idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
25.09.2015 11:49

Ein Blick auf die letzten echten Wildpferde der Welt nach 100 Jahren Gefangenschaft

Saskia Donath Pressestelle des Forschungsverbundes Berlin e.V.
Forschungsverbund Berlin e.V.

    Zum ersten Mal hat ein internationales Forscherteam das komplette Erbgut von elf Przewalski-Pferden sequenziert, einschließlich aller Abstammungslinien. Fünf Pferdeproben stammten von mehr als 100 Jahre alte Museumsexemplaren. Die Genome wurden mit dem Erbgut von 28 Hauspferden verglichen, um ein detailliertes Bild der Vergangenheit und Gegenwart der bedrohten Tiere zu erhalten. Die aktuelle Studie wurde jetzt im (Cell Press-)Fachmagazin „Current Biology“ veröffentlicht.

    Die letzten echten Wildpferde der Welt, bekannt als Przewalski-Pferde, lebten in den 1870er Jahren in den asiatischen Steppen der Mongolei und Chinas. 90 Jahre später waren diese Pferde jedoch nicht mehr freilebend. Nur eine einzige in Gefangenschaft lebende Population blieb übrig, die von etwa einem Dutzend Individuen aus Wildfängen und vier domestizierten Pferden abstammte. Dank erheblicher Schutzbemühungen umfasst die heutige Population der Przewalski-Pferde über 2.000 Individuen, von denen etwa ein Viertel in Auswilderungsreservaten lebt.

    “Neuartig an unserem Forschungsansatz ist, dass wir nicht nur die gegenwärtige, sondern auch die einstige genetische Vielfalt der Przewalski-Pferde mit Hilfe von Museumsexemplaren untersucht haben“, erklärt Ludovic Orlando vom Zentrum für Geogenetik des Naturkundemuseums Dänemark und der Universität Kopenhagen. „Dadurch konnten wir den Einfluss von mehr als 100 Jahren Gefangenschaft auf den Genpool der ehemals stark bedrohten Tiere ermitteln.“

    „Der genetische Nachweis trägt zur Klärung einer langjährigen Debatte hinsichtlich der Beziehung zwischen wilden und domestizierten Pferden in der Pferdeevolution bei“, erklärt Arne Ludwig, Genetiker am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW). Die Wissenschaftler berichten, dass die Vorfahren der Przewalski-Pferde und Hauspferde noch für lange Zeit durch einen Genfluss miteinander verbunden blieben, nach ihrem Auseinanderstreben vor ungefähr 45.000 Jahren. Auch als Menschen vor etwa 5.000 Jahren anfingen Pferde zu domestizieren, vermischten sich ihre Populationen weiterhin.

    „Wir konnten tatsächlich zeigen, dass Hauspferde bereits zu Beginn ihrer Gefangenschaft – während des frühen 20. Jahrhunderts – entscheidend zu einigen Linien des Stammbaums der Przewalski-Pferde beigetragen haben“, sagt Orlando. “Das bedeutet, dass nicht alle überlebenden Przewalski-Linien den Wildpferde-Genpool in gleichem Maße vertreten.”

    Orlando und seine Kollegen fanden die größten genetischen Unterschiede zwischen domestizierten und wilden Pferden bei Genen, die den Stoffwechsel, die Reproduktion, das Verhalten sowie Herzerkrankungen, Muskelkontraktionen, und Signalwege betreffen.
    Die Wissenschaftler zeigten außerdem, dass die letzten 110 Jahre in Gefangenschaft nicht spurlos an den Przewalski-Pferden vorbeigegangen sind. Dies machte sich in Form einer geringeren genetischen Diversität und zunehmender Inzucht bemerkbar. In einigen Fällen kam es zudem zu wesentlichen Veränderungen des Genpools durch domestizierte Individuen. In den extremsten Fällen bestand ungefähr ein Viertel des Erbguts der Przewalski-Pferde aus Genvarianten, die von domestizierten Pferden vererbt wurden.
    Es gibt jedoch auch gute Nachrichten: “Obwohl Przewalski-Pferde einen extremen demographischen Zusammenbruch hinter sich haben, scheint sich die Population zu erholen und ist immer noch genetisch divers“, sagt Orlando. „Damit besteht Hoffnung für (andere) gefährdete Populationen, die mit ähnlichen demographischen Problemen zu kämpfen haben.“

    „Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von fossilen DNA-Nachweisen, um die Domestikation von Tieren zu verstehen. Wir wollen noch weitere alte Pferderassen – sowohl wilde als auch domestizierte – untersuchen, um die Geschichte der 5.500 Jahre alten Pferdedomestizierung zu rekonstruieren“, berichtet Ludwig.

    Publikation:
    Sarkissian CD, Ermini L, Schubert M, Yang MA, Librado P, Fumagalli M, Jónsson H, Bar-Gal GK, Albrechtsen A, Vieira FG, Petersen, B, Ginolhac A, Seguin-Orlando A, Magnussen K, Fages A, Gamba C, Lorente B, Polani S, Steiner C, Neuditschko M, Jagannathan V, Feh C, Greenblatt CL, Ludwig A, Abramson N, Zimmermann W, Schafberg R, Tikhonov A, Sicheritz-Ponten T, Willerslev E, Marques-Bonet T, Ryder OA, McCue M, Rieder S, Leeb T, Slatkin M, Orlando L (2015): Evolutionary genomics and conservation of the endangered Przewalski's horse. CURR BIOL. doi.org/10.1016/j.cub.2015.08.032.

    Kontakt Presse:
    Uffe Gram Wilken
    Pressesprecher

    Centre for GeoGenetics
    Natural History Museum of Denmark
    Øster Voldgade 5-7
    1350 København K
    Phone: +45 40 18 59 92
    Phone (Reception desk): +4535322222
    Mobile: +45 31772016
    E-mail: ugwilken@snm.ku.dk

    Steven Seet
    Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)
    in Forschungsverbund Berlin e.V.
    Alfred-Kowalke-Str. 17
    10315 Berlin
    Tel.: +49 30 5168 125
    Tel.: +49 177 857 26 73
    Email: seet@izw-berlin.de

    Wissenschaftliche Fragen:
    PD Dr. Arne Ludwig
    Tel.: +49 30 5168 206
    Email: ludwig@izw-berlin.de


    Bilder

    Przewalski-Pferde
    Przewalski-Pferde
    Ludovic Orlando
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Przewalski-Pferde


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).