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18.05.2016 09:57

Tibet: Klimaänderung setzt Weideland zu

Judith Jördens Senckenberg Pressestelle
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

    Marburg/Görlitz, den 18.05.2016. Wissenschaftler der Universität Marburg und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung haben die Veränderung der Weideflächen auf dem Tibetischen Hochplateau untersucht. Sie kommen in ihrer kürzlich online im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlichten Studie zu dem Schluss, dass der globale Klimawandel den Grasflächen insgesamt mehr Schaden zufügt als die zunehmende Landnutzung. Das tibetische Hochland ist eine klimatische Schlüsselregion – beinah 40 Prozent der Bevölkerung weltweit sind von den dort entspringenden Flüssen abhängig.

    Das tibetische Plateau ist mit einer Fläche von 2,5 Millionen Quadratkilometern größer als Grönland – Weideland macht fast zwei Drittel der weltweit höchsten großen Hochebene aus. Die ausgedehnten Grasflächen speichern Wasser, welche Asiens größte Flüsse und beinah 40 Prozent der Weltbevölkerung versorgen. „Zudem ist das Grünland ein riesiger Kohlenstoffspeicher“, ergänzt PD Dr. Karsten Wesche vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz und fährt fort: „Der Erhalt dieser Graslandschaft ist demnach enorm wichtig.“

    Unter Federführung von Dr. Lukas Lehnert (Philipps-Universität Marburg) hat Wesche mit weiteren Kollegen die Auswirkungen von Klimawandel und Überweidung auf die tibetischen Weidegebiete untersucht. „Beide stehen als Degradations-Verursacher im Verdacht – welcher Faktor aber auf der tibetischen Hochebene wirklich ausschlaggebend ist, war bisher nicht bekannt“, erläutert Lehnert.

    Anhand der Auswertung einer 14-jährigen Zeitreihe von Satellitenbildern und des Vergleiches mit Klimadaten zeigt das Wissenschaftlerteam in seiner Studie, dass die Veränderungen der tibetischen Vegetation größtenteils auf Änderungen der Klimavariablen – und nicht auf die zunehmende Beweidung – zurückzuführen sind. „Erstaunlicherweise konnten wir außerdem nachweisen, dass die Degradation der Weiden entgegen der gängigen Meinung keineswegs ein flächenhaft fortschreitender Prozess ist“, fügt Wesche hinzu.

    Im nord-östlichen Teil des Plateaus, der Qinghai-Region, ist laut der Studie sogar ein Anstieg der Vegetationsbedeckung zu verzeichnen. In der Autonomen Region Tibet ist dagegen eine deutliche Degradation der Weideflächen zu beobachten. Da sich die Veränderung der Beweidungsintensität der Grasflächen in den verschiedenen Regionen nicht signifikant auf die Vegetation ausgewirkt hat, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass Temperatur- und Niederschlagsänderungen die treibende Kraft für die Degradation des Graslandes sind.
    „Insgesamt sind die positiven und negativen Veränderungen in der Vegetation flächenhaft ausgeglichen“, erklärt Lehnert und fährt fort: „Die Gesamtproduktivität ist sogar gestiegen, weil positive Vegetationsänderungen vor allem in produktiven Regionen stattgefunden haben.“

    Dennoch bewerten die beiden Wissenschaftler die Entwicklung nicht nur optimistisch: „Die Zunahme der Vegetation in einzelnen Gebieten könnte auch mit dem Auftauen der Permafrostböden und einer kurzzeitigen besseren Versorgung der Pflanzen mit Wasser zusammenhängen. Generell ist dieser Trend aber kritisch zu bewerten, da die Böden wichtige Kohlenstoffspeicher sind“, gibt Wesche zu bedenken. Das freigegebene Klimagas würde den Temperaturanstieg und damit auch die Degradation wiederum verstärken.
    Zudem können die Wissenschaftler schwer abschätzen, wie sich die Auswirkungen des globalen Klimawandels und der zunehmenden Beweidung in den kommenden Dekaden auswirken wird. „Eine starke Abnahme der Vegetationsdecke sollte in jedem Fall verhindert werden, um die Wasserspeicherfunktion des Tibetischen Plateaus weiterhin gewährleisten zu können“, schließt Lehnert.

    Kontakt
    PD Dr. Karsten Wesche
    Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz
    Abteilung Botanik
    Tel.: 03581 4760 5300
    karsten.wesche@senckenberg.de

    Dr. Lukas Lehnert
    Philipps-Universität Marburg
    Tel. 06421 - 28 24 22 7
    lukas.lehnert@staff.uni-marburg.de

    Judith Jördens
    Pressestelle
    Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
    Tel. 069- 7542 1434
    pressestelle@senckenberg.de

    Publikation
    L. W. Lehnert, K. Wesche, K. Trachte, C. Reudenbach & J. Bendix (2016): Climate variability rather than overstocking causes recent large scale cover changes of Tibetan pastures. Scientific Reports 6, Article number: 24367 (2016), doi:10.1038/srep24367, Open access

    Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten und nachhaltig nutzen zu können - dafür arbeitet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr fast 200 Jahren. Diese integrative „Geobiodiversitätsforschung“ sowie die Vermittlung von Forschung und Wissenschaft sind die Aufgaben Senckenbergs. Drei Naturmuseen in Frankfurt, Görlitz und Dresden zeigen die Vielfalt des Lebens und die Entwicklung der Erde über Jahrmillionen. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main wird von der Stadt Frankfurt am Main sowie vielen weiteren Partnern gefördert. Mehr Informationen unter www.senckenberg.de.

    2016 ist Leibniz-Jahr. Anlässlich des 370. Geburtstags und des 300. Todestags des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (*1.7.1646 in Leipzig, † 14.11.1716 in Hannover) veranstaltet die Leibniz-Gemeinschaft ein großes Themenjahr. Unter dem Titel „die beste der möglichen Welten“ – einem Leibniz-Zitat – rückt sie die Vielfalt und die Aktualität der Themen in den Blick, denen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der bundesweit 88 Leibniz-Einrichtungen widmen. www.bestewelten.de


    Bilder

    Grasende heilige Yaks am Namtso-See.
    Grasende heilige Yaks am Namtso-See.
    © Lukas Lehnert
    None

    Grasende Yakherde auf einer sumpfigen Weide bei Lhazê in Südtibet. Der Hang im Hintergrund ist stark degradiert.
    Grasende Yakherde auf einer sumpfigen Weide bei Lhazê in Südtibet. Der Hang im Hintergrund ist stark ...
    © Lukas Lehnert
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Meer / Klima
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Grasende heilige Yaks am Namtso-See.


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    Grasende Yakherde auf einer sumpfigen Weide bei Lhazê in Südtibet. Der Hang im Hintergrund ist stark degradiert.


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