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17.09.2015 13:20

Erinnerung an verlorene indigene Kulturen Südamerikas

Ina Ullrich Pressestelle
Philosophisch-Theologische Hochschule SVD St. Augustin

    Als der Steyler Missionar und Ethnologe Martin Gusinde 1919 zum ersten Mal nach Feuerland reiste, wusste er bereits, dass die indigene Bevölkerung, die er suchte, dem Aussterben nahe war: Die meisten Angehörigen der Selk’nam, Yamana und Kawesqar waren am Ende des 19. Jahrhunderts einem Genozid durch europäische Siedler zum Opfer gefallen. Gusinde ging mit dem Ziel nach Feuerland, die Indigenen und ihre Kultur möglichst gut kennen zu lernen und möglichst viel davon für die Nachwelt festzuhalten. Auf vier Reisen zwischen 1919 und 1924 entstanden über 1000 Fotos. Gut 200 Fotografien sind jetzt in dem Bildband „Begegnungen auf Feuerland“ veröffentlicht worden.

    „Anders als viele andere Forscher fotografierte Martin Gusinde nicht nur nachgestellte Alltagssituationen und physische Merkmale nach den damaligen anthropometrischen Vorgaben, sondern er bot den Fotografierten auch die Möglichkeit, sich selbst so zu positionieren, wie sie gesehen werden wollten“, erklärt Harald Grauer, Ethnologe und Bibliothekar am Anthropos Institut der Steyler Missionare in Sankt Augustin bei Bonn, das die Bilder bewahrt. So entstanden Fotos vom Leben der Indigenen in der schroffen Natur Feuerlands, aber auch Darstellungen von Festen, Riten und traditioneller Körperbemalung.

    „Heute spielen die Fotografien sowohl im ethnologischen als auch im künstlerischen Diskurs eine Rolle“, hat Grauer festgestellt. „Die künstlerische Rezeption der Bilder im 21. Jahrhundert ist natürlich eine ganz andere, als der Forscher damals beabsichtigt hat, aber für uns als Ethnologen ist dies hochinteressant“, berichtet der Ethnologe.

    Dialog, Respekt und vertrauensvoller Umgang

    Martin Gusinde verwendete die Bilder nicht nur für seine eigene Forschung, sondern stellte den Porträtierten Abzüge zur Verfügung. „Er notierte sich die Namen der Abgebildeten, das war damals unter Anthropologen unüblich“, so Grauer. Mit Hilfe der Fotografie trat er in einen Dialog ein, der vom Respekt vor der im Untergang begriffenen Kultur und ihren Angehörigen zeugt. Die dialogische Vorgehensweise zeichnet die ethnografische Arbeit des Steyler Missionars in Feuerland aus.

    Der Ethnologe, der 1969 starb, verfasste ein mehrbändiges Standardwerk über die indigene Bevölkerung Feuerlands – und galt ihren letzten Vertretern als vertrauenswürdiger Partner. So durfte Gusinde an den Initiationsriten teilnehmen, mit denen die Jugendlichen in die Gemeinschaft der erwachsenen Männer aufgenommen wurden. Er war einer der ersten Ethnologen überhaupt, der einen solchen Schritt vollzog. „Da er an der letzten dieser Initiationsfeiern teilnehmen durfte, bezeichnete Gusinde sich auch als den letzten Feuerland-Indianer“, vermerkt Grauer.

    Noch heute leben Nachkommen der auf den Fotografien Gusindes abgebildeten Personen. Es sind Enkel und Urenkel der Fotografierten, mit denen das Anthropos Institut in freundschaftlichem Austausch steht. So sind die Fotografien über den Tod des Fotografen und der Porträtierten hinaus zum Medium des Kontaktes und einer gemeinsamen Erinnerung geworden.

    Anlass für die Veröffentlichung des Bildbandes war eine Ausstellung im renommierten ethnologischen Musée du Quai Branly in Paris, in der Fotografien Gusindes präsentiert wurden. Die Mitherausgeberin des Bildbandes, Christine Barthe, war Kuratorin dieser Ausstellung. Das Buch erscheint neben der deutschen Ausgabe auch in Französisch, Englisch und Spanisch, die Autoren der kommentierenden Beiträge sind angesehene Ethnologen, Amerikanisten oder Historiker.

    Die deutsche Ausgabe des Bildbandes ist im Hatje Cantz Verlag erschienen: Barthe, Christine, Xavier Barral (Hg.), Begegnungen auf Feuerland. Selk’nam, Yamana, Kawesqar. Fotografien von Martin Gusinde 1918-1924, Ostfildern 2015, 300 Seiten, 222 Abb., ISBN 978-3-7757-3891-0, 68,00 Euro.


    Weitere Informationen:

    http://www.pth-augustin.eu/pth/presse/2015/150918-bildband-gusinde-feuerland.php
    http://www.anthropos.eu/anthropos/


    Bilder

    Unser Bild zeigt das Cover des Bildbandes "Begegnungen auf Feuerland".
    Unser Bild zeigt das Cover des Bildbandes "Begegnungen auf Feuerland".
    Hatje Cantz Verlag, Ostfildern
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Geschichte / Archäologie, Kulturwissenschaften, Kunst / Design, Religion
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

    Unser Bild zeigt das Cover des Bildbandes "Begegnungen auf Feuerland".


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