Neues DFG-Schwerpunktprogramm „Transottomanica“ untersucht die Dynamik osteuropäisch-osmanisch-persischer Mobilität – Koordination durch die Universität Gießen
Gesellschaftliche und (trans)kulturelle Verflechtungen zwischen dem Moskauer Reich beziehungsweise dem Petersburger Imperium, Polen-Litauen, dem Osmanischen Reich sowie Persien von der frühen Neuzeit bis zum Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts sind bisher nicht systematisch untersucht worden. Mit der Einrichtung eines neuen Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wird sich dies nun ändern: Prof. Dr. Stefan Rohdewald, Historisches Institut und Gießener Zentrum Östliches Europa (GiZo) der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), hat das Schwerpunktprogramm (SPP) „Transottomanica: Osteuropäisch-osmanisch-persische Mobilitätsdynamiken“ eingeworben. Beteiligt daran sind u.a. das Centrum für Nah- und Mittelost-Studien (CNMS) der Philips-Universität Marburg sowie die Universitäten Bonn und Bochum. Das Projekt ist eines von 17 Schwerpunktprogrammen, das der Senat der DFG aus 76 eingereichten Konzepten ausgewählt hat.
JLU-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee gratulierte den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern herzlich zu diesem Erfolg: „Ich freue mich sehr über dieses Schwerpunktprogramm, das die hervorragend aufgestellte Osteuropaforschung an der JLU weiter stärkt.“ In den nächsten Monaten werden die SPP einzeln von der DFG ausgeschrieben, die die daraufhin eingehenden Förderanträge in einem strengen Begutachtungsverfahren auf ihre wissenschaftliche Qualität und ihren Beitrag zum jeweiligen Hauptthema prüfen wird. Für die 17 neuen SPP stehen in einer ersten Förderperiode in den kommenden drei Jahren insgesamt rund 108 Millionen Euro zur Verfügung.
Mit dem Augenmerk auf durch Mobilität entstandene „transosmanische“ Interaktionsfelder zwischen den verschiedenen Herrschaftsgebieten möchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im SPP „Transottomanica“ Phänomene erkennbar machen, die bisher in der Betrachtung einzelner Regionen oder nur bilateraler Beziehungen nicht in den Vordergrund getreten sind. Der auch methodisch neue Zugang verspricht, das Verständnis globalisierter europäischer und asiatischer Geschichte im transkontinentalen Zusammenhang zu verändern. Der SPP konzentriert sich auf Vorgänge der Migration, der Wissenszirkulation, des Reisens, des Handels und der Mobilität ganzer Gesellschaften zwischen dem Zarenreich, Polen-Litauen, dem Osmanischen Reich und Persien in relationalen sozialen Räumen mit jeweils stark unterschiedlicher Reichweite. „Da wir uns auf wissenschaftlich unentdecktem Terrain bewegen, betreiben wir mit den geplanten Projekten vorerst Grundlagenforschung“, so SPP-Koordinator Prof. Rohdewald.
Der Untersuchungszeitraum beginnt im frühen 16. Jahrhundert, als sich das Osmanische Reich durch die Expansion im nördlichen und östlichen Afrika, den Eroberungen in Ostmitteleuropa und der Machtausdehnung im Nahen und Mittleren Osten zur überregionalen Drehscheibe „transosmanischer“ Interaktionszusammenhänge entwickelte. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde das ins Zentrum gerückte Gebiet jedoch in veränderte bzw. neue Kommunikations- und Handlungsräume integriert, als die europäischen Großmächte ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss ausbauen konnten. Die Mobilitätsdynamiken und -strukturen ließen transosmanische Raumkonfigurationen an Bedeutung verlieren und in zunehmend globale und nationalisierte Kontexte auf- und übergehen. Das Programm verfolgt diese Übergänge bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts.
Kontakt:
Prof. Dr. Stefan Rohdewald
Historisches Institut
Otto-Behaghel-Straße 10, 35394 Gießen
Telefon: 0641 99-28260
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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