idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
15.04.2016 12:39

TU Berlin: Der Irrtum über den Doppelzwilling

Stefanie Terp Stabsstelle Presse, Öffentlichkeitsarbeit und Alumni
Technische Universität Berlin

    Publikation in Nature Communications beschreibt, dass ein spezieller Verformungsmechanismus nicht zum Bruch von Magnesiumlegierungen führt. Diese Erkenntnis eröffnet neue Perspektiven für den Einsatz dieses Werkstoffs im Fahrzeugbau

    Eine seit den 1960er-Jahren vorherrschende Lehrmeinung über die Ursachen für eine eingeschränkte Verformbarkeit von Magnesiumlegierungen ist ins Wanken geraten. Untersuchungen von Wissenschaftlern des TU-Fachgebietes Metallische Werkstoffe an einer Magnesium-Lithium-Legierung zeigten nun, dass sogenannte Doppelzwillinge, die sich bei der Verformung bilden, im Gegensatz zur bisherigen Annahme keinen negativen Einfluss auf die Verformbarkeit haben. Möglicherweise wirken sie sich sogar positiv auf die mechanischen Eigenschaften von geeigneten Magnesiumlegierungen aus. Diese Erkenntnis von Prof. Dr. Walter Reimers, Leiter des Fachgebietes Metallische Werkstoffe, und Dr.-Ing. Martin Lentz, wissenschaftlicher Mitarbeiter, wurde nun in Nature Communications publiziert.

    Durch mechanische Prüfung wie Druckversuche, licht- und elektronenoptische Untersuchung verformter Proben sowie (Kristallplastizitäts-)simulationen wurde festgestellt, dass weder das Einsetzen der Doppelzwillingsbildung noch die Entwicklung komplexer Doppelzwillingsnetzwerke bruchauslösend sind und die Bruchdehnung nicht nennenswert beeinflussen.

    Aufgrund ihrer geringen Dichte und der daraus resultierenden hohen spezifischen Festigkeit und Steifigkeit sind Magnesiumlegierungen für Leichtbauanwendungen vor allem im Transportwesen attraktiv. Bauteile aus Magnesiumlegierungen wie sie beispielsweise in einigen Dächern und Rücksitzstützen von Autos eingebaut werden, sind im Vergleich zu Bauteilen aus Aluminium und Stahl bis zu 40 beziehungsweise 75 Prozent leichter. Das trägt entscheidend zur Reduktion der Kohlendioxid-Emission bei und damit zum Schutz der Umwelt.

    Der Einsatz von Magnesiumlegierungen ist derzeit jedoch stark eingeschränkt, weil sie sich bei Raumtemperatur schlecht verformen lassen. Die Umformung bei erhöhten Temperaturen ist zwar möglich, erfordert aber komplexere Anlagen und ist wesentlich kostenintensiver. Ihre Verformung wird in starkem Maße durch die sogenannte Zwillingsbildung beeinflusst: Dabei klappen Kristallitbereiche in eine zum Ausgangskristallit spiegelsymmetrische Position um. Und seit den 1960er-Jahren herrschte die wissenschaftliche Meinung vor, dass eine Ursache für die begrenzte Umformbarkeit ein spezieller Verformungsmechanismus ist – die sogenannte Doppelzwillingsbildung. Diese führt zu einer doppelten Umorientierung von Kristallitbereichen, die dünne Band- beziehungsweise Netzwerkstrukturen innerhalb der Ausgangskristallite erzeugen. Die gebildeten Doppel-Zwillingsstrukturen stellen Inhomogenitäten dar, die bei Belastung nach bisheriger Lehrmeinung zum Bruch führen. In Folge dessen wurde in den vergangenen 50 Jahren bei der Magnesium-Werkstoffentwicklung versucht, diese Doppelzwillingsbildung zu verhindern.

    Das Team um Prof. Dr. Walter Reimes kam nun zu der Erkenntnis, dass die Doppelzwillinge stabile Netzwerke innerhalb der Ausgangskristallite bilden. Die Ausgangskristallite werden dadurch in eine Vielzahl kleinerer Kristallite unterteilt, so dass die Größe der Ausgangskristallite verkleinert wird. Eine Reduzierung der Kristallitgröße wiederum führt in Metallen im Allgemeinen zu einer erhöhten Festigkeit. Da in der Vergangenheit davon ausgegangen worden ist, dass Doppelzwillinge und Doppelzwillingsnetzwerke das Material schädigen, wurde ihr Potenzial hinsichtlich einer Festigkeitssteigerung bislang nicht berücksichtigt.

    „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Doppelzwillingsnetzwerke das Potenzial besitzen, die Festigkeit von Magnesiumlegierungen zu steigern, ohne dass die Verformbarkeit eingeschränkt wird. Die gewonnenen Erkenntnisse eröffnen somit neue Perspektiven für den Einsatz von Magnesiumlegierungen im Fahrzeugbau mit dem Ziel, die Kohlendioxid-Emission zu reduzieren“, sagt Dr. Martin Lentz.

    Martin Lentz, Marcel Risse, Norbert Schaefer, Walter. Reimers, Irene J. Beyerlein: „Strength and ductility {10-11}{10-12} double twinning in a magnesium alloy“
    DOI: 10.1038/ncomms11068

    Weitere Informationen erteilen Ihnen gern:
    Prof. Dr. Walter Reimers
    Technische Universität Berlin
    Fachgebiet Metallische Werkstoffe
    Tel.: 030/314-22417
    E-Mail: walter.reimers@physik.tu-berlin.de

    Dr.-Ing. Martin Lentz
    E-Mail: martin.lentz@tu-berlin.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Maschinenbau, Werkstoffwissenschaften, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).