idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
07.03.2016 17:00

Immunfaktor lässt Virus-Infektionen chronisch werden

Johannes Seiler Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Manche Viruserkrankungen neigen dazu, chronisch zu werden – dazu zählt etwa die Infektion mit dem HI-Virus. Bei den Betroffenen reicht die Immunantwort nicht aus, um das Virus dauerhaft zu eliminieren. Wissenschaftler der Universität Bonn haben nun einen Immunfaktor identifiziert, der dafür eine Mitverantwortung trägt. Ihre Ergebnisse machen auch Hoffnung auf neue Therapieansätze. Die Arbeit, an der unter anderem Forscher der Universität Köln und der TU München beteiligt waren, erscheint in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Immunology“. ACHTUNG SPERRFRIST: Nicht vor Montag, 7. März, 17 Uhr MEZ veröffentlichen!

    Das HI-Virus löst die Immunschwächeerkrankung AIDS aus. Die Infektion verläuft chronisch – dem Immunsystem gelingt es nicht, den Erreger wieder loszuwerden. Das liegt unter anderem daran, dass das Virus direkt bestimmte Immunzellen attackiert und zerstört, die so genannten T-Helferzellen.

    Viele T-Helferzellen werden jedoch gar nicht von dem Virus befallen. Dennoch ist ihre Funktion bei einer AIDS-Erkrankung gestört. Normalerweise schütten die T-Helferzellen bei einer Infektion Entzündungs-Botenstoffe aus. Durch diesen chemischen Hilferuf versetzen sie T-Killerzellen (das sind die körpereigenen Abwehrtruppen) in Kampfbereitschaft und lotsen sie an den Ort des Geschehens. Bei AIDS und anderen chronischen Infektionen bleiben die T-Helferzellen dagegen stumm. Doch woran liegt das?

    Um diese Frage zu beantworten, analysierten die Forscher zunächst, welche Gene in den stummen Helferzellen von HIV Patienten aktiv sind. Ergebnis: Bei einer chronischen Entzündung wird die Immunfunktion der T-Helferzellen durch verschiedene Signalwege unterbunden. Diese Signalwege wiederum werden augenscheinlich durch ein einzelnes Molekül gesteuert – den so genannten Tumornekrosefaktor (TNF).

    Dieser Faktor scheint für die schwache Immunantwort verantwortlich zu sein. „Wir haben Mäuse untersucht, die unter einer der HIV Infektion ähnlichen chronischen Virusinfektion litten, und bei ihnen das TNF-Molekül inaktiviert“, erklärt Dr. Marc Beyer vom Life and Medical Sciences-Institut (LIMES) der Universität Bonn. „Die T-Helferzellen arbeiteten daraufhin wieder normal. Nach zehn Tagen hatten die Tiere das Virus komplett eliminiert; sie waren gesund.“

    Fehlgeleitete Schutzfunktion

    Paradoxerweise bewirkt der Tumornekrosefaktor bei akuten Virus-Attacken genau das Gegenteil: Er bringt das Immunsystem erst so richtig auf Hochtouren und sorgt zudem dafür, dass Virus-befallene Zellen Selbstmord begehen. „Bei einer akuten Infektion werden daher sehr schnell große Mengen TNF gebildet“, sagt Dr. Zeinab Abdullah vom Institut für Experimentelle Immunologie am Universitätsklinikum Bonn. „Bei chronischen Infektionen schüttet der Körper dagegen über lange Zeit geringe Mengen TNF aus. Das scheint dazu zu führen, dass sich die T-Helferzelle gewissermaßen abschaltet.“

    Die Forscher vermuten, dass es sich dabei um einen Schutzmechanismus handelt. Eine dauerhafte starke Immunreaktion kann nämlich auch gesundes Körpergewebe zerstören – mit lebensbedrohlichen Folgen. TNF könnte als eine Art Notbremse dienen, die das verhindert. Was der Tumornekrosefaktor auf molekularer Ebene genau bewirkt, ist noch weitgehend unbekannt. Die beteiligten Wissenschaftler wollen dieser Frage nun im Detail nachgehen.

    Die Ergebnisse eröffnen mittelfristig möglicherweise neue Therapie-Optionen. So gibt es Medikamente, die die Wirkung von TNF unterbinden. Diese TNF-Blocker kommen beispielsweise bei der Therapie von Autoimmunkrankheiten wie Rheuma zum Einsatz. Sie sollen verhindern, dass Abwehrzellen den eigenen Körper attackieren. „Wir wollen unter anderem untersuchen, was diese Medikamente in Rheuma-Patienten bewirken, die zusätzlich unter einer chronischen Virus-Infektion leiden“, sagt Marc Beyer.

    Publikation: Tumor-necrosis factor impairs CD4+ T cell-mediated immunological control in chronic viral infection; Nature Immunology; DOI: 10.1038/ni.3399

    Kontakt für die Medien:

    Dr. Marc Beyer
    LIMES-Institut
    Universität Bonn
    Tel. 0228/7362792
    E-Mail: marc.beyer@uni-bonn.de

    Dr. Zeinab Abdullah
    Institut für Experimentelle Immunologie
    Universitätsklinikum Bonn
    Tel. 0228/28711038
    E-Mail: Zeinab.Abdullah@ukb.uni-bonn.de


    Bilder

    Prof. Dr. Joachim L. Schultze und Dr. Marc Beyer (von links) vom LIMES-Institut der Universität Bonn haben einen Immunfaktor entdeckt, der zur Chronifizierung von Viruserkrankungen beiträgt.
    Prof. Dr. Joachim L. Schultze und Dr. Marc Beyer (von links) vom LIMES-Institut der Universität Bonn ...
    (c) Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn
    None

    Im Labor: Dr. Zeinab Abdullah vom Institut für Experimentelle Immunologie am Universitätsklinikum Bonn.
    Im Labor: Dr. Zeinab Abdullah vom Institut für Experimentelle Immunologie am Universitätsklinikum Bo ...
    (c) Foto: Uniklinik RWTH Aachen
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Joachim L. Schultze und Dr. Marc Beyer (von links) vom LIMES-Institut der Universität Bonn haben einen Immunfaktor entdeckt, der zur Chronifizierung von Viruserkrankungen beiträgt.


    Zum Download

    x

    Im Labor: Dr. Zeinab Abdullah vom Institut für Experimentelle Immunologie am Universitätsklinikum Bonn.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).