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04.06.2003 16:16

Rituale heute - Neuinszenierungen zwischen Lebensbewältigung und Frustration an der Freiheit?

Dr. Beatrix Vogel Öffentlichkeitsarbeit
Nietzsche-Forum München e. V.

    "Menschen haben Rituale entwickelt, um Orientierungen in Zeit und Raum zu finden. In verschiedenen Kulturen sind, entsprechend unterschiedlicher Gegebenheiten, Rituale ganz verschieden. Religionen zelebrieren ihre mystischen Lebensweisheiten in Ritualen, die die Gesellschaft zusammenhalten. Was ist damit im Zeitalter der Moderne, der Pluralisierung, der Globalisierung? Brauchen wir Rituale? Und wenn ja, welche? Oder hindern uns Rituale an der Freiheit?" (Michael von Brück)

    Das Nietzsche-Forum München e.V., in Kooperation mit der Hans-Sauer-Stiftung, läd am Sonntag, den 22. Juni 2003, 16.30 Uhr, zu seinem vierten Kolloquium ein. Die Veranstaltung befasst sich mit der Frage, ob die moderne Überfluss-Gesellschaft noch Rituale braucht - und wenn ja, welche -, während tradierte Wertevorstellungen und religiöse Bindungen im Auflösen begriffen sind. Die Tagung findet in der Seidlvilla, München Schwabing, Nikolaiplatz 1b, statt.

    Rituale - ein Begriff wird banalisiert und zum alltäglichen Gebrauchsgut. Auf schlechte Prognosen aus dem Finanzministerium folgt das "Ritual" Rücktrittsforderung seitens der Opposition. Auf schlechte Resultate des Fußballclubs folgt der "rituelle" Treueschwur zum Trainer und kurz darauf seine Entlassung.
    Was hat das mit dem ursprünglichen "Anstrich" des Rituals zu tun, seiner in erster Linie spirituellen Bedeutung für die Ordnung des Lebens und als Anleitung zum Glücklichsein? Brauchen wir diese Komponente überhaupt noch? Sind Rituale nicht vielmehr hinderlich auf dem Weg zur schrankenlosen "Ich-AGisierung"?
    Diese Aspekte beleuchtet das Kolloquium aus den verschiedensten Blickwinkeln:
    · Prof. Dr. Michael von Brück, Professor für Religionswissenschaft an der Ludwig-Maximilians Universität München, fragt nach der "Fremdbestimmung, Selbstverwirklichung und/oder Orientierungshilfe" durch Rituale. Er veranschaulicht anhand der Pokémon-Hysterie, wie solche durch den planmäßigen Aufbau einer virtuellen Gegenwelt aus mythischen Versatzstücken entstehen und eine weltweite Anziehungskraft erlangen.
    · Pater Prior Anselm Bilgri, Prior und Cellerar Kloster Andechs, betrachtet im Sinne der benediktinischen "ordo" das Ritual als Instanz, die das Leben als strukturiertes Geschehen erfahrbar macht. Durch die "sinnvolle und maßvolle Zuordnung von Gegensätzen, die dann als komplementär erfahren werden können", bieten Rituale wichtige Anknüpfungspunkte für die Orientierung im zunehmend säkularisierten Alltag.
    · Der Schriftsteller Albert von Schirnding, Harmating, stellt den vom Dichter Stefan George 1904 gestifteten Kult um den Münchener Gymnasiasten Maximilian Kronberger in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Welche Bedürfnisse befriedigt ein solches "(pseudo-?) religiöses Ritual, geschaffen in einer Welt, die als rational entzaubert, mythenleer, geheimnislos erfahren wird?"
    · Dr. Nikolaus Gerdes, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Hochrhein-Institutes für Rehabilitation, Bad Säckingen, nimmt sich die rituellen Verheißungen von Fernsehsendungen à la "Wer wird Millionär?" vor. Dort wird ein quasi linearer Zusammenhang zwischen "Großem Geld" und "besserem" Leben konstruiert. In unserer wohlstandsgesättigten Gesellschaft geht die Verbindung jedoch ins Leere. Es fehlt dagegen ein Konzept, "die Fragen nach dem Glück und dem erfüllten Leben in der völlig neuen Qualität zu stellen, die unsere materielle Situation uns eigentlich erlauben würde."

    Weitere Informationen zur Veranstaltung erteilt das Nietzsche-Forum München, Dr. phil. Beatrix Vogel, unter Telefon/Fax 08024-1453 oder beatrix.vogel@t-online.de oder info@nietzsche-forum-muenchen.de.

    Das Nietzsche-Forum München e.V. blickt auf eine lange Tradition in München zurück. Zum Gründungsvorstand der ersten Nietzsche-Gesellschaft 1919 zählten u.a. Thomas Mann, Hugo von Hofmannsthal, Ernst Bertram, Heinrich Wölfflin und Friedrich Würzbach. Hauptaufgabe der Gesellschaft war die vollständige Herausgabe von Nietzsches Werken und Nachlass. Trotz ihres wechselhaften Schicksals - die Gesellschaft wurde 1943 von der Gestapo verboten und aufgelöst - blieb die Tradition einer im Münchner Geistesleben begründeten Auseinandersetzung mit Nietzsche lebendig und hat sich im 100. Todesjahr des Denkers mit der Gründung des Nietzsche-Forums München e.V. eine neue Form gegeben. Neben den monatlichen Vorträgen und Diskussionen in der Schwabinger Seidlvilla veranstaltet das Forum jährlich Kolloquien, Symposien und Gesprächskreise.
    Das Nietzsche-Forum München richtet sich gleichermassen an das breite Publikum sowie an Fachkreise. Das Forum, das mit Nietzsche Philosophie, Wissenschaft und Kunst zeitbezogen in einen Diskurs bringt, stellt sich die Aufgabe, sehr unterschiedliche Auffassungen miteinander ins Gespräch zu bringen und zum Dialog zu ermutigen.

    Die Hans-Sauer-Stiftung fördert dieses Kolloquium, da die Thematik den Grundgedanken der Stiftung widerspiegelt, wonach Entwicklungen im Sinne der "Kybernetischen Kreativität" nicht nur auf ökonomische, sondern auch ökologische und soziale Abhängigkeiten und Auswirkungen hin zu bedenken sind. "Das entscheidende Kriterium des Denkens ist die Wahrhaftigkeit. Die Ethik, die einem Gedanken im Augenblick seines Entstehen zugrunde liegt, prägt die Qualität und Wirkung des Erdachten" (Hans Sauer).
    Auskünfte zur Hans-Sauer-Stiftung erteilt Frau Ulrike Sauer, unter Tel. 089-613 67 21-0 oder: sauer@hanssauerstiftung.de


    Weitere Informationen:

    http://www.nietzsche-forum-muenchen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Religion
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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