Lüneburg. Nachhaltigkeitswissenschaftler der Leuphana Universität Lüneburg haben ein einfaches Verfahren entwickelt, das Aussagen darüber zulässt, wie stark der Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung die Umwelt in einer bestimmten Region belastet. Das Verfahren heißt Usage Pattern-based Exposure Screening (UPES). Dabei nutzen die Forscher Datensätze über die Verabreichung von Antibiotika an Nutztiere in den letzten Jahren und modellieren daraus sogenannte „Verbrauchsmuster“. Gezielter als bisher können auf diese Weise besonders problematische antibiotische Substanzen identifiziert werden. Die Fallstudie in Nordwestdeutschland zeigt ein „besorgniserregendes Ergebnis“.
Lüneburg. Nachhaltigkeitswissenschaftler der Leuphana Universität Lüneburg haben ein einfaches Verfahren entwickelt, mit dem Aussagen darüber getroffen werden können, wie stark der Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung die Umwelt in einer bestimmten Region belastet. Das Verfahren, entwickelt von Prof. Dr. Klaus Kümmerer, Jakob Menz und Dr. Mandy Schneider, heißt Usage Pattern-based Exposure Screening, kurz UPES. Für das UPES nutzt das Forscherteam Datensätze über die Verabreichung von Antibiotika an Nutztiere in den letzten Jahren und modelliert daraus sogenannte „Verbrauchsmuster“. Gezielter als bisher können auf diese Weise besonders problematische antibiotische Substanzen identifiziert und weitere Tests zur Risikoeinschätzung, beispielsweise Boden- und Wasseranalysen, durchgeführt werden.
Die Wissenschaftler bündeln Daten aus existierenden Studien zur Verabreichungsmenge und -häufigkeit verschiedener Antibiotika sowie zu den behandelten Tierarten. Auf dieser Grundlage modellieren sie Verbrauchsmuster, die Informationen zu der in der Gülle vorhandenen Konzentration von Antibiotika liefern. Ausgehend von der Gülle, die als Wirtschaftsdünger auf den Feldern ausgebracht wird, sind Rückschlüsse auf die in einer bestimmten Region zu erwartende Umweltbelastung durch einzelne antibiotische Substanzen möglich. Wirkstoffe, die aufgrund ihres großen und häufigen Verbrauchs ein besonders hohes Risiko für die Umwelt bergen, können herausgefiltert und in Nachfolgestudien gezielt untersucht werden. So sind potenzielle Risiken für Mensch und Umwelt früher erkennbar und können detaillierter bewertet werden.
Für ihre Fallstudie zu Nordwestdeutschland nutzten die Forscher zwei zwischen 2007 und 2011 erstellte Studien des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zum Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung. „Die Ergebnisse sind besorgniserregend,“ erklärt Jakob Menz, Hauptautor der Studie. „Selbst bei Annahme einer durchschnittlich häufigen Anwendung können Umweltwirkungen nicht ausgeschlossen werden.“ Insgesamt 14 antibiotische Substanzen können ihrer Modellierung zufolge in potenziell umweltgefährdenden Konzentrationen in der untersuchten Region vorkommen.
Das Umweltbundesamt schätzt, dass in der Tiermedizin zwei- bis dreimal so viele Antibiotika verabreicht werden wie in der Humanmedizin. Der freigebige Umgang mit Veterinärantibiotika birgt jedoch erhebliche Risiken für Mensch und Umwelt. Ein großer Teil der Wirkstoffe wird von den Tieren unverändert wieder ausgeschieden. Durch das Ausbringen von Gülle oder die Weidetierhaltung gelangen die medizinischen Substanzen in die Böden, Oberflächengewässer und ins Grundwasser. Die Folge können eine Begünstigung der Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen, beispielsweise in Form von multiresistenten Erregern (MRE), sowie die Beeinträchtigung natürlich vorkommender mikrobieller Lebensgemeinschaften sein. Letzteres könnte wiederum in stark belasteten Böden zu einer Verminderung der Bodenfruchtbarkeit beitragen.
Daten zu den tatsächlich verabreichten Antibiotikamengen in der Nutztierhaltung waren lange nur in sehr geringem Umfang vorhanden. Erst seit 2014 müssen Tiermastbetriebe Art und Menge der von ihnen verabreichten Antibiotika regelmäßig an die zuständigen Behörden melden. Durch die Verbesserung der Datenbasis könnten künftig mit Hilfe des UPES-Verfahrens detaillierte Risikoeinschätzungen auch für andere Regionen in Deutschland durchgeführt werden. Darüber hinaus kann UPES problemlos mit weiterführenden Modellen kombiniert werden, wodurch auch die Vorhersage des Eintrags von Antibiotika in Gewässer entscheidend vereinfacht wird. Diese erweiterte Form der Anwendung setzen die Leuphana Wissenschaftler bereits in einem gemeinsamen Projekt mit dem Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen um. Ziel des Projektes ist die nachhaltige Verminderung der Belastung von Oberflächengewässern mit Veterinärarzneimitteln im Einzugsgebiet der Talsperre Haltern.
Menz, Jakob; Schneider, Mandy; Kümmerer, Klaus (2015). Usage Pattern-Based Exposure Screening as a Simple Tool for the Regional Priority-Setting in Environmental Risk Assessment of Veterinary Antibiotics: A Case Study of North-Western Germany. Chemosphere 127, 42-48.
Kontakt:
Dipl.-Biol. Jakob Menz
Leuphana Universität Lüneburg
Institut für Nachhaltige Chemie und Umweltchemie
Telefon +49.4131.677-2863
jakob.menz@leuphana.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Chemie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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