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11.11.2015 23:00

Erste Resistenzen gegen eine neue Generation von Tuberkulose-Medikamenten nachgewiesen

Dr. Christian Heuss Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Swiss Tropical and Public Health Institute

    Die beiden Antibiotika Bedaquilin und Delamanid gehören zu einer neuen Generation von hochwirksamen Tuberkulose-Medikamenten. Sie werden bislang nur als letztes verfügbares Mittel bei multiresistenter Tuberkulose eingesetzt. Nun weisen Wissenschaftler des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) und der Universität Zürich Resistenzen gegen diese beiden Antibiotika nach. Die Behandlung einer multiresistenten Tuberkulose wird damit zu einer grossen Herausforderung, warnen die Forschenden in der renommierten Fachzeitschrift New England Journal of Medicine.

    Die Zulassungsbehörden in den USA und Europa bewilligten erst kürzlich die neuen Antibiotika Bedaquilin und Delamanid zur Behandlung einer multiresistenten Tuberkulose. Doch nun zeigen Forschende des Schweizerischen Tropen-und Public Health-Instituts (Swiss TPH) und der Universität Zürich in einer Fallstudie bereits eine Doppelresistenz gegen diese zwei Wirkstoffe.

    Dramatische Krankengeschichte eines Flüchtlings in der Schweiz
    2010 wird bei einem aus dem Tibet in die Schweiz eingewanderten Mann eine multiresistente TB diagnostiziert. Eine Therapie mit vier verschiedenen Antibiotika verläuft erfolglos. Erst der neue Wirkstoff Bedaquilin führt zu einem befriedigenden Behandlungsergebnis. 2013 wird der Patient für vollständig genesen erklärt und aus dem Spital entlassen. Doch nur fünf Monate später wird er mit einem Rückfall wieder eingeliefert. Nach wirkungsloser Behandlung mit sieben unterschiedlichen Antibiotika wird der Patient schliesslich auch mit dem neuen Antibiotika Delamanid behandelt. Doch auch gegen dieses Antibiotikum entwickeln die TB-Erreger innerhalb weniger Wochen Resistenzen. Der Patient überlebt nur Dank einer operativen Teilentfernung seiner Lungenflügel.

    Rasante Verbreitung der multiresistenten Tuberkulose
    Wissenschaftler am Swiss TPH haben mittels Genomanalysen die Erregerbakterien des Patienten über den ganzen Behandlungszeitraum von über 3 Jahren analysiert. Diese Untersuchung zeigt mit welcher Geschwindigkeit TB-Bakterien auch gegen die neuen Antibiotika Resistenzen entwickeln können. Um dies zu verhindern wäre wahrscheinlich eine gleichzeitige Kombinationstherapie unterschiedlicher Antibiotika notwendig. «Die Behandlung wäre wohl erfolgreicher verlaufen, hätte man die beiden neuen Antibiotika zusammen verabreicht», sagt Sebastien Gagneux vom Swiss TPH und Mitautor der Studie. Gemeinsam hätten die Antibiotika nicht nur alle Bakterien beseitigt, sondern die Resistenzbildung erschwert. Allerdings gibt es bislang keine Studien darüber, wie die beiden neuen Medikamente zusammen wirken und welche Nebenwirkungen dabei auftreten können.

    Vernachlässigte Tuberkuloseforschung
    Das Problem liegt nicht nur in der raschen Resistenz-Entwicklung der Bakterien. Über Jahrzehnte floss wenig Geld in die Erforschung neuer Wirkstoffe. Die Tuberkulose wurde in erster Linie als Krankheit von Entwicklungsländern verstanden. Doch dem ist längst nicht mehr so. In vielen Ländern Osteuropas verbreiten sich multiresistente TB-Stämme und treten auch in der Schweiz immer häufiger auf. «Dass eine multiresistente TB selbst in der Schweiz kaum heilbar ist, bereitet mir Sorgen», sagt Sébastien Gagneux.

    Tuberkulose bleibt eine globale Bedrohung. Die Krankheit ist hoch ansteckend und überträgt sich von Mensch zu Mensch auf dem Luftweg. Multi-Resistenzen gegen gängige TB-Medikamente steigen insbesondere in Osteuropa, Asien und Teilen Afrikas dramatisch an. Neuartige Medikamente und Impfstoffe sind dringend notwendig, um diese Infektionskrankheit zu bekämpfen.
    Studie

    Acquired Resistance to Bedaquiline and Delamanid in Therapy for Tuberculosis.
    Guido V. Bloemberg, Peter M. Keller, David Stucki, Andrej Trauner, Sonia Borrell, Tsogyal Latshang, Mireia Coscolla, Thomas Rothe, Rico Hömke, Claudia Ritter, Julia Feldmann, Bettina Schulthess, Sebastien Gagneux, and Erik C. Böttger, N Engl J Med. 373: 20, 2015. DOI: 10.1056/NEJMc1506878

    Medienkontakte
    Christian Heuss, Leiter Kommunikation, Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut, Swiss TPH, Tel +41 61 284 86 83, christian.heuss@unibas.ch

    Sebastien Gagneux, Head of Tuberculosis Research, Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut, sebastien.gagneux@unibas.ch

    Über das Schweizerische Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH)
    Das Schweizerische Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) ist die grösste Institution der Schweiz im Bereich Public- und Global-Health. Durch Forschung, Lehre und Umsetzungsprogramme trägt das Swiss TPH zur Verbesserung der Gesundheit weltweit bei. Ein spezieller Fokus der Aktivitäten liegt in einkommensschwachen Ländern. Zu den Kernthemen gehören Infektionskrankheiten der Armut (Malaria, Tuberkulose, Wurmerkrankungen), Gesundheitssysteme und ihre Entwicklung, sowie die Auswirkungen von Umweltfaktoren auf die Gesundheit. Das Swiss TPH ist eine öffentlich-rechtliche Institution assoziiert mit der Universität Basel.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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