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27.01.2016 11:00

Anzahl der Prostatektomien in Deutschland rückläufig

Dr. Bettina Albers Pressestelle
Stiftung Männergesundheit

    Hat die HAROW-Studie bereits den klinischen Alltag beeinflusst?

    Immer mehr niedergelassene Urologen akzeptieren in Deutschland die „Aktive Überwachung“ (AS) bei Männern mit einem Niedrig-Risiko-Karzinom der Prostata. Sie sehen darin eine vertretbare, d. h. ausreichend sichere Alternative zu invasiven Behandlungen (radikale Prostatektomie oder Strahlentherapie). Die Überwachung hat das Ziel, die invasive Behandlung bis zum Zeitpunkt einer möglichen Progression hinauszuschieben bzw. sie im günstigsten Fall ganz zu vermeiden, um den Betroffenen die Lebensqualität (normale Blasenentleerung und Potenz) zu erhalten. Schreitet der Tumor fort oder steigert er den Grad seiner Bösartigkeit, muss invasiv behandelt werden.

    Die Zahl der Radikaloperationen ist daher seit geraumer Zeit rückläufig: 2008 wurden 7.459 AOK-Versicherte radikal prostatektomiert, 2013 waren es hingegen nur 5.356 [1]. Die Gesamt-Zahlen des Statistischen Bundesamtes bestätigen diesen Rückgang mit 30.530 vs. 22.260 Eingriffen [2]. Auch in den USA zeichnet sich dieser Trend ab: Die Zahlen der Radikaloperation sind bei den Tumoren mit niedrigem Risiko seit 2009 von 63% auf 50% zurückgegangen, während die AS von 10% auf 40% zugenommen hat [3]. Noch deutlicher ist der Trend bei den >75-Jährigen, von denen nur noch 10% operiert, aber 75% überwacht werden.

    Können diese Zahlen schon Resultat der HAROW-Studie [4] sein, die erst im Herbst des letzten Jahres publiziert wurde? „Nicht direkt“, erläutert Prof. Dr. Lothar Weißbach, wissenschaftlicher Berater der Stiftung Männergesundheit und Leiter der HAROW-Studie. „Wir hatten die HAROW-Studie 2006/2007 geplant und bei den Urologen dafür geworben, aber anfangs wurde die neue Behandlungsstrategie noch abgelehnt, weil zu dieser Zeit nur wenige internationale Studiendaten zur Aktiven Überwachung vorlagen [5]. Mit Initiierung der HAROW-Studie haben wir dann in Deutschland einen lebhaften Diskurs angestoßen, der z.T. auch in den Medien geführt wurde. Das hat viele Urologen und Patienten für die Behandlungsoption der Aktiven Überwachung sensibilisiert.“ In der HAROW-Studie, einer prospektiven Beobachtungsstudie, entschied sich immerhin fast ein Fünftel der 3.000 Männer für eine nicht invasive Behandlung (16% aktiv überwacht und 4% langfristig beobachtet).

    In den Jahren 2012 bis 2014 wurden dann mehrere internationale systematische Reviews [6-9] publiziert, die die durch HAROW eingeleitete Trendwende bestärken. Sie zeigen, dass die Aktive Überwachung als Therapiestrategie sicher ist: Unter Aktiver Überwachung mussten weniger als die Hälfte der Betroffenen erst im späteren Verlauf behandelt werden. „Das legt den Schluss nahe, dass in der Vergangenheit viele Prostataoperationen durchgeführt wurden, die gar nicht erforderlich gewesen wären“, so Weißbach.

    Weißbach führt weiter aus, dass der beobachtete 25%ige Rückgang der Prostata-operationen zwar erfreulich, aber noch nicht zufriedenstellend sei. So sei die Aktive Überwachung nach wie vor im klinischen Alltag unterrepräsentiert Die Mehrzahl der neu diagnostizierten Karzinome seien Niedrig-Risiko-Karzinome und somit könnten sich wesentlich mehr Patienten nach umfassender neutraler Information durch ihren Arzt guten Gewissens auf die Aktive Überwachung festlegen und sich (und ihren Partnerinnen/Partnern) die Folgen der Prostataoperation so lang wie möglich ersparen. „In Zukunft muss es das Ziel sein, Übertherapien, also nicht notwendige Operationen oder Bestrahlungen, weiter zu reduzieren.“

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    Die HAROW-Studie wurde durch die GAZPROM Germania GmbH unterstützt und somit un-abhängig von Krankenkassen sowie Sponsorings oder Spenden der pharmazeutischen und medizintechnischen Industrie durchgeführt.

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    Referenzen
    [1] Klauber et al.: Versorgungs-Report 2015/2016. ISBN: 978-3-7945-3144-8. © Schattauer GmbH. Daraus Kapitel 17: Prostataoperationen von Hanna Leicht et al.
    [2] Statistisches Bundesamthttps://www.destatis.de/ Publikationen/Statistisches Jahrbuch 2015/ Gesundheit. Accessed 18.01.16
    [3] Cooperberg MR, Carroll PR (2015) Trends in Management for Patients With Localized Prostate Cancer, 1990-2013. JAMA 314(1): 80–82
    [4] Weissbach L, Stuerzebecher 2, Mumperow E et al. HAROW: the first comprehensive prospective observational study comparing treatment options in localized prostate cancer. World J Urol. 2015 Sep 15. [Epub ahead of print]
    [5] Klotz L. Active Surveillance for Prostate Cancer: For Whom? J Clin Oncol 2005; 23 (32): 8165-8169
    [6] Dall´Era MA, Albertsen PC, Bangma C et al. Active Surveillance for Prostate Cancer: A Systematic Review of the Literature. European Urology 2012; (62): 976-983
    [7] van den Bergh, RCN, Albertsen PC, Bangma CH et al. Timing of curative treatment for prostate cancer: a systematic review. Eur Urol 2013; 64(2): 204-215
    [8] Thomsen FB, Brasso K, Klotz LH et al. Active surveillance for clinically localized prostate cancer--a systematic review. J Surg Oncol 2014; 109(8): 830-835
    [9] Simpkin AJ, Tilling K, Martin RM et al. Systematic Review and Meta-analysis of Factors Determining Change to Radical Treatment in Active Surveillance for Localized Prostate Can-cer. Eur Urol 2015; 67(6): 993-1005

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    Pressekontakt
    Pressestelle der Stiftung Männergesundheit
    Dr. Bettina Albers | albersconcept | Jakobstrasse 38 | 99423 Weimar
    Tel. +49-3643/ 776423 | Fax +49-3643/ 776452
    Mobil: 0174/ 2165629
    albers@albersconcept.de


    Weitere Informationen:

    http://www.stiftung-maennergesundheit.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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