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11.09.1998 00:00

Warum Hirnverletzte infektionsgefährdet sind

Dr. med. Silvia Schattenfroh GB Unternehmenskommunikation
Charité-Universitätsmedizin Berlin

    AUS DER MEDIZIN FÜR DIE MEDIEN Nr.3/1998

    Personen, die eine Verletzung des Gehirns erleiden, ob durch Unfall oder durch chirurgischen Eingriff (etwa zur Entfernung von Tumoren), haben innerhalb der folgenden Tage ein hohes Risiko für Infektionen. Dabei betrifft die Anfälligkeit für Keime den gesamten Körper und reicht bis zur schwersten Form der Infektionskrankheit, der Sepsis. So erkrankt etwa die Hälfte von Unfallopfern mit nicht-offenen Kopfverletzungen innerhalb der 1. Woche nach dem Trauma an einer Lungenentzündung. Bislang konnte man den Zusammenhang zwischen Hirnschädigung und Infektanfälligkeit nicht verstehen.
    Jetzt aber haben Forscher um Christian Woiciechowsky an der Charité, der medizinischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität, die Ursache der Infektionsanfälligkeit erkannt: Sie beruht auf einer Schwächung des Immunsystems durch massive Ausschüttung vor allem eines Zytokins, des "Interleukin-10"(Nature medicine, 4 [1998] 808-813 und 768-769).
    Die Berliner Forscher konnten dies durch eine Reihe schlüssiger Untersuchungen an Zellkulturen, mit Ratten und am Menschen klären. Danach ist eine Voraussetzung für die Immunschwäche, daß bei der Gehirnverletzung bzw. -operation das Stammhirn in Mitleidenschaft gezogen ist. Die im Stammhirn verlaufenden Fasern des sympathischen Nervensytems werden dadurch gereizt und erregen ihrerseits die Nebenniere. Diese schüttet daraufhin "Stress"-Hormone (Adrenalin, Noradrenalin) aus. Die Hormone suchen Bindungsstellen, (Rezeptoren) auf Immunzellen, den Monozyten, und heften sich dort an. Das veranlaßt die Monozyten, vermehrt ein Zytokin, das Interleukin-10, zu sezernieren.
    Bislang kannte man dieses Zytokin als einen zellulären Hemmstoff gegen allzu heftige Entzündungsreaktionen im Körper.Jetzt aber zeigt sich, daß Interleukin-10 auch dann ausgeschüttet wird, wenn im Körper gar keine Infektionen ablaufen. Seine Freisetzung aus den Monozyten erfolgt offenbar direkt, ohne jede weitere Stimulation, Minuten nach der Anheftung der Stresshormone. Dies jedenfalls ergaben Beobachtungen an Monozyten in der Kultur.
    Die Auswirkung der Stresshormone auf die Abwehrlage des Menschen kann auch bei anderen krankhaften Zuständen beobachtet werden, die mit erhöhter Ausschüttung von "Stress"-Hormonen einhergehen, etwa bei Herzinfarkten, Verbrennungen oder sogar bei seelischen Krisen: Stets folgt derm Hormongewitter der Anstieg der Konzentration von Interleukin-10 im Blut.
    Allerdings läßt sich dieser Automatismus vereiteln, wie die Berliner Forscher an Ratten zeigen konnten. Hinderten sie die Hormone daran, sich an die Monozyten zu koppeln, indem sie deren Andockstellen (Rezeptoren) mit Medikamenten, den sogenannten Beta-Rezeptoren-Blockern, besetzten, so unterblieb die Interleukin-10- Freisetzung. Ob dies beim Menschen auch so einfach gelingt, wird zur Zeit untersucht. Denkbar wäre auch die Entwicklung von Interleukin-10-Hemmstoffen.Die neue Kenntnis der Zusammenhänge zwischen der Ausschüttung von "Stress"-Hormonen und Immunsuppression dürfte auf jede Fall zukünftig schwere Infektionen vermeiden helfen.

    Dr. med. Silvia Schattenfroh
    Dekanat
    Pressereferat-Forschung
    Schumannstraße 20/21
    10117 Berlin

    FON: (030) 2802-2223
    FAX: (030) 2802-3625

    e-mail: Silvia.Schattenfroh@charite.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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