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23.09.2015 12:15

Internetseite über die Universität Greifswald in der NS-Zeit aktualisiert

Jan Meßerschmidt Presse- und Informationsstelle
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

    Die Internetseite über die Geschichte der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald in der Zeit des Nationalsozialismus wurde überarbeitet und ergänzt (23. September 2015). In verständlicher und übersichtlicher Form werden auf den aktualisierten Seiten die Ergebnisse des universitären Forschungsprojektes zur Greifswalder Universitätsgeschichte zwischen 1933 und 1945 präsentiert. Der noch umfangreichere Abschlussbericht erscheint als Monographie und wird am 17. Oktober 2015 in der Universität der breiten Öffentlichkeit vorgestellt.

    Anfang 2011 hatte das Rektorat der Universität Greifswald in Absprache mit den Dekanen beschlossen, die Zeit des Nationalsozialismus an der Universität wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen. Ein Beirat von Fachwissenschaftlern der Universität begleitete die Forschungen.

    Die Universität Greifswald stand in der Zeit des Nationalsozialismus vor der Herausforderung, sich den Gegebenheiten der Diktatur anzupassen. Im Verlauf dieses Transformationsprozesses entwickelte sich die Universität zu einer Institution, die nationalsozialistische Ideologie lehrte, in die Rüstungsforschung eingebunden war und sich an nationalsozialistischem Unrecht beteiligte. Sie wurde, wie Pommerns Gauleiter und Oberpräsident Franz Schwede-Coburg damals konstatierte, zu einem „wertvollen Instrument“ des NS-Regimes.

    Bereits zu Beginn des Forschungsprojektes lagen zahlreiche Forschungsarbeiten und Dokumente vor, die die Verstrickung von Universitätsangehörigen in das nationalsozialistische Herrschaftssytem und seine Verbrechen belegten. Durch die systematische Forschung konnten nun weiter Lücken in dem Gesamtbild von der Universität in der Zeit zwischen 1933 und 1945 geschlossen werden.

    Es muss unter anderem festgestellt werden, dass in dieser Zeit kein Mitglied des Lehrkörpers Widerstand gegen das Regime geleistet hat. Vernehmbar abweichende Meinungen zur nationalsozialistischen Ideologie veröffentlichten nur der Diabetologe Gerhardt Katsch (1887–1961) und der Theologe Otto Haendler (1890–1981).
    Die Entwicklung der Universität zu einer vollständig angepassten Institution vollzog sich nicht immer aus eigenem Antrieb. Die personelle Umgestaltung wurde wesentlich vom Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vorangetrieben. Die Ausrichtung der Forschungsinhalte an die Erfordernisse der nationalsozialistischen Ideologie und ihre Einordnung in die Rüstungsforschung betrieben die Professoren jedoch selbst.

    Die Universitätsgeschichte zwischen 1933 und 1945 lässt sich in drei Phasen gliedern, deren Übergänge fließend waren. So zog sich die Gleichschaltungsperiode, die von der Entfernung missliebiger Dozenten und zahlreichen Denunziationen geprägt war, bis 1938 hin. Die Phase der Selbstprofilierung im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie begann bei einigen Wissen-schaftlern, schon vor 1933. Ihre eigentliche Dynamik entfaltete sie jedoch mit dem Übergang des NS-Regimes zur Autarkiepolitik 1936. Dieses Jahr markiert auch die Hinwendung des NS-Regimes zur kriegsnotwendigen Ressource Wissenschaft. Es folgte die dritte Phase, die des Wissenschaftseinsatzes für den Krieg.

    Viele offenen Fragen gab es zu Beginn des Forschungsprojektes zu den kriegsrelevanten Forschungsprojekten der Universität. Die für die historischen Recherchen herangezogenen Archivalien konnten nicht in jedem Einzelfall Auskünfte zu den Forschungen der Greifswalder Wissenschaftler liefern. Da ihnen 1945 die Besetzung durch die Rote Armee drohte, vernichteten viele Institutsdirektoren gerade die Akten der Jahre nach 1943. Insgesamt konnten durch das Forschungsprojekt jedoch zahlreiche neue Erkenntnisse gewonnen werden. Sie betreffen unter anderem den Einsatz von Kriegsgefangenen und die Stellung der Medizinischen Fakultät zu den rassenhygienisch motivierten Sterilisierungen. Es herrscht jetzt Klarheit über die Verbindungen zu anderen Institutionen, zum Beispiel dem Reichsforschungsrat, der Militärärztlichen Akademie und dem Marineobservatorium. Zu verschiedenen Fragen - Kampfstoffforschung, Raumordnung, Wehrphysik - konnte bisher unerforschtes Material eingesehen werden. Der am Projektende im Frühjahr 2015 erreichte Forschungsstand wird nun auf der aktualisierten Website dokumentiert.

    Trotz intensiver Recherchen konnten nicht alle Fragen gleichermaßen befriedigend geklärt werden. Es bleiben Lücken, die erst künftige Forschungen schließen werden. Die Ergebnisse des Projektes wurden ein einer Monographie verarbeitet, die alle auf der Website angesprochenen Fragen ausführlich behandelt. Die fachliche Darstellung im Internet wird durch viele Originaldokumente aus diesem Zeitraum ergänzt, die die Nutzer digital aufrufen können. Neu ist ein Personenverzeichnis, in dem Akteure aus der Zeit des Nationalsozialismus vorgestellt werden. Alle Angaben zu diesen Personen sind durch Quellennachweise zu den Akten in verschiedenen Archiven belegt.

    Hinweise für Medienvertreter
    Sehr geehrte Damen und Herren, bitte haben Sie Verständnis, dass wir derzeit noch nicht ins Detail gehen können. Die verantwortungsvolle Aufbereitung der umfassenden Materialien für die Öffentlichkeit ist sehr aufwendig. Wir planen für den 15. Oktober 2015 ein Pressegespräch. Zu diesem Termin werden auch Wissenschaftler anwesend sein, die in bislang unzugänglichen Archiven recherchieren konnten. Es ist geplant, auf wesentliche neue Erkenntnisse genauer einzugehen. Wenn Sie nach Durchsicht der Internetseiten spezielle Fragen oder journalistische Wünsche haben, melden Sie sich bitte bis zum 30. September 2015 in der Presse- und Informationsstelle.

    Weitere Informationen

    Henrik Eberle:
    „Ein wertvolles Instrument“ Die Universität Greifswald im Nationalsozialismus.
    Böhlau Verlag 2015, 39,90 €
    http://www.boehlau-verlag.com/978-3-412-22397-7.html

    Internetseite „Universität Greifswald im Nationalsozialismus“:
    http://www.ns-zeit.uni-greifswald.de

    http://www.uni-greifswald.de/informieren/universitaet-im-nationalsozialismus.html

    Ansprechpartner an der Universität Greifswald
    Presse- und Informationsstelle
    Domstraße 11, 17487 Greifswald
    Telefon 03834 86-1150
    Telefax 03834 86-1151
    Mobil 0170 5669683
    pressestelle@uni-greifswald.de
    http://www.uni-greifswald.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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