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26.11.2015 10:14

Oxytocin beflügelt die Spendenneigung für humanitäre Projekte

Johannes Seiler Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Nachhaltigkeit wird heutzutage groß geschrieben. Wie viel Menschen dafür vom eigenen Geld abzugeben bereit sind, hängt vom Oxytocin-Spiegel ab. Die Spendenneigung steigt mit der Menge dieses Bindungshormons, haben Wissenschaftler des Bonner Universitätsklinikums herausgefunden. Allerdings entfaltet das Oxytocin nur seine Wirkung, wenn es um soziale Nachhaltigkeitsprojekte geht. Handelt es sich um rein ökologisch ausgerichtete Vorhaben, steigert das Hormon die Fähigkeit zum Teilen nicht. Die Wissenschaftler berichten nun in „The Journal of Neuroscience“ über ihre Ergebnisse.

    Das „Kuschelhormon“ Oxytocin sorgt für die Stärkung sozialer Bindungen: Bei frisch Verliebten, beim Sex und beim Stillen ist der Spiegel dieses Hormons besonders hoch. „Frühere Studien haben Hinweise dafür gefunden, dass der Botenstoff auch Großzügigkeit fördert“, sagt Prof. Dr. Dr. med. René Hurlemann, Direktor der Abteilung für Medizinische Psychologie an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Erhöht Oxytocin auch die Spendenbereitschaft für nachhaltige Projekte? Dieser Frage ging ein Forscherteam des Universitätsklinikums Bonn unter Federführung der Medizinischen Psychologie auf den Grund.

    Die Wissenschaftler führten mit insgesamt 172 Teilnehmern Experimente durch. Jeder Proband erhielt zehn Euro und konnte sich entscheiden, ob er die Summe selbst behalten, alles oder nur einen Teil spenden wollte. Zwei reale Spendenprojekte standen dafür zur Auswahl: Ein ökologisches zur Regenwaldaufforstung im Kongo und ein soziales Vorhaben, mit dem die Lebensgrundlagen von Ureinwohnern im Kongogebiet verbessert werden sollten. Anhand von Speichelproben testeten die Forscher während des Versuchs den Oxytocinspiegel der Teilnehmer.

    Oxytocin scheint wirkungslos für ökologische Vorhaben zu sein

    „Da Projekte zur ökologischen Nachhaltigkeit auch immer eine soziale Dimension haben, vermuteten wir, dass Oxytocin generell die Spendenneigung für solche Vorhaben steigert“, berichtet Erstautorin Nina Marsh aus dem Team von Prof. Hurlemann. Probanden, bei denen während des Experiments die Hirnanhangdrüse viel Oxytocin ausschüttete, spendeten erwartungsgemäß viel großzügiger für soziale Projekte als diejenigen mit geringen Hormonspiegeln. Überraschend war jedoch, dass dieser Effekt für ökologische Projekte ausblieb. Ob viel oder wenig körpereigenes Oxytocin änderte hier am Spendenverhalten so gut wie nichts.

    In einem zweiten Experiment verabreichten die Forscher einem Teil der Testpersonen über ein Nasenspray das Bindungshormon, zur Kontrolle bekam der andere Teil ein Placebo. „Das Muster wiederholte sich: Die Oxytocin-Gruppe spendete mit im Schnitt 4,50 Euro mehr als doppelt so viel für soziale Projekte als die unbehandelten Teilnehmer“, sagt Marsh. Bei den ökologischen Vorhaben ging die Spendenbereitschaft durch Oxytocin sogar zurück. Während die Placebo-Probanden von den zehn Euro durchschnittlich immerhin 4,42 Euro abgaben, knauserten die Oxytocin-Behandelten mit nur 2,42 Euro.

    Anschließend wurden den Teilnehmern in einem Katalog verschiedene Nahrungsmittel und Kleidungsstücke präsentiert. Sie konnten sich entweder für eine konventionell produzierte Version entscheiden oder die nachhaltige Variante wählen und für diese einen Preis angeben, den sie zu zahlen bereit wären. Der eine Katalog war mit Produkten aus sozialer Produktion versehen, bei denen auf gute Arbeitsbedingungen geachtet wurde. Der andere zielte auf ökologisch erzeugte Güter ab, bei denen etwa auf die Erhaltung der Artenvielfalt Wert gelegt wurde. Die Probanden bekamen aber jeweils nur einen der beiden Kataloge zu sehen. Die mit Oxytocin behandelte Gruppe wählte mehr sozial nachhaltig erzeugte Produkte aus als die Placebo-Teilnehmer. Sie war sogar bereit, dafür doppelt so viel Geld zu zahlen als für konventionelle Erzeugnisse. In der Gruppe mit dem ökologisch ausgerichteten Katalog war praktisch kein Oxytocin-Einfluss zu verzeichnen.

    Hormon verschiebt die Prioritäten der Probanden

    „Die Ergebnisse zeigen, dass die Probanden grundsätzlich auch etwas für rein ökologische Nachhaltigkeitsprojekte übrighaben, da sie hierfür im Schnitt fast die Hälfte ihres Geldes spendeten“, sagt Nina Marsh. „Aber unter Oxytocin-Einfluss kommt es zu einer Verschiebung der Prioritäten zugunsten sozialer Uneigennützigkeit.“ Prof. Hurlemanns Fazit: „Wenn für ökologische Projekte Unterstützung benötigt wird, sollte die soziale Botschaft des Vorhabens in den Vordergrund gestellt werden, um auch diejenigen Menschen zu erreichen, die erhöhte Oxytocin-Spiegel aufweisen.“

    Publikation: The Neuropeptide Oxytocin Induces a Social Altruism Bias, “The Journal of Neuroscience“, DOI: 10.1523/JNEUROSCI.3199-15.2015

    Kontakt für die Medien:

    Prof. Dr. Dr. med. René Hurlemann
    Direktor der Abteilung für Medizinische Psychologie
    Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
    Universitätsklinikum Bonn
    Tel. 0228/28719123
    E-Mail: renehurlemann@icloud.com


    Bilder

    Prof. Dr. Dr. med. René Hurlemann und Nina Marsh von der Medizinischen Psychologie des Uniklinikums Bonn untersuchen den Einfluss des Bindungshormons Oxytocin auf die Produktwahl von Konsumenten.
    Prof. Dr. Dr. med. René Hurlemann und Nina Marsh von der Medizinischen Psychologie des Uniklinikums ...
    (c) Katharina Wislsperger/Ukom UKB
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Medizin, Psychologie, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Dr. med. René Hurlemann und Nina Marsh von der Medizinischen Psychologie des Uniklinikums Bonn untersuchen den Einfluss des Bindungshormons Oxytocin auf die Produktwahl von Konsumenten.


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