Konstanzer Studie attestiert der Politik der Europäischen Zentralbank bei der Euro-Krise beruhigende Wirkung
„Die EZB wird im Rahmen ihres Mandats alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten." Das kündigte Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), im Juli 2012 auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise an. Seit dem 16. Februar 2016 verhandelt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erneut darüber, ob die EZB mit dieser Ankündigung ihr Mandat in Wahrheit überschritten habe. Eine Studie, die an der Professur für Internationale Politik der Universität Konstanz entstanden ist, gelangt zu dem Urteil, dass diese Ankündigungspolitik zusammen mit der Senkung des Zinssatzes dafür gesorgt hat, dass sich Demonstrationen und Proteste im Euro-Raum gegen die Austeritätspolitik in Grenzen hielten.
„Die Politik der EZB hat zumindest kurzfristig die Lage beruhigt“, fasst Prof. Dr. Gerald Schneider zusammen, der die Studie gemeinsam mit zwei ehemaligen Studentinnen durchgeführt hat. Sie ist online auf der Website des renommierten Journals Comparative Political Studies erschienen (DOI: 10.1177/0010414015626444).
Für Federica Genovese, Pia Wassmann und Gerald Schneider war das Ergebnis überraschend. Von 2010 bis 2012 war die Gefahr besonders groß, dass die Euro-Währungsunion auseinander-brechen könnte. Von der Krise besonders betroffene Mitgliedstaaten wie Griechenland und Spanien waren hoch verschuldet. Der traditionelle Weg, in solch einer Krise die eigene Währung abzuwerten, war den Mitglieder der Währungszone verwehrt. Die Maastricht-Kriterien machte es den Krisenländern ebenso unmöglich, über eine klassische Defizitfinanzierung die brachliegende Wirtschaft zu stimulieren. Außerdem wurde der Europäischen Zentralbank als Mitglied der sogenannten Troika vorgeworfen, sie verstärke die Krise noch. „In einer solchen Situation kann man davon ausgehen, dass es vermehrt zu Streiks kommt“, erklärt Gerald Schneider.
Tatsächlich jedoch zeigt die Studie, dass die öffentliche Mobilisierung bald zum Erliegen kam. Dafür verantwortlich macht die Studie die Zinssenkungspolitik sowie die Ankündigungspolitik der EZB, die in dem Satz von EZB-Chef Draghi darin gipfelte, alles zur Rettung des Euro zu unternehmen. Die Ergebnisse basieren auf Jahres- und Quartalsdaten zu politisch motivierten Streiks, welche die Verfasser zum Teil selber erhoben haben. Die Studie kann zeigen, dass die Niedrigzinspolitik und die Ankündigen die Märkte beruhigten und die Häufigkeit politischer Proteste reduzierten.
Damit hat laut Studie paradoxerweise ausgerechnet diejenige Institution, die geradezu symbolisch für die immensen finanziellen Schwierigkeiten einiger EU-Mitgliedsstaaten steht, verhindert, dass die Proteste in anhaltende Unruhen umgekippt sind.
Federica Genovese forscht als Postdoktorandin an der University of Essex, Großbritannien, Pia Wassmann ist Doktorandin in Volkswirtschaftslehre an der Leibniz Universität Hannover.
Originalveröffentlichung:
Federica Genovese, Gerald Schneider, und Pia Wassmann: The Eurotower Strikes Back: Crises, Adjustments, and Europe’s Austerity Protests. Comparative Political Studies (DOI: 10.1177/0010414015626444)
Kontakt:
Universität Konstanz
Kommunikation und Marketing
Telefon: + 49 7531 88-3603
E-Mail: kum@uni-konstanz.de
Prof. Dr. Gerald Schneider
Universität Konstanz
Universitätsstraße 10
Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft
78464 Konstanz
Telefon: + 49 7531 88-2608
E-Mail: Gerald.Schneider@uni-konstanz.de
http://uni.kn
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