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08.12.2015 17:12

„Qualität der Aufsichtsratsarbeit leidet unter Großaktionären“

Stefanie Bergel Pressestelle
FOM Hochschule

    Die Deutsche Bank hat erneut den besten Aufsichtsrat im DAX. Die Deutsche Börse klettert um einen Platz auf den zweiten Rang, gefolgt vom Sportartikelunternehmen adidas, dem Rückversicherer Münchener Rück und dem Versicherungskonzern Allianz. Der Spitzenreiter im MDAX ist die ProSiebenSat.1 Group, die sich nach dem Ausstieg zweier Großinvestoren deutlich verbessert hat. Auf den nachfolgenden Plätzen finden sich die Aareal Bank, Leoni, Axel Springer und Klöckner. So lauten die Ergebnisse des aktuellen AUFSICHTSRATS-SCORE.

    Für diese Studie untersucht Prof. Dr. Peter Ruhwedel die Aufsichtsratstätigkeit der Unternehmen in den wichtigsten deutschen Aktienindizes DAX und MDAX. Der wissenschaftliche Leiter des KompetenzCentrums für Unternehmensführung & Corporate Governance an der FOM Hochschule vergleicht bereits zum vierten Mal Arbeitsweise, Eignung, Diversität und Transparenz der Aufsichtsräte.

    „Die Studienergebnisse zeigen, dass Krisen häufig als Weckruf für Aufsichtsräte wirken“, erklärt der Corporate Governance Experte. „So haben sich etwa die Arbeitsweise bei der Deutschen Bank, ThyssenKrupp oder Telekom in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Die gegenwärtigen in den Medien diskutierten Probleme bei VW und Gerry Weber dürften dagegen auch auf Defizite in den Aufsichtsräten zurückzuführen sein.“ Aufsichtsräte hätten eine wichtige Funktion in der Risikoerkennung, betonte Prof. Dr. Ruhwedel. Dabei sei wichtig, dass Vorstand und Aufsichtsrat nicht gleichgeschaltet seien. Der Aufsichtsrat solle vielmehr die Strategien und Investitionsvorhaben des Vorstands kritisch hinterfragen, um bereits im Vorfeld unnötige Risiken zu erkennen. „Diese Frühwarnfunktion scheint bei VW versagt zu haben. Die Besetzung und die Arbeitsweise des VW-Aufsichtsrats deuten darauf hin, dass die Kontrolle durch einige wenige Personen ausgeübt worden sein muss.“ Diese heute zu beobachtenden Defizite hätten sich schon länger angedeutet: „Nach Rang 15 im Jahr 2013 ist der Aufsichtsrats-Score von VW kontinuierlich um beinahe 12 Prozentpunkte gesunken.“

    Ganz anders der Aufsichtsrat der Deutschen Bank: Die Ergebnisse des AUFSICHTSRATS-SCORE zeigen, dass der Aufsichtsrat des Bankhauses nach verschiedenen Skandalen die Zusammensetzung des Gremiums deutlich verändert und die Überwachungsarbeit weiter intensiviert hat. So wurden wichtige Funktionen im Aufsichtsrat in den vergangenen Jahren mit unabhängigen Experten neu besetzt. Auch die Arbeitsintensität weist krisenbedingt weiterhin ein hohes Niveau auf. Mit sechs Plenumssitzungen, einem zweitägigen Strategieworkshop, Fortbildungsveranstaltungen für die Aufsichtsratsmitglieder sowie insgesamt 57 Ausschusssitzungen besteht ein engmaschiges Überwachungsnetz. „Der Deutsche Bank-Aufsichtsrat könnte den VW-Aufsichtsratsmitgliedern als Blaupause für notwendige Veränderungen dienen“, sagt Prof. Dr. Ruhwedel. „Mit der Einrichtung des ‚Sonderausschuss Dieselmotoren‘ haben sie einen ersten Schritt gemacht – neben organisatorischen Veränderungen wäre darüber hinaus zu überlegen, inwieweit die Zahl unabhängiger Fachexperten im VW-Aufsichtsrat erhöht werden kann.“

    Auch insgesamt seien die Tätigkeiten der Aufsichtsräte in Deutschland auf einem guten Weg, so die Einschätzung des KCU Leiters. Eine große Zahl von Aufsichtsräten weise inzwischen beispielsweise ein hohes Maß an Professionalisierung auf, das weit über die rechtlichen Mindestanforderungen hinausgehe. Abweichungen zeigten die Untersuchungsergebnisse jedoch bei Familienunternehmen bzw. Unternehmen mit einem Großaktionär. „In diesen Gesellschaften scheint der Aufsichtsrat seine Überwachungsfunktion eher an den gesetzlichen Mindeststandards auszurichten.“ So verfügen alle der gemessen am AUFSICHTSRATS-SCORE schwächsten 13 MDAX-Unternehmen über einen dominierenden Großaktionär, der zwischen 25 Prozent (Aurubis) und 100 Prozent (Jungheinrich) der Stimmrechte kontrolliert. Bei der durchschnittlichen Präsenz auf Hauptversammlungen sei somit davon auszugehen, dass der Großaktionär das gesamte Unternehmen dominiert und wesentliche Entscheidungen beeinflusst. „Der Aufsichtsrat scheint nur eine untergeordnete Rolle zu spielen, da die Großaktionäre de facto über direkte Durchgriffsmöglichkeiten verfügen können“, so Prof. Dr. Ruhwedel. Auch bei MDAX-Unternehmen bestehe zum Teil noch ein erheblicher Nachholbedarf bei der Professionalisierung der Gremien. „Eine Schlüsselrolle hat hierbei der Aufsichtsratsvorsitzende, der zu einem Teamplayer werden muss. Ein dominanter Aufsichtsrat, der alle Aktivitäten bei sich konzentriert, sollte dagegen der Vergangenheit angehören.“

    Der AUFSICHTSRATS-SCORE hat das Ziel, über die vergleichende Analyse der Aufsichtsräte (Benchmarking) und die Identifikation vorbildlicher Vorgehensweisen in den Aufsichtsräten einzelner Unternehmen (Best Practices) Anregungen für eine weitere Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit zu geben. „Die Studienergebnisse sollen Aufsichtsräte bei der Weiterentwicklung der Strukturen, Prozesse und Arbeitsweise unterstützen und einen Orientierungsrahmen für eine Effizienzprüfung geben“, betont Prof. Dr. Peter Ruhwedel, der mit dem Deutschen Institut für Effizienzprüfung (diep) Aufsichtsräte bei Effizienzprüfungen unterstützt.


    Weitere Informationen:

    http://www.fom.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter
    Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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