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07.01.2016 13:21

Viele Blasenentzündungen heilen ohne Antibiotika

Stefan Weller Stabsstelle Unternehmenskommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsmedizin Göttingen - Georg-August-Universität

    Allgemeinmedizinische Studie an der UMG mit Ergebnis: Zwei Drittel der Frauen mit unkomplizierten Harnwegsinfektionen wurden ohne Antibiotika gesund. Veröffentlicht in der medizinischen Fachzeitschrift British Medical Journal.

    (umg) Braucht es unbedingt Antibiotika, um Blasenentzündungen zu heilen? Oder reicht bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen eine Behandlung mit Schmerzmitteln aus? Dr. Ildikó Gágyor und Prof. Dr. Eva Hummers-Pradier vom Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben zusammen mit Kollegen aus dem Institut für Allgemeinmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) sowie der Abteilung für Versorgungsforschung am Institut für Public Health und Pflegeforschung an der Universität Bremen diese Fragen wissenschaftlich untersucht. Das Ergebnis: Rund zwei Drittel der Frauen mit einer unkomplizierten Blasenentzündung wurden ohne Antibiotika und nur mit Schmerzmitteln wieder gesund. Die Studie „Sofortige versus bedarfsangepasste Antibiotikatherapie beim unkomplizierten Harnwegsinfekt (ICUTI)“ wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft über vier Jahre mit insgesamt 1,2 Mio. Euro unterstützt. Die Ergebnisse wurden am 23. Dezember 2015 in der Fachzeitschrift „British Medical Journal“ online veröffentlicht.

    Originalpublikation: Ildikó Gágyor, Jutta Bleidorn, Michael M Kochen, Guido Schmiemann, Karl Wegscheider, Eva Hummers-Pradier. Ibuprofen versus fosfomycin for uncomplicated urinary tract infection in women: randomised controlled trial. doi: 10.1136/bmj.h6544

    „Ziel der Studie war es zu prüfen, ob bei unkomplizierten Harnwegsinfekten die Beschwerden allein mit einem Schmerzmittel behandelt werden können, während die Infektion von selbst abheilt“, sagt Dr. Ildikó Gágyor, Leiterin der Studie, Institut für Allgemeinmedizin der UMG. „Damit wollten wir auch zu einem rationalen Einsatz von Antibiotika beitragen“, so Dr. Gágyor.

    Hintergrund der Studie: Antibiotika werden bei wiederholter Anwendung gegen Krankheitserreger resistent. Auch bislang hilfreiche Antibiotika verlieren dann ihre Wirksamkeit. Um dem entgegenzuwirken, sollten Antibiotika nur verschrieben werden, wenn sie wirklich nötig sind.

    DIE STUDIE

    494 Patientinnen in 42 Hausarztpraxen in Norddeutschland nahmen von 2012 bis 2014 an der Studie teil. Berücksichtigt wurden ansonsten gesunde Frauen, die mit typischen Anzeichen eines Harnwegsinfekts wie Brennen beim Wasserlassen und/oder häufigem Wasserlassen ihren Hausarzt aufsuchten. Sie wurden per Zufall einer von zwei Behandlungsgruppen zugeteilt. Eine Gruppe erhielt sofort ein Antibiotikum. Die andere Gruppe bekam ein Medikament, das Schmerzen lindert und die Entzündung hemmt. Die Frauen wurden gebeten, sich bei anhaltenden oder zunehmenden Beschwerden wieder in der Praxis vorzustellen. Die Durchführung der Studie wurde durch das Institut für anwendungsorientierte Forschung und klinische Studien GmbH (IFS) Göttingen unterstützt.

    ERGEBNISSE DER STUDIE

    Insgesamt wurden zwei Drittel der Patientinnen, die mit einem Schmerzmittel behandelt wurden, ohne Antibiotikatherapie gesund. Bei einzelnen Frauen traten Nierenbeckenentzündungen auf. Dies war häufiger in der Gruppe, die nur mit Schmerzmitteln behandelt wurden, statistisch war dieser Unterschied jedoch nicht signifikant. In weiteren Forschungsprojekten wird nun untersucht, wie diese Frauen schon bei einer ersten Vorstellung erkannt und entsprechend behandelt werden können.

    „Die Ergebnisse unserer Studie sind eine Grundlage, um mit Patientinnen bei einem unkomplizierten Harnwegsinfekt zu überlegen, ob sie zunächst auf Antibiotika verzichten möchten“, sagt Dr. Jutta Bleidorn, Institut für Allgemeinmedizin der MHH. „Wir können belegen: Für sonst gesunde Frauen mit leichten bis mittelschweren Symptomen ist die symptomatische Behandlung häufig ausreichend und das Risiko von Komplikationen gering.“

    Für Prof. Dr. Eva Hummers-Pradier, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin der UMG und Leiterin der klinischen Prüfung der ICUTI-Studie, könnte die Beratung von Patientinnen mit Harnwegsinfektionen auch noch anders aussehen: „Wie zum Beispiel in Großbritannien üblich, kann auch eine sogenannte „delayed prescription“ erwogen werden. Das heißt, Patientinnen erhalten ein Rezept für ein Antibiotikum, das sie ein-lösen können, falls sich die Beschwerden nicht bessern.“

    AUSWIRKUNG AUF BISHERIGE LEITLINIEN?

    Bislang empfehlen nationale und internationale Leitlinien für Ärzte zur Behandlung bei Diagnose „Blasenentzündung“ eine sofortige Gabe eines Antibiotikums. „Die Ergebnisse von ICUTI werden die Therapieempfehlungen in der Leitlinie zur Behandlung von Harnwegsinfektionen beeinflussen , die aktuell überarbeitet werden. Die Studienergebnisse stärken die Rolle der nicht antibiotischen Therapiemöglichkeiten für die betroffenen Patientinnen“, sagt Priv.-Doz. Dr. Guido Schmiemann, Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen und Mitglied der nationalen Leitliniengruppe Harnwegsinfektionen.

    Leitlinien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Ärzte und Patienten für angemessene medizinische Vorgehensweise bei bestimmten gesundheitlichen Problemen, wie z.B. auch die Therapie des Harnwegsinfektes.

    Weitere Informationen zu den Leitlinien zur Therapie des Harnwegsinfektes: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/043-044.html)

    WEITERE INFORMATIONEN:
    Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
    Institut für Allgemeinmedizin
    Dr. Ildikó Gágyor
    Telefon 0551 / 39-14226
    igagyor@gwdg.de
    Humboldtallee 38, 37075 Göttingen
    www.allgemeinmedizin.med.uni-goettingen.de/

    Prof. Dr. Eva Hummers-Pradier
    Telefon 0551 / 39-22638
    eva.hummers-pradier@med.uni-goettingen.de

    Medizinische Hochschule Hannover
    Institut für Allgemeinmedizin
    Dr. Jutta Bleidorn
    Telefon 0511 / 532 4997 oder 2744 (Sekretariat)
    bleidorn.jutta@mh-hannover.de
    Carl-Neuberg-Str.1, 30625 Hannover


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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