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10.06.2003 10:14

Berufsschulen in Schweden erfolgreich

Dr. Antonia Rötger Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung

    Ein Vergleich zwischen Schwedens schulischen und Deutschlands dualen Ausbildungen zeigt, dass auch die schulische Berufsbildung Chancen bietet, findet Volkswirtin Dr. Antje Mertens am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.

    Eine duale Ausbildung, die sowohl in Ausbildungsbetrieben als auch an Berufsschulen absolviert wird, gilt in Deutschland neben einem Hochschulstudium als der beste Weg in den Beruf: die Auszubildenden verdienen schon ihr erstes Geld, lernen, was im Betrieb gebraucht wird und können oft nach der Ausbildung in derselben Firma bleiben. Doch die Betriebe ziehen sich zunehmend aus der Ausbildung zurück und viele Jugendliche müssen an einer staatlichen berufsbildenden Schule unterkommen. Hierzulande gilt die schulische berufliche Ausbildung jedoch eher als zweite Wahl. Viele vermuten, dass ihre Absolventen größere Schwierigkeiten in der ersten Phase des Arbeitslebens haben und insbesondere häufiger den Arbeitsplatz wechseln.
    Um beide Ausbildungssysteme zu vergleichen, hat die Volkswirtin Dr. Antje Mertens vom Forschungsbereich "Bildung, Arbeit und Gesellschaft" am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin gemeinsam mit Ihrem schwedischen Kollegen Dr. Tomas Korpi vom Swedish Institute for Social Research in Stockholm den beruflichen Weg von Jugendlichen in Schweden und Deutschland verglichen. Denn in Schweden findet die Berufsausbildung ausschließlich im Rahmen des Sekundarstufe an staatlichen Schulen statt. Korpi und Mertens haben in beiden Ländern die ersten Berufsjahre von jungen Erwachsenen verfolgt, die zwischen 1975 und 1985 die Schule abgeschlossen hatten. Dabei betrachteten sie in Deutschland nur die Jugendlichen, welche eine betriebliche Ausbildung machten*, in Schweden dagegen die Jugendlichen an den berufsbildenden Schulen und prüften ihre Lebensläufe auf Firmenwechsel, Branchenwechsel und Berufswechsel.
    Sowohl in Deutschland als auch in Schweden, so stellten sie fest, sitzen die Berufstätigen, die eine Ausbildung gemacht haben, deutlich fester im Sattel als Menschen ohne Berufsausbildung. In Schweden jedoch wechseln alle Gruppen generell etwas häufiger den Arbeitsplatz. Korpi und Mertens rechneten diesen Effekt jedoch mit ein und berücksichtigten auch, dass in Schweden die Arbeitslosigkeit während der Vergleichsphase geringer war als in Deutschland. Nach diesen Korrekturen zeigt sich: Die schwedischen Berufsschüler wechseln in den ersten 10 bis 15 Jahren ihres Berufslebens erstaunlicherweise nicht häufiger den Betrieb als deutsche Lehrlinge. Während in Deutschland die Arbeitnehmer beim Jobwechsel allerdings meist im gleichen Beruf bleiben, sind in Schweden die Hürden offenbar geringer, in einen anderen Beruf zu wechseln. Dies könnte damit zusammenhängen, dass in den berufsbildenden Schulen mehr allgemein verwendbare Fertigkeiten vermittelt werden, vermutet Mertens. Während es in Schweden etwa 60 unterschiedliche Berufsausbildungen gibt, müssen sich die Auszubildenden in Deutschland zwischen ungefähr 360 Berufen entscheiden. In Zeiten steigender Arbeitslosigkeit und Krisen in einzelnen Branchen können schwedische Berufstätige so möglicherweise leichter in andere Berufe ausweichen. Das schwedische schulische Ausbildungssystem eröffnet den Jugendlichen daher gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt und teilweise sogar kleine Vorteile, zeigt die Analyse von Korpi und Mertens.
    Der Vergleich zeigt, dass auch Ausbildungssysteme, in denen die berufliche Ausbildung ausschließlich in Schulen stattfindet Arbeitsplätze nicht zwangsläufig häufiger gewechselt werden und zu ebenso stabilen Beschäftigungsverhältnissen führen können wie das duale System. Jedoch sollte man vorsichtig sein und keine vorschnellen Rückschlüsse auf die deutsche Situation ziehen. Hier konkurrieren die Absolventen von Berufsschulen direkt mit denjenigen des dualen Systems. Aufgrund der unterschiedlichen Auswahl von Auszubildenden in beiden Systemen, können hier durchaus Unterschiede bestehen - wahrscheinlich inbesondere in bezug auf die Möglichkeit überhaupt eine Beschäftigung im Ausbildungsberuf zu finden. Noch gibt es allerdings viele Länder, in denen weder ein duales System wie in Deutschland noch schulische Berufsausbildungen angeboten werden. Manche dieser Länder schauen fast neidvoll auf die duale Berufsausbildung, die in Deutschland auf eine lange Tradition zurückgeht und in der Zunftordnung des Mittelalters wurzelt. Angesichts der Krise, in der sich das deutsche Ausbildungssystem derzeit befindet und angesichts der großen organisatorischen Hürden, solch ein duales System aus dem Nichts heraus zu etablieren, könnte für solche Länder aber auch das Beispiel Schweden lehrreich sein.

    Hinweis an die Redaktionen: Dr. Antje Mertens beantwortet gerne weitere Fragen. Sie erreichen sie unter der Telefonnummer: 030 / 82406-390 oder per E-Mail: mertens@mpib-berlin.mpg.de. Diese Arbeit entstand im Forschungsbereich "Bildung, Arbeit und gesellschaftliche Entwicklung" unter der Leitung von Professor Dr. Karl Ulrich Mayer am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.

    *(Personen, die ihren Berufsabschluss an einer staatlichen Schule in Deutschland gemacht haben, haben Korpi und Mertens hier bewusst nicht einbezogen. Dies bezieht sich vor allem auf zwei Gruppen. Zum einen gibt es Ausbildungen an Berufsfachschulen, für die es keine dualen Entsprechungen gibt, so z.B. in Pflegeberufen wie Krankenschwestern u.ä.. Zum andern werden Jugendliche z.T. dann an Berufsschulen ausgebildet, wenn sie keinen betrieblichen Ausbildungsplatz finden konnten. Die daraus resultierende unterschiedliche Auswahl von Personen lässt deswegen keine Rückschlüsse auf die Qualität der Ausbildung zu.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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