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10.09.1998 00:00

"Žn bißchen lächeln, bißchen Stahl in die Augen und ab..."

Guenter Barthenheier M. A. Dezernat Kommunikation
Otto-Friedrich-Universität Bamberg

    Psychologische Forschungsergebnisse zur Selbstdarstellung von Politikern

    " 'n bißchen lächeln, bißchen Stahl in die Augen und ab..."
    Zur Selbstdarstellung von Politikern

    " Letztendlich belohnt der Wähler mit seiner Stimme nicht die beste Politik, sondern den besten Inszenierer.", so die nüchterne Erkenntnis des Dortmunder Politologieprofessors Thomas Meyer in einem Spiegelinterview (46/1997, S.155). Heißt das, daß wir nur den besten Selbstdarsteller wählen und nicht den kompetentesten Politiker? Ideal wäre natürlich der 2 in 1"- Politiker, einer, der sich vorteilhaft zu präsentieren weiß und gleichzeitig kompetent ist.Doch in der Alltagssprache ist Selbstdarstellung immer noch negativ besetzt und wird mit Eindruckslenkung", Manipulation" oder Verführung" assoziiert. Eine zunehmende Amerikanisierung politischer Inszenierungen wird beklagt. Showeffekte statt politischer Inhalte. Blicken wir zurück: April 98, SPD-Parteitag in Leipzig: gar nicht martialisch genug konnte es zugehen, als Gerhard Schröder erfolgreich - siegessicher lächelnd und begeistert winkend - den Genossen und Genossinnen signalisierte: Ich bin's, und ich bin der Einzige." Doch wie schafft er es, auf dem schmalen Mäuerchen zwischen Glaubwürdigkeit und (Selbst-)Glorifizierung nicht das Gleichgewicht zu verlieren? Warum bezeichnet Tony Blair ihn als smart"? Und warum halten ihn mehr als die Hälfte der Deutschen in Wirtschaftsfragen für kompetent"? Die Antwort liegt auf der Hand: Schröder hat die Macht und Bedeutung der Selbstdarstellung erkannt und nutzt sie konsequent. Er verrät uns auch, wie man sich wirkungsvoll in Szene setzt, z.B. bei Fotosessions: Hab' ich inzwischen Übung drin", so Schröder 1995, n' bißchen Lächeln, bißchen Stahl in die Augen und ab."
    Das Üben hat sich gelohnt. Doch längst ist Selbstdarstellung in der Politik nicht mehr Angelegenheit des Einzelnen. Laut Astrid Schütz*, Forscherin auf dem Gebiet Selbstdarstellung von Politikern", arbeiten ganze Stäbe von Beratern daran, das Auftrittsverhalten ihres Kandidaten zu optimieren: Mimik und Gestik werden bis ins Detail seziert und umarrangiert, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Was Schröder schon kann, daran arbeiten andere noch hart. Denn zu welchen Verirrungen es dabei auch kommen kann, zeigte Lafontaines Auftritt auf dem letzten Juso-Parteitag, als er sich im Technotanzen versuchte.
    Inmitten junger Raver in Techno-Outfit ein desorientiert wirkender Tanzbär in Anzug und Krawatte: Oskar Lafontaine. Die Regieanweisung Oskar meets Techno" war übertrieben und wirkte deshalb nicht glaubwürdig. Was allerdings passieren kann, wenn man gänzlich auf Selbstdarstellung verzichtet und sich darauf beschränkt, politische Inhalte zu vermitteln, sah man unlängst an der deutlich absinkenden Popularitätskurve der Grünen nach der Benzinpreisdiskussion. Doch worin liegt das Geheimnis der Glaubwürdigkeit? Nach Psychologieprofessor Lothar Laux befolgen Politiker oft Regeln der Selbstdarstellung, die zur Entfremdung von ihrer eigenen Persönlichkeit führen. Durch die Dominanz derartiger Regeln der Selbstdarstellung nimmt die Variabilität des Verhaltens ab. Es wird immer gleichförmiger und verliert an Ausstrahlung und Überzeugungskraft. Im Extremfall, so Laux weiter, entwickeln diese angelernten Selbstdarstellungsstrategien ein Eigenleben, die das wirkliche Selbst des Politikers schließlich überlagern. Die wahre Persönlichkeit" wird verwischt. Wie kann man dieser Selbstentfremdung entgegenwirken? Der Psychologe Laux kennt die Antwort: er favorisiert eine Schwergewichtsverlagerung" von der reinen Außenorientierung hin zum Persönlichen der Selbstdarstellung. Es kommt also darauf an, das besondere der eigenen, wirklichen" Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Anstatt sich also in sture Regieanweisungen der Selbstdarstellung zu zwängen, empfiehlt Laux die Besinnung auf die eigenen, ganz individuellen Eigenschaften und die Hervorhebung derselben.
    Konkret: jeder weiß, daß Microsoft-Chef Bill Gates kein begnadeter, charismatischer Redner ist. Wirkte er nicht viel authentischer - und somit auch glaubwürdiger - wäre er der verträumte, visionäre College-Junge geblieben, den man einfach gern haben muß? Wieder begegnet uns Niedersachsens Vorzeige-Sozialdemokrat. Gerhard Schröder weiß, so Laux, daß es auf Authentizität und Geradlinigkeit ankommt, wenn man ein Publikum erobern will. Deshalb, sagt Schröder, trete er immer als er selbst" auf. Doch wie glaubwürdig wirkt die Betonung der eigenen Authentizität? Was ist Taktik und was ist echt? Selbst Gefühle können inszeniert sein, auch wenn sie als Garanten der Echtheit gelten. Wie sagte der Journalist Wolfgang Herles in einem Gespräch mit Laux: Wir haben Politiker, die unserer Kultur entsprechen."

    * Lothar Laux und Astrid Schütz (1996). Wir, die wir gut sind." Die Selbstdarstellung von Politikern zwischen Glorifizierung
    und Glaubwürdigkeit. München: dtv.

    Karola Haupt


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-bamberg.de/


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Psychologie, Recht
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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