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23.02.2016 09:59

Lesenlernen: wie Jungen schon im Vorschulalter motiviert werden können

Dr. Anne Klostermann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs)

    Jungen sind weniger motiviert, Lesen zu lernen, wenn sie von Erzieherinnen betreut werden, die sehr traditionell gegenüber Geschlechterrollen eingestellt sind. Das zeigt eine aktuelle Studie von Psychologinnen der Freien Universität Berlin und der Universität Kassel. Die Autorinnen befragten 135 Erzieherinnen zu ihren Einstellungen gegenüber Geschlechterrollen und untersuchten parallel bei den von ihnen betreuten Jungen und Mädchen die Lesemotivation im Vorschulalter und ihre Lesefähigkeiten ein Jahr nach Schuleintritt. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden in der Fachzeitschrift „Frontiers in Psychology“ veröffentlicht.

    Obwohl gute Lesefähigkeiten eine wichtige Grundlage für Bildung sind, zeigt sich immer wieder, dass Jungen weniger gut lesen können und insbesondere weniger Interesse am Lesen haben als Mädchen. „Die Ursachen dafür sind sehr vielseitig“, erklärt Ilka Wolter. „Wir haben untersucht, welche Rolle die Einstellungen von Erzieherinnen in der Vorschulzeit spielen.“
    Die Forscherinnen befragten insgesamt 135 Erzieherin-Kind-Paare (davon 65 Erzieherin-Junge-Paare) im Verlauf eines Jahres. In der ersten Befragung zum Ende der Kindergartenzeit beantworteten die Erzieherinnen Fragen zu ihren Einstellungen gegenüber Geschlechterrollen (zum Beispiel: „Für den Ersteindruck ist ein gepflegtes Äußeres bei einer Frau wichtiger als bei einem Mann“ versus „Frauen eignen sich ebenso gut für die Leitung eines technischen Betriebes wie Männer”). Bei den Vorschulkindern wurde zum einen untersucht, wie motiviert sie waren, Lesen zu lernen. Dazu sollten sie mit Hilfe von drei Smileys angeben, wie gerne sie Aktivitäten nachgingen, die für das Lesenlernen förderlich sind (zum Beispiel neue Lieder oder Reime lernen). Außerdem wurden die Sprachkompetenzen im Vorschulalter erfasst, die für die späteren Fähigkeiten im Lesen und Schreiben wichtig sind. Ein Jahr später, gegen Ende der ersten Schulklasse, fand die zweite Befragung der Kinder statt. Mit Hilfe der „Würzburger Leise Leseprobe“ wurde getestet, wie gut die Kinder lesen konnten. Bei diesem Test lesen die Kinder leise Wörter und wählen aus Bildalternativen das jeweils passende Bild aus.

    Einstellung der Erzieherin beeinflusst Jungen und Mädchen unterschiedlich

    Es zeigte sich: Jungen, die eine Erzieherin mit traditionellen Geschlechterrollen hatten, waren weniger motiviert, lesen zu lernen. Dagegen waren die Jungen bei Erzieherinnen mit egalitären Geschlechtsrolleneinstellungen genauso motiviert, lesen zu lernen wie die Mädchen. Für die Mädchen spielte es keine Rolle, welche Einstellungen ihre Erzieherin hatte, und sie waren insgesamt motivierter zu lesen als Jungen.
    Was die Lesefähigkeiten anbelangt, schnitten die Jungen im Test zum Ende der ersten Klasse insgesamt schlechter ab als die Mädchen. Vor allem die Jungen, deren Erzieherinnen traditionelle Geschlechtsrolleneinstellungen hatten, konnten nicht so gut lesen. „Die Einstellungen der Erzieherinnen haben also auch noch ein Jahr später Wirkung auf die Lesefähigkeiten eines Schülers, und zwar dadurch, dass sie die Lesemotivation der Jungen zur Kindergartenzeit beeinflusst haben“, sagt Ilka Wolter.

    Motivierte Kinder lernen besser lesen

    Die Autorinnen analysierten auch, wie sich die Lesemotivation und die Sprachkompetenzen der Kinder im Vorschulalter auf ihre Lesekompetenzen ein Jahr später auswirkten. Dabei zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Lesemotivation im Kindergarten und der Lesefähigkeit ein Jahr später: Kinder, die im Kindergarten schon Lust auf Lesen hatten, konnten dies ein Jahr später auch besser als die weniger motivierten Gleichaltrigen.
    „Jungen können unterstützt werden, Lesen zu lernen“, sagt Ilka Wolter. „Erzieherinnen sollten in ihrer Ausbildung unbedingt dafür sensibilisiert werden, dass sie zu einer geschlechtergerechten Lernumgebung beitragen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass sie – insbesondere für die Jungen in ihren Gruppen – einen motivationalen Grundstein für das Lesen legen können.“

    Die Originalstudie finden Sie hier:
    Wolter, I., Braun, E. & Hannover, B. (2015). Reading is for girls!? The negative impact of preschool teachers' traditional gender role attitudes on boys' reading related motivation and skills. Frontiers in Psychology, 6:1267.
    doi: 10.3389/fpsyg.2015.01267

    Kontakt bei Rückfragen:
    Dr. Ilka Wolter
    Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi)
    Instrumentenentwicklung und Forschung
    Wilhelmsplatz 3
    96047 Bamberg
    Tel.: 0951 863-3424
    E-Mail: ilka.wolter@lifbi.de

    Pressestelle der DGPs:
    Dr. Anne Klostermann
    Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
    Marienstr. 30
    10117 Berlin
    Tel.: 030 28047718
    E-Mail: pressestelle@dgps.de
    Über die DGPs:
    Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs e.V.) ist eine Vereinigung der in Forschung und Lehre tätigen Psychologinnen und Psychologen. Die über 3800 Mitglieder erforschen das Erleben und Verhalten des Menschen. Sie publizieren, lehren und beziehen Stellung in der Welt der Universitäten, in der Forschung, der Politik und im Alltag.
    Die Pressestelle der DGPs informiert die Öffentlichkeit über Beiträge der Psychologie zu gesellschaftlich relevanten Themen. Darüber hinaus stellt die DGPs Journalisten eine Datenbank von Experten für unterschiedliche Fachgebiete zur Verfügung, die Auskunft zu spezifischen Fragestellungen geben können.
    Wollen Sie mehr über uns erfahren? Besuchen Sie die DGPs im Internet: www.dgps.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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