Bochum, 25.10.1996 Nr. 198
Alle drei wollen unser Geld
Wenn Bund bestimmt, aber Laender und Gemeinden zahlen
RUB-Jurist: Reformvorschlaege fuer neue Finanzbeziehungen
Die Vereinigung Deutschlands hat erneut die Diskussion ueber die angemessene Verteilung von Steuereinnahmen und staatlichen Ausgaben zwischen Bund, Laendern und Gemeinden entfacht. Die Fachleute sind sich inzwischen einig, dass hier ein akuter Reformbedarf besteht. Um die Regelungen zu vereinfachen und gerechter zu gestalten, sollten im Art. 104 a GG die Absaetze 2 und 3 gestrichen werden; das fordert der Bochumer Jurist Dr. Georg Trapp, der in seiner Dissertation ,Das Veranlassungsprinzip in der Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland" das Problem von der rechtlichen Seite beleuchtet hat. Die Untersuchung von Dr. Trapp hat Prof. Dr. Dr. h.c. Rolf Grawert (OEffentliches Recht, Juristische Fakultaet, RUB) betreut.
Wenn der Bund bestimmt, dass Laender und Kommunen Sozialhilfe und Kindergaerten finanzieren sollen
Laender und Kommunen rebellieren seit geraumer Zeit dagegen, dass ihre Etats durch die Aufgabenzuweisung in Form von Bundesgesetzen immer staerker belastet werden, beispielsweise durch die Kosten fuer die Sozialhilfe und fuer die Erfuellung des Anspruchs auf einen Kindergartenplatz. Grundlage hierfuer ist die im Grundgesetz als Konnexitaetsgrundsatz bezeichnete Lastenverteilungsnorm (Art. 104 a Abs. 1GG), die es dem Bund gestattet, nach dem Prinzip der Verwaltungsanknuepfung seine Gesetze auf Kosten der Laender und Kommunen ausfuehren zu lassen. Zu diesem Themenbereich nimmt Dr. Trapp in seiner Dissertation mit folgenden Thesen Stellung:
6 Thesen fuer eine grundlegende Reform
1. Die bisher praktizierte Auslegung des Grundgesetzes ist umstritten.
2. Der Konnexitaetsgrundsatz laesst auch eine Ausrichtung der Lastenverteilung zwischen Bund, Laendern und Gemeinden nach dem Veranlassungsprinzip zu. (Wer Gesetze erlaesst, muss auch fuer die entstehenden Kosten aufkommen.)
3. Da die Gesetzgebung des Bundes die notwendigen Kosten fuer den Vollzug der Gesetze vorherbestimmt, kann das Prinzip der Vollzugskausalitaet, wonach die ausfuehrende Verwaltungsebene ueber die Hoehe der anfallenden Kosten bestimmt, nicht mehr gelten.
4. Nur der Zwang, fuer die finanziellen Folgen gesetzgeberischer Entscheidungen einstehen zu muessen, vermag langfristig bewirken, dass das politisch Wuenschbare mit dem finanziell Machbaren in Einklang gebracht wird.
5. Auch Laender und Kommunen haben als Vollzugsinstanzen fuer die Bundesgesetze einen Entscheidungsspielraum, der sich auf die Kosten auswirkt. Wegen der UEberschneidung ausgaberelevanter Kompetenzen in der Gesetzgebung und in der Verwaltung empfiehlt es sich, beide Bereiche von Anfang an gleichrangig nebeneinander als Kostenursache zu begreifen. Die Finanzierungslast wuerde sich dann entsprechend des Umfangs der ausgeuebten Kompetenzen verteilen lassen.
6. Da bisher nicht der Versuch unternommen wurde, die Kostenanteile von Bund, Laendern und Gemeinden genau zu bestimmen, kann nicht behauptet werden, das Veranlassungsprinzip sei unpraktikabel. Nach Art. 104 a Abs. 2 GG traegt der Bund die Kosten, wenn die Laender im Auftrag des Bundes handeln. Auch bei der Durchfuehrung von Geldleistungsgesetzen (Art. 104 a Abs. 3 GG) ist eine Kostenbeteiligung des Bundes vorgesehen. Fuer diese Gesetze und bei den Gemeinschaftsaufgaben wird bereits eine Bestimmung der Finanzierungsquoten praktiziert. Gefragt wird dabei, wo eigenverantwortlich gestaltete Bereiche der Laender und Kommunen vorliegen und wo die materielle Koordination einsetzt. Erfahrungen hieraus koennen auf das Veranlassungsprinzip uebertragen werden. Darueber hinaus koennte bei der Bestimmung des Veranlassungsgrades mit Schaetzungen, Durchschnittswerten oder Pauschalbetraegen gearbeitet werden.
3 Vorschlaege, wie das GG einfacher werden koennte
Dr. Georg Trapp leitet aus diesen UEberlegungen folgende Reformschritte ab:
1. Damit das Veranlassungsprinzip als Massstab fuer die Lastenverteilung zwischen Bund, Laendern und Gemeinden im Grundgesetz verankert werden kann, muss der Art. 104 a Abs. 2 GG gestrichen werden.
2. Die Grundsatznorm der Lastenverteilung kann unveraendert belassen werden (Art. 104 a Abs. 1 GG). Die Verantwortung fuer Ausgaben wuerde wieder an die Stelle der formellen Verwaltungskompetenz treten.
3. Da sich der Abs. 3 von Art. 104 GG mit seinen Bestimmungen ueber den zur Finanzierung von sogenannten Geldleistungsgesetzen bereits dem Veranlassungsprinzip naehert, kann er gestrichen werden.
Kosten gerechter verteilen und dabei noch sparen
Diese Vereinfachung der grundgesetzlichen Regelungen koennte ganz im Sinne der Laender und Kommunen den Nachweis erbringen, dass der Bund bisher in nicht ausreichendem Masse an den Kosten fuer die Sozialhilfe und anderen Geldleistungen des Staates beteiligt ist. Das Veranlassungsprinzip wuerde den Bund unter Druck setzen, den Laendern weitere gesetzgeberische Kompetenzen zu ueberlassen. Als weitere Folge waeren die Laender und die Kommunen gezwungen, in diesem Bereich den Verwaltungsaufwand so klein wie moeglich zu halten, um Kosten zu sparen.
Quelle
Eine Zusammenfassung der Dissertationsergebnisse veroeffentlichte Dr. Trapp bereits in: Zeitschrift fuer Rechtspolitik (ZRP), Nr. 9 (September) 1996, S. 339ff.
Weitere Informationen
Dr. Georg Trapp, Pelmanstrasse 40, 45131 Essen, Tel. 0201/787064, Fax: 0201/787066.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Politik, Recht, Wirtschaft
überregional
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Deutsch
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