatasen verursacht werden. Beispiele hierfür sind die metachromatische Leukodystrophie und verschiedene Mukopolysaccharidosen wie die Maroteaux-Lamy Erkrankung und die Hunter Erkrankung. Bei den beiden letzten Erkrankungen, die zur Gruppe der lysosomalen Speicherkrankheiten gehören, sind klinische Studien mit gentechnologisch hergestellten Sulfatasen bereits angelaufen. Dabei kommen allerdings Sulfatasen zum Einsatz, die ohne Mithilfe von SUMF-1 hergestellt wurden.

    Weitere Informationen:

    Georg-August-Universität Göttingen - Bereich Humanmedizin
    Abt. Biochemie II
    Prof. Dr. Kurt von Figura
    Heinrich-Düker-Weg 12
    37073 Göttingen
    Tel.: 0551/39 - 5948


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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