idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
30.11.2015 17:00

Unerwartete Dynamik des Partnertauschs

Dr. Christian Flatz Büro für Öffentlichkeitarbeit und Kulturservice
Universität Innsbruck

    Neue Einsichten in den Ablauf wichtiger chemischer Reaktionen konnten Physiker der Universität Innsbruck durch eine Kombination von Experimenten und Simulationen gewinnen. Beim Aufbau organischer Verbindungen spielen nukleophile Substitutionsreaktionen eine große Rolle. Dabei greift ein bindungsfreudiges, meist negativ geladenes Atom oder Molekül ein organisches Molekül so an, dass dieses einen bisher an das Molekül gebundenen Partner abstößt, um die neue Verbindung eingehen zu können. Die Physiker um Roland Wester konnten nun nachweisen, welchen Einfluss der abgestoßene Partner auf die Reaktionsdynamik hat. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Zeitschrift Nature Chemistry veröffentlicht.

    Eine der am häufigsten untersuchten Reaktionen in der physikalischen organischen Chemie ist ist die nukleophile Substitution. Dieser Vorgang spielt eine wichtige Rolle bei der organischen Synthese, etwa bei der Herstellung von Vitaminen oder bei der Bildung von Adrenalin in lebenden Zellen. Dabei wird eine bisher an das Molekül gebundene Gruppe oder ein einzelnes gebundenes Atom durch einen neuen Bindungspartner ausgetauscht. Der angreifende nukleophile Reaktionspartner besitzt reaktionsbereite Elektronen. Diese ermöglichen ihm, eine Bindung zu einem zentralen Kohlenstoffatom einzugehen. Bei der damit gestarteten Austauschreaktion wird der bisherige Partner abgestoßen, während das Molekül eine neue Bindung mit dem Angreifer eingeht.

    Seit mehreren Jahrzehnten versuchen Chemiker und Physiker, diese Vorgänge auf fundamentalem atomaren Niveau zu verstehen und in Laborexperimenten zu untersuchen. Nun gelang es Roland Wester und seiner Arbeitsgruppe am Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck, in dieser inzwischen eigentlich als wohl verstanden geglaubten Reaktion überraschende neue Aspekte der Reaktionsdynamik zu entdecken.

    In Kooperation mit der Theoriegruppe um Gabor Czako von der Universität Szeged in Ungarn wurde durch eine Kombination aus Experimenten und Simulationen erstmals klar, welche subtile Rolle der abgestoßene Partner beim dynamischen Ablauf einer solchen Austauschreaktion spielt. Die Wissenschaftler untersuchten dazu den Austausch von negativ geladenen Halogenen an einer grundlegenden organischen Molekülstruktur, der Methylgruppe CH₃.

    Wester und seine Kollegen verwendeten dazu zwei gekreuzte Strahlen, in denen einerseits die neutralen Moleküle und andererseits die angreifenden Halogen-Ionen aufeinander treffen. Die nach der Reaktion beim Zusammentreffen abgestoßenen Ionen wurden schließlich mit Detektoren analysiert, welche die Geschwindigkeiten der Reaktionsprodukte ermitteln. Jennifer Meyer, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Westers und eine der Koautoren des Fachartikels, betont die überraschenden Ergebnisse des Experiments: „Im Vergleich mit numerischen Simulationen der chemischen Reaktionsdynamik wurden dabei starke Unterschiede zwischen den dynamischen Abläufen der Reaktionen je nach abgestoßenem Partner gefunden.“ Daraus lässt sich schließen, wie sehr das Halogen-Ion kurz vor der Reaktion in der Lage ist, etwa die neutralen Moleküle entweder zu seinen Gunsten auszurichten, oder eher zu inneren Schwingungen anzuregen. Insgesamt hängt also unerwartet stark vom bisherigen Partner ab, ob und auf welche Art das angreifende Ion die bestehende Beziehung aufbrechen kann.

    Rückfragen:
    Univ.-Prof. Dr. Roland Wester
    Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik
    Universität Innsbruck
    Tel.: +43 512 507 52620
    E-Mail: Roland.Wester@uibk.ac.at


    Weitere Informationen:

    http://dx.doi.org/10.1038/nchem.2400 Influence of the leaving group on the dynamics of a gas phase SN2 reaction. Martin Stei, Eduardo Carrascosa, Martin A. Kainz, Aditya H. Kelkar, Jennifer Meyer, István Szabó, Gábor Czakó and Roland Wester. Nature Chemistry, Advance Online Publication 2015


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Chemie, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).