idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
18.11.2015 10:51

Zuckerindustrie versucht Gesundheitsausschuss des Bundestags hinters Licht zu führen

Julia Voormann Pressestelle
Deutsche Diabetes Gesellschaft

    Berlin – Die deutsche Zuckerindustrie hat sich in der letzten Woche mit einem Info-Brief an die Mitglieder des Bundestagsausschusses für Gesundheit gewandt. Darin beruft sich die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker (WVZ) unter anderem auf Ernährungsempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und kommt zu dem Schluss, dass Zuckerkonsum kein Risikofaktor für Diabetes Typ 2 sei. Die DDG betrachtet diese Aktion als unseriös und weist die Argumentation als manipulativ und plump zurück.

    In ihrem Info-Brief stellt die WVZ zunächst richtigerweise fest, dass Übergewicht ein Risikofaktor für die Entstehung von Diabetes Typ 2 sei. Aber, so schreibt der Verband weiter: „Zucker macht nicht dick.“ Für die Entstehung von Übergewicht sei nicht eine einzelne Zutat, sondern die Energiebilanz entscheidend. Deshalb lautet das Fazit aus Sicht der WVZ: Zuckerkonsum ist kein Risikofaktor für Diabetes.

    „Diese Argumentation ist unseriös, weil sie entscheidende Zusammenhänge bewusst ausspart“, sagt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Selbstverständlich sei gegen den maßvollen Konsum von Zucker nichts einzuwenden. „Darum geht es in der aktuellen Debatte auch gar nicht“, betont Gallwitz. „Das Problem ist jedoch unsere heutige Ernährungsweise mit einer Vielzahl industriell erzeugter Lebensmittel, die ein Übermaß an Zucker, Fett und Salz enthalten und damit zu viele Kalorien.“ Und diese Ernährungsweise mit hochkalorischen Produkten führt dazu, dass inzwischen über die Hälfte der Deutschen übergewichtig ist, was zu Diabetes und vielen anderen Krankheiten führen kann. Insofern ist der weltweit viel zu hohe Zuckerverbrauch gesundheitsschädlich und muss dringend zurückgeführt werden.

    „Wenn es der Zuckerindustrie um eine seriöse Information gegangen wäre, hätte sie die Politiker auf diesen Missstand hingewiesen, anstatt die DDG Empfehlungen manipulativ einzusetzen“, sagt Dr. Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Denn nach der einschlägigen WHO Leitlinie sollte der Zuckerverbrauch nicht mehr als zehn Prozent der täglichen Gesamtenergieaufnahme ausmachen. Noch besser sei es, wenn der tägliche Zuckerverbrauch auf fünf Prozent reduziert werde (WHO Guideline; Sugars intake for adults and children, 2015. Entsprechende Empfehlungen hatte die WHO auch schon 2002 veröffentlicht). Zehn Prozent der Energieaufnahme für Erwachsene wären etwa 50 Gramm Zucker. Tatsächlich aber verzehrt jeder Deutsche im Durchschnitt etwa das Doppelte an Zucker.

    Mit dem Info-Brief knüpft die WVZ an ähnliche Strategien der Tabakindustrie an, die jahrzehntelang erfolgreich versuchte, von den gesundheitlichen Folgen des Rauchens abzulenken. Auch die Lebensmittelindustrie hat in den zurückliegenden Jahrzehnten weltweit immer wieder versucht, mit zweifelhaften Methoden Teile der Politik und Wissenschaft in ihrem Sinne zu beeinflussen. Ärzte der University of California zeichneten jüngst in der Fachzeitschrift PLOS Medicine nach, wie die Zuckerindustrie in den USA seit den 70er Jahren erfolgreich daran arbeitete, die schädlichen Folgen von gesüßten Getränken und Speisen auf die Zahngesundheit zu verschleiern. Und die New York Times berichtete kürzlich, dass Coca-Cola Wissenschaftlern 1,5 Millionen Dollar zahlte, damit sie mangelnde Bewegung als den wahren Dickmacher identifizierten – und gleichzeitig die Bedeutung gesüßter Softdrinks relativierten.

    „Wir gehen davon aus, dass die Gesundheitspolitiker diesen Info-Brief als das einstufen, was er ist: als einen plumpen Versuch der wirtschaftlichen Interessenvertretung, und nicht als einen serösen Beitrag zur Gesundheitsförderung“, so Gallwitz.

    Sendung ARTE, „Die große Zuckerlüge“, 13.10.2015, 20.15 Uhr
    http://www.arte.tv/guide/de/054774-000/die-grosse-zuckerluege

    Pressemitteilung des WVZ zur Zuckerrübenernte:
    http://www.zuckerverbaende.de/aktuell/presse-aktuelle-infos/357-aktuell-presse-a...

    Cristin E. Kearns, Stanton A. Glantz , Laura A. Schmidt: Sugar Industry Influence on the Scientific Agenda of the National Institute of Dental Research’s 1971 National Caries Program: A Historical Analysis of Internal Documents. PLOS online, published March 10, 2015, DOI: 10.1371/journal.pmed.1001798
    http://journals.plos.org/plosmedicine/article?id=10.1371/journal.pmed.1001798

    Über die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG):
    Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ist mit fast 9.000 Mitgliedern eine der großen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland. Sie unterstützt Wissenschaft und Forschung, engagiert sich in Fort- und Weiterbildung, zertifiziert Behandlungseinrichtungen und entwickelt Leitlinien. Ziel ist eine wirksamere Prävention und Behandlung der Volkskrankheit Diabetes, von der mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind. Zu diesem Zweck unternimmt sie auch umfangreiche gesundheitspolitische Aktivitäten.

    Kontakt für Journalisten:
    Pressestelle DDG
    Kerstin Ullrich und Anna Julia Voormann
    Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart
    Tel.: 0711 8931-641/552, Fax: 0711 8931-167
    ullrich@medizinkommunikation.org
    voormann@medizinkommunikation.org

    Deutsche Diabetes Gesellschaft
    Geschäftsstelle
    Reinhardtstr. 31
    10117 Berlin
    Tel.: 030 3116937-11
    Fax: 030 3116937-20
    info@ddg.info


    Weitere Informationen:

    http://www.ddg.info


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).