EFI: Vernetzung schafft neue Handlungsräume in Wirtschaft und Gesellschaft – USA dominieren wichtige neue Internettechnologien – Schulen und Universitäten müssen digitale Kompetenzen fördern – E-Government: Deutschland liegt im internationalen Vergleich zurück.
In ihrem neuen Jahresgutachten, das am 17. Februar der Bundeskanzlerin in Berlin übergeben wurde, steht für die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) das Thema Digitalisierung im Vordergrund. Der Vorsitzende der Kommission, Prof. Dietmar Harhoff vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, betont eingangs: „Durch die wachsende Vernetzung von Personen und Objekten sowie deren Einbeziehung in das Internet entstehen gänzlich neue Handlungsräume. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden durch diese Entwicklung vor große Herausforderungen gestellt.“
Die Expertenkommission hebt hervor, dass sich das Internet in vielen Lebensbereichen nicht direkt als neue Technologie, sondern vielmehr als Grundlage für neue „digitale Geschäftsmodelle“ bemerkbar macht, deren wirtschaftliche Bedeutung erheblich zugenommen hat. Hier bieten sich Chancen für junge Unternehmen: Software- und internetbasierte Technologien wie „Cloud Computing“ (Daten und Software in ausgelagerter „Wolke“) und „Big Data“ (Auswertung großer Datenmengen) ermöglichen disruptive Innovationen mit weitreichenden Folgen. Neue Anbieter – vor allem aus den USA – dominieren zunehmend den strategisch wichtigen Zugang zum Endkunden und bedrohen die Positionen etablierter Anbieter. Die Expertenkommission kritisiert, dass „die deutsche Politik derzeit insgesamt zu sehr auf Anpassung und Verteidigung etablierter deutscher Stärken ausgerichtet ist“. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Digitalisierung würden nicht ausreichend berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund erneuert die Expertenkommission ihre Empfehlung, auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Wagniskapital und die Einrichtung eines Börsensegments für wachstumsorientierte junge Unternehmen hinzuwirken. Zudem müssten sich Schulen und Universitäten auf die mit Internet und Digitalisierung verbundenen Herausforderungen einstellen. „Informatik ist als neue Schlüsseldisziplin zu begreifen; Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien und Geschäftsmodellen sind in allen Ausbildungs- und Weiterbildungssegmenten zu fördern“, betont Prof. Harhoff.
Die Expertenkommission weist außerdem darauf hin, dass sich etablierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit der Umsetzung neuer Geschäftsmodelle der digitalen Wirtschaft besonders schwer tun. Im Durchschnitt gilt: Je kleiner das Unternehmen, desto weniger Bedeutung misst es digitalen Technologien bei. Die Expertenkommission ist daher besorgt, dass ein Großteil der KMU die Bedeutung des digitalen Wandels unterschätzt.
Die Expertenkommission beschäftigt sich in ihrem Jahresgutachten auch mit der durch die Digitalisierung getriebenen Robotik. Prof. Harhoff beschreibt die aktuelle Situation: „Deutschland ist im internationalen Vergleich beim industriellen Robotereinsatz derzeit noch gut aufgestellt, bei der schnell wachsenden Servicerobotik außerhalb von Fabrikhallen gibt es in Forschung und Innovation aber Defizite.“ Nach Ansicht der Expertenkommission müsse die Bundesregierung eine explizite Robotik-Strategie entwickeln, die insbesondere der wachsenden Bedeutung der Servicerobotik Rechnung trage. „Robotik sollte an den Hochschulen, in der dualen Berufsausbildung und in allen Weiterbildungsangeboten einen höheren Stellenwert als bisher erhalten“, so Prof. Harhoff.
Genauer untersucht die Expertenkommission zudem die Situation des E-Government (Electronic Government) in Deutschland, also der Abwicklung von Regierungs- und Verwaltungsprozessen mit Hilfe von elektronischen Medien. Hierzu stellt Prof. Harhoff stellt bedauernd fest: „Das im Jahr 2010 in der nationalen E-Government-Strategie von Bund, Ländern und Kommunen formulierte Ziel, bis zum Jahr 2015 deutsches E-Government zum internationalen Maßstab für effektive und effiziente Verwaltung zu machen, ist verfehlt worden. Deutschland liegt in diesem Bereich deutlich zurück.“ Damit lasse Deutschland wichtige Innovations- und Wertschöpfungspotenziale brach liegen – Bürgern würden Qualitätsverbesserungen in staatlichen Dienstleistungen vorenthalten und die Wirtschaft müsse auf wichtige Nachfrageimpulse verzichten.
Handlungsbedarf in Sachen Digitalisierung gibt es nach einhelliger Meinung der Expertenkommission allerdings nicht nur in Behörden, sondern auch in den Hochschulen. Diese, so Prof. Harhoff, benötigten individuelle Strategien für ihren Umgang mit den Herausforderungen der Digitalisierung – eine Aufgabe, die von vielen Hochschulen bisher noch vernachlässigt werde. Prof. Harhoff: „Durch die Identifizierung und Förderung von Best-Practice-Beispielen können die Hochschulen bei ihrer Strategieentwicklung unterstützt werden. Der Bund könnte zudem einzelne Hochschulen institutionell fördern, um die Umsetzung von nachhaltigen Digitalisierungsstrategien zu unterstützen, die die Interdisziplinarität befördern, besonders ambitioniert sind und zur Profilbildung der Hochschulen genutzt werden.“
Die Expertenkommission erneuert ihre Einschätzung, dass Digitalisierung, Vernetzung und die Einführung neuer internetbasierter Geschäftsmodelle durchschlagende, disruptive Veränderungen verursachen. Zugleich zeigt sich Prof. Harhoff aber zuversichtlich, „dass Deutschland angesichts der Erfahrungen mit der Digitalisierungswelle in den achtziger Jahren, bei den erforderlichen Anpassungen des Arbeitsmarktes gut abschneiden kann“. Er schließt mit der Mahnung: „Deutschland muss in Zukunft verstärkt an der Erschließung neuer Quellen für Wertschöpfung und Arbeitsplätze beteiligt sein – dazu bedarf es auch eines Umdenkens in der Politik.“
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Deutsch
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