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14.10.2015 19:00

Spektakulärer Fossilfund: Ursäugetier litt vermutlich unter Haar-Erkrankung

Dr. Andreas Archut Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Universität Bonn hat einen spektakulären Fossilfund aus der Kreidezeit untersucht. Der 125 Millionen Jahre alte maus- bis rattengroße Säuger ist so gut erhalten, dass selbst Detailanalysen seines Fells möglich sind. Erstaunlicher Befund: Möglicherweise litt das Tier unter einer Pilzinfektion der Haare, die auch heutige Säugetiere heimsucht. Die Wissenschaftler veröffentlichen ihre Ergebnisse in der Zeitschrift „Nature“.

    Noch ein weiteres Detail elektrisiert die Forscher: Bei dem kreidezeitlichen Säugetier sind die Rückenhaare zu kleinen Stacheln verschmolzen. Sie ähneln denen eines Igels, sind aber viel kleiner. Ihnen verdankt der Kleinsäuger seinen Namen Spinolestes (von spinosus lat. = stachelig). Es ist das erste Mal, dass Paläontologen bei einem Fossilfund aus dem Erdmittelalter Stacheln nachweisen konnten.

    Die Rückenhaut des Tieres war zudem teilweise mit kleinen hornigen Plättchen bedeckt. „Wir kennen diese Merkmale von den heutigen Stachelmäusen aus Afrika und Kleinasien“, erklärt Prof. Dr. Thomas Martin vom Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn. „Wenn diese von einem Räuber am Rücken gepackt werden, lösen sich die Stacheln von der Haut ab. Die Maus kann fliehen; dem Angreifer bleibt nichts als ein Maul voller Stacheln.“ Möglicherweise erfüllten diese Strukturen bei Spinolestes einen ähnlichen Zweck.

    Stabiler Rücken

    Mit den Mäusen ist Spinolestes allerdings nur sehr entfernt verwandt. „Wir können den Fund keiner heute lebenden Säugergruppe zuordnen“, betont Prof. Martin. „Er weist zwar Merkmale auf, die wir auch bei heutigen Säugetieren finden. Diese sind aber kein Verwandtschaftszeichen, sondern unabhängig entstanden – sie sind im Laufe der Evolution mehrmals 'erfunden' worden.“

    Das gilt auch für eine Besonderheit der Wirbelsäule: Die einzelnen Wirbel verfügen über Fortsätze, durch die sie miteinander verschränkt sind. Dadurch war der Rücken von Spinolestes außergewöhnlich belastbar – warum, darüber lässt sich nur spekulieren. „Ähnliche Strukturen finden sich heute bei Gürteltieren und Ameisenbären, aber auch bei der afrikanischen Panzerspitzmaus“, sagt Martin. „Die Panzerspitzmaus etwa nutzt ihren robusten Rücken, um damit Palmwedel vom Stamm des Baumes wegzustemmen. So gelangt sie an Insektenlarven, die zwischen den Ansatzstellen der Wedel und dem Stamm leben.“

    Der Fund stammt von der Fossil-Lagerstätte Las Hoyas in Spanien, die bislang vor allem für ihre gut erhaltenen Vogel- und Reptil-Fossilien bekannt war. Vor drei Jahren jedoch stieß ein Grabungsteam unter der Leitung der Paläontologin Angela Buscalioni (Autónoma-Universität Madrid) dort auf das versteinerte Skelett eines unbekannten Kleinsäugers. Sie brachte den Fund nach Bonn, wo die Knochen- und Gewebereste mit einem Spezialverfahren aus dem Kalkstein herausgelöst wurden.

    Besonders begeistert sind die Wissenschaftler vom hervorragenden Zustand des Fossils, insbesondere des versteinerten Fells. „Das ist bislang völlig beispiellos“, freut sich Prof. Martin. Zusammen mit seinen Kollegen aus Spanien, Frankreich und den USA untersuchte er die Haare en détail. Dabei fanden die Wissenschaftler unter anderem auch Veränderungen, die auf eine Pilzerkrankung des Fells schließen lassen. Möglicherweise litten die Ursäuger also bereits unter ähnlichen Krankheiten wie ihre Nachfahren heute.

    Eines jedenfalls zeige der Fund eindrucksvoll, sagt Prof. Martin: „Schon vor 125 Millionen Jahren war Spinolestes sehr gut an seine ökologische Nische angepasst – durch Hornplättchen und Stacheln am Rücken sowie durch seine verstärkte Wirbelsäule.“ Damit reihe sich das Fossil in eine ganze Reihe neuerer Funde ein. „Wir müssen wohl umdenken“, betont Martin. „Die Säugetiere zu Zeiten der Dinosaurier mögen zwar klein gewesen sein. Primitiv waren sie aber ganz gewiss nicht.“

    Publikation: Thomas Martin, Jesús Marugán‐Lobón, Romain Vullo, Hugo Martín‐Abad, Zhe‐Xi Luo, Angela D. Buscalioni; A Cretaceous eutriconodont and integument evolution of early mammals; Nature; DOI: 10.1038/nature14905

    Video-Podcast zum Thema: https://youtu.be/581ceo9B5zM

    Kontakt für die Medien:

    Prof. Dr. Thomas Martin
    Steinmann-Institut
    Bereich Paläontologie
    Universität Bonn
    Tel. 0228/734803
    Mobil 0176/70 54 53 64
    E-Mail: tmartin@uni-bonn.de


    Bilder

    Skelett des Ursäugers Spinolestes mit erhaltenem Fellschatten. Am oberen Bildrand (Pfeil) erkennt man die Ohrmuschel. Das Skelett wurde bei der Präparation auf eine Kunstoff-Matrix transferiert.
    Skelett des Ursäugers Spinolestes mit erhaltenem Fellschatten. Am oberen Bildrand (Pfeil) erkennt ma ...
    Foto: Georg Oleschinski. Mit Genehmigung der Nature Publishing Group
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    Lebendrekonstruktion des kreidezeitlichen Ursäugers Spinolestes xenarthrosus.
    Lebendrekonstruktion des kreidezeitlichen Ursäugers Spinolestes xenarthrosus.
    Zeichnung: Oscar Sanisidro. Mit Genehmigung der Nature Publishing Group
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Skelett des Ursäugers Spinolestes mit erhaltenem Fellschatten. Am oberen Bildrand (Pfeil) erkennt man die Ohrmuschel. Das Skelett wurde bei der Präparation auf eine Kunstoff-Matrix transferiert.


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    Lebendrekonstruktion des kreidezeitlichen Ursäugers Spinolestes xenarthrosus.


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