Die Justiz in Deutschland steht vor einem umfassenden Wandel: Bis 2022 müssen Gerichte, Anwälte und Staatsanwaltschaft die elektronische Rechtsakte einführen. Dann soll die komplette Kommunikation mit den deutschen Gerichten elektronisch ablaufen. Der 24. Deutsche EDV-Gerichtstag steht daher in diesem Jahr unter dem Titel „E-Justice – Justiz unter Strom“. Rund 600 Juristen und IT-Experten kommen vom 23. bis 25. September 2015 auf den Saarbrücker Campus, um über Herausforderungen, Entwicklungen und Trends an der Schnittstelle von IT und Recht zu diskutieren. Gastland ist diesmal Slowenien, das in Saarbrücken einen Einblick in die Entwicklungen seines elektronischen Rechtsverkehrs geben wird.
Bis 2022 soll die komplette Kommunikation mit den deutschen Gerichten elektronisch erfolgen. So schreibt es das „Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten“ vor, das im Oktober 2013 verkündet wurde. Die Arbeit der Justiz soll auf diese Weise vereinfacht und beschleunigt sowie bürgerfreundlich gestaltet werden. Seit vielen Jahren wird diese Umsetzung vom Saarbrücker EDV-Gerichtstag begleitet. Er ist bundesweit der größte auf dem Gebiet des IT-Rechts und einer der größten deutschen Juristenkongresse.
In der Praxis vollzieht sich die Umstellung auf den elektronischen Rechtsverkehr derzeit Schritt für Schritt. Als erste in ihrem Arbeitsalltag betroffen sind ab Januar 2016 die Rechtsanwälte: Dann geht das „besondere elektronische Anwaltsfach“ (beA) in Betrieb, das zukünftig einen verbindlichen Kommunikationsweg zwischen Gericht und Anwalt darstellt. „Das hat Auswirkungen auf die Büroorganisation; es reicht nicht mehr aus, den Auszubildenden zum Gerichtsfach zu schicken, der Anwalt muss auch noch das elektronische Anwaltsfach checken“, erklärt Professor Stephan Ory, Vorstandsvorsitzender des Deutschen EDV-Gerichtstages. „Damit ändert sich auch ein Stück weit die Aufgabe des EDV-Gerichtstages. Den elektronischen Rechtsverkehr zu fördern, bedeutet in der Zukunft auch, die zu Usern gewordenen Verfahrensbeteiligten mitzunehmen und auf ihre praktischen Erfahrungen zu hören“, so Ory. Systemfehler jenseits der Software müssten aufgegriffen werden, um E-Justice weiterzuentwickeln.
Effektive und sichere Kommunikationsmittel betreffen nicht nur den Anwalt. Auch Gerichte und Verwaltung müssen den Datenschutz gewährleisten. Der Schutz vor Datenklau und -missbrauch ist daher auch in diesem Jahr eines der zentralen Themen des EDV-Gerichtstags. Zum Kongressauftakt am Mittwoch, 23. September, gibt es von 14 bis 17.30 Uhr praxisbezogene Vorführungen zur „mobilen IT-Sicherheit“. Mit der elektronischen Aktenführung geht auch eine zunehmende Flexibilität einher. Doch das Arbeiten an mehreren Geräten auch außerhalb von Kanzlei- und Gerichtsräumen birgt neue Risiken. Professor Christoph Sorge wird vorstellen, welche Kompromisse und Abwägungen nötig sind, um „sicher genug“ und dennoch arbeitsfähig zu bleiben.
Auch das Thema Cyberkriminalität wird Gegenstand der Diskussionen sein. Beleuchtet wird unter anderem, wie die strafrechtliche Ermittlungspraxis derzeit aussieht und welche Defizite, Möglichkeiten und technischen Herausforderungen es bei dem aktuellen strafprozessualen Handlungsrahmen gibt.
Inwiefern europäische Vorgaben für E-Justice Einfluss auf die nationalen Rechtsordnungen haben, wird Professor Georg Borges von der Saar-Uni anhand der neuen EU-Verordnung eIDAS („elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt“) vorstellen. Die Verordnung bringt grundlegende Änderungen beim Recht der elektronischen Signatur und der elektronischen Identifizierung, was weitreichende Folgen beispielsweise für Fragen der Beweisführung haben wird.
Daneben werden Fragen des digitalen Urheberrechtes die Experten beschäftigen. So hat der Europäische Gerichtshof unter anderem entschieden, dass an elektronischen Leseplätzen von Bibliotheken elektronische Bücher auch ohne Einwilligung des Verlages zugänglich gemacht werden dürfen; mit der deutschen Auffassung von wichtigen Eckpunkten des Urheberrechts stehen die europäischen Entscheidungen nicht immer ganz im Einklang.
Die elektronische Akte wird nicht nur die Justiz, sondern auch die Verwaltung betreffen, denn zwischen beiden kommt es häufig zum Informationsaustausch. Nach welchen Standards dies geschehen sollte, ist Gegenstand der Diskussion im Arbeitskreis E-Government und E-Justice. In den Arbeitskreisen der „Bund-Länder-Kommission für Informationstechnik in der Justiz“ tauschen sich außerdem die Bundesländer über den Stand der Umsetzung des elektronischen Rechtsverskehrs in der Justiz und die ersten praktischen Erfahrungen aus sowie über Sicherheitsaspekte und Akzeptanz.
Auch beim diesjährigen EDV-Gerichtstag findet wieder eine Unternehmensausstellung statt, die einen Überblick über IT-Lösungen, juristische Programme, elektronische Datenbanken, Sicherheitssoftware und Literatur gibt.
Der „Dieter-Meurer-Förderpreis Rechtsinformatik“, den der EDV-Gerichtstag gemeinsam mit der juris GmbH auslobt, geht in diesem Jahr an Jens Heyens, Kai Greshake und Eric Petryka. Die drei Studenten der Universität des Saarlandes haben eine sicherheitskritische Fehlkonfiguration einer Vielzahl von Instanzen der Open-Source-Datenbank-Software MongoDB entdeckt. Im Rahmen ihrer Tätigkeit am Center for IT-Security, Privacy and Accountability (CISPA) haben sie eine Dokumentation des Sicherheitsproblems veröffentlicht [http://cispa.saarland/wp-content/uploads/2015/02/MongoDB_documentation.pdf] und die zuständigen Meldestellen für IT-Sicherheitsvorfälle informiert.
Der Kongress findet im Audimax-Gebäude statt (B4 1).
Weitere Infos und Programm unter: www.edvgt.de
Kontakt:
Prof. Dr. Stephan Ory
Vorstandsvorsitzender des Deutschen EDV-Gerichtstages e.V.
Tel.: (0681) 302-5511
E-Mail : edvgt@jura.uni-sb.de
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