Philosophische Fakultät der Universität Jena ehrt am 27. Mai den Weimarer Dichter Wulf Kirsten
Jena (23.05.03) Manchmal sind Begründungen für große Auszeichnungen sehr einfach. "Wulf Kirsten ist einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dichter der Gegenwart" - so kurz und klar legt die Philosophische Fakultät der Universität Jena dar, warum sie den Weimarer Schriftsteller mit der Ehrendoktorwürde auszeichnet. Kirsten wird der Titel am 27. Mai ab 18.15 Uhr während eines öffentlichen Festaktes in der Aula des Jenaer Universitäts-Hauptgebäudes (Fürstengraben 1) verliehen. Anwesend sein wird auch Thüringens Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel. Den Festvortrag "Der Mensch in der Landschaft. Dichtung deutscher Bauernsöhne" hält Dr. Karl Corino aus Tübingen, bevor sich Wulf Kirsten selber dem Thema "Landschaft als literarischer Text - ein Eingrenzungsversuch" widmen wird.
Wulf Kirsten wurde 1934 in Klipphausen bei Meißen in einer Bauern- und Handwerkerfamilie geboren, absolvierte eine kaufmännische Lehre und studierte Deutsch und Russisch an der Universität Leipzig. 1964 kam er nach Weimar, wo er als Lektor im Aufbau-Verlag arbeitete, bis er sich 1987 als freier Schriftsteller selbstständig machte. Sein Schreiben hatte aber bereits in den 50er Jahren begonnen. Kirstens Werk lässt sich in drei Gruppen unterteilen: Lyrik, semifiktionale und autobiographische Prosa sowie Aufsätze und Essays.
Die Jenaer Universität ehrt somit einen Autor "aus der ehemaligen DDR, dem sich seit 1989 zwar neue Themen und Motive aufdrängten, der aber von der bis dahin erarbeiteten künstlerischen Substanz nichts preiszugeben hatte", sagt Prof. Dr. Jens Haustein. "Er ist ein Künstler", betont der Dekan der Philosophischen Fakultät, "in dessen Werk kritisch bewahrendes Erinnern, also das, worum es wesentlich auch unserer Fakultät geht, einen besonderen Stellenwert hat". Ein Erinnern und neu Darstellen, das auch in Kirstens jüngstem Buch "Der Berg über der Stadt - zwischen Goethe und Buchenwald", das er gemeinsam mit dem Fotografen Harald Wenzel-Orf geschaffen hat, prägnante Züge erhält. Weimars Hausberg, "wo die Geschichte wuchert", wird neu beschritten und in seiner zwiespältigen historischen Bedeutung beleuchtet. "Mich interessiert, wie die Natur die Geschichte zuzudecken versucht", erläuterte Kirsten zu diesem Buch. Eine Erfahrung, mit der er in der Philosophischen Fakultät mit ihren zahlreichen Fächern sicher vielfältige Denkimpulse auslösen kann.
Davon ist auch der Jenaer Germanist Prof. Dr. Gerhard R. Kaiser überzeugt. "Es ist die kontrapräsentische Erinnerung im Medium literarischer Kunst", beschreibt er den literarischen Impuls des Künstlers. "Kirstens stark autobiographisch genährtes Werk leistet auf den verschiedensten Ebenen Erinnerungsarbeit - nicht nur individual-, familien- und regional-, sondern auch national-, ja weltgeschichtlich", ist Kaiser von der hohen Bedeutung des Kirstenschen Werkes überzeugt. Kirsten habe immer wieder Tabus berührt, Übersehenes ins Blickfeld gerückt, Ausgegrenztes und Vergessenes thematisiert. Und dies in einer "lexikalisch und rhythmisch kunstvoll widerständigen Sprache", wie Kaiser betont. Damit wird der Weimarer Dichter zum Grenzgänger zwischen Literatur, Historie und Gesellschaft - und zur idealen Ergänzung der Jenaer Universität, wie die Philosophische Fakultät betont. Sie zeichnet mit der Ehrendoktorwürde "einen Autor aus, dessen auf kritische Erinnerung ausgerichtete Literatur sich mit ihren eigenen wissenschaftlichen Anstrengungen vielfach trifft" - endet die Begründung der Fakultät. Für Kirsten, der neben dem Elisabeth-Langgässer-, dem Peter-Huchel und dem Weimar-Preis bereits zahlreiche weitere Auszeichnungen erhalten hat, ist es die erste Ehrendoktorwürde - die Friedrich-Schiller-Universität setzt ein Zeichen.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Sprache / Literatur
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Personalia
Deutsch
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