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02.06.2016 09:00

Präeklampsie: Entzündung der Plazenta stört Versorgung des Kindes

Vera Glaßer Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft

    Die Präeklampsie zählt zu den häufigsten Schwangerschaftskomplikationen, ihre Ursachen sind jedoch unbekannt. Eine neue Studie weist nun an Patienten, Zellkulturen und im Tierexperiment nach, dass bei den Betroffenen das Immunprotein CD74 der Plazenta verringert und bestimmte Entzündungsfaktoren erhöht sind. Damit ist der Aufbau der Plazenta gestört, und es kommt zu einer Unterversorgung des Fötus.

    Der Fötus im Mutterleib wird über die Plazenta ernährt. Hier treffen die Gefäße von Mutter und ungeborenem Kind aufeinander, ohne dass es zu einer Durchmischung des Blutes kommt. Ist der Plazentaaufbau gestört, kann es zur Präeklampsie kommen – einer Erkrankung, die bei der Mutter Bluthochdruck, Wassereinlagerungen und Eiweißausscheidungen im Urin verursacht. Auch kann der Fötus in seinem Wachstum beeinträchtigt sein.

    „Klare Ursachen und Mechanismen der Präeklampsie sind auch nach vielen Jahren der Forschung nicht bekannt. Daher nennt man sie mitunter auch die ‚Krankheit der vielen Theorien‘“, sagt der Berliner Forscher PD Dr. Florian Herse.

    Herse ist Wissenschaftler in der Arbeitsgruppe von Prof. Dominik N. Müller und PD Dr. Ralf Dechend am Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und am Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH). Beides sind Einrichtungen, in denen Forschende des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) und der Charité – Universitätsmedizin Berlin gemeinsam arbeiten. In einer neuen Studie im Fachjournal Circulation Research hat Herse nun gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam einen Faktor aus dem Immunsystem identifiziert, der für die Krankheit relevant ist.

    Es handelt sich hierbei um das Rezeptorprotein CD74, das sich auf der Oberfläche von Immunzellen wiederfindet. In der Plazenta fanden es die Forscher auf Riesenfresszellen des Immunsystems, den Makrophagen. Diese Zellen sind an der Schnittstelle zwischen Mutter und Kind aktiv. Sie interagieren direkt mit weiteren Zellen der Plazenta, den Trophoblasten, und stimulieren diese.

    „In Vorstudien bemerkten wir, dass in den Plazenten von präeklamptischen Frauen die CD74-Präsentation verringert ist“, sagt Herse. Die Forschenden beschlossen, den Zusammenhang genauer zu untersuchen. In den Plazenten von betroffenen Personen fanden sie sodann auf den Makrophagen viel weniger CD74-Rezeptor, als erwartet. Im Zellkulturversuch unterdrückten sie die Produktion von CD74 in den Fresszellen, die daraufhin entzündungsfördernde Botenstoffe abgaben. Mäuse ohne das CD74-Protein bildeten Plazenten mit ungewöhnlichem Aufbau, die weniger leistungsfähig waren als bei den Tieren einer Vergleichsgruppe.

    Die unmittelbaren Ursachen für Entzündung und das abnorme Erscheinungsbild der Plazenten sehen die Forscher in der gestörten Kommunikation zwischen den Zellen. „Der Grund für den gestörten Plazentaaufbau ist eine Störung der Makrophagen-Trophoblasten-Interaktion, die für einen normalen Verlauf der Schwangerschaft wichtig ist“, folgert Herse aus den Befunden.

    Durch die umfassende Methodik sind die Ergebnisse sehr aussagekräftig und der Zusammenhang zwischen Rezeptorprotein und Erkrankung ist mit der Studie gut belegt, betont der Wissenschaftler: „Wir folgten hier einem translationalen Forschungsansatz mit menschlichen Probanden, Experimenten in der Zellkultur und auch einem Tiermodell.“
    Weshalb der CD74-Rezeptor in den betroffenen Frauen in geringerem Maße produziert wird und wie dadurch die vielen Symptome in den betroffenen Frauen genau ausgelöst werden, ist jedoch weiterhin offen. Hier können die Forscher nur spekulieren.

    „Langfristig eröffnet der Zusammenhang zwischen CD74-Rezeptor und Präeklampsie Angriffspunkte für eine Therapie, die sich gegen die Ursachen und nicht die Symptome richtet. Das ist auch bitter nötig“, sagt Florian Herse. Eine solche Therapie gibt es nämlich trotz jahrzehntelanger Forschung nicht.

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    Die Arbeit wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert. Erstautor Lukasz Przybyl, Doktorand aus dem MDC Transcard-Programm am MDC, promovierte mit dieser Arbeit.

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    Lukasz Przybyl1,3, Nadine Haase1,2,3, Michaela Golic1,3,4, Julianna Rugor1,3, Maria Emilia Solano5, Petra Clara Arck5, Martin Gauster6, Berthold Huppertz6, Christoph Emontzpohl7, Christian Stoppe7,8, Jürgen Bernhagen7,9,10, Lin Leng11, Richard Bucala11, Herbert Schulz3,12, Arnd Heuser2, M. Susanne Weedon- Fekjær13,14, Guro M. Johnsen13,14, Dirk Peetz15, Friedrich C Luft1,2, Anne Cathrine Staff13,14, Dominik N Müller1,2,3, Ralf Dechend1,3,15 Florian Herse1,2,3 (2016): „CD74-Downregulation of Placental Macrophage-Trophoblastic Interactions in Preeclampsia.“ Circulation Research (online vorab veröffentlicht am 19. Mai 2016).

    1Experimental and Clinical Research Center, a joint cooperation between the Max-Delbrück Center for Molecular Medicine in the Helmholtz Association and the Charité Medical Faculty, Berlin, Germany; 2Max-Delbrück Center for Molecular Medicine in the Helmholtz Association, Berlin, Germany; 3Berlin Institute of Health (BIH), Berlin, Germany; 4Charité Universitätsmedizin Berlin, Departments of Obstetrics, Gynecology, and Senology, Charité Campus Mitte, Berlin, Germany; 5Department of Obstetrics and Fetal Medicine, Laboratory for Experimental Feto-Maternal Medicine, University Medical Center Hamburg- Eppendorf, Germany; 6Institute of Cell Biology, Histology and Embryology, Medical University of Graz, Austria; 7Institute of Biochemistry and Molecular Cell Biology, RWTH Aachen University, Germany; 8Department of Anesthesiology, RWTH Aachen University, Germany; 9Vascular Biology, Institute for Stroke and Dementia Research, Klinikum der Universität München, Ludwig-Maximilians-University, 81377 Munich, Germany; 10Munich Cluster for Systems Neurology (SyNergy), 81377 Munich, Germany; 11Department of Internal Medicine, Yale University School of Medicine, New Haven, Connecticut, USA; 12Cologne Center for Genomics (CCG), University of Cologne, Germany; 13Departments of Obstetrics and Gynaecology, Oslo University Hospital, Ulleval, Norway; 14University of Oslo, Norway, and; 15HELIOS-Klinikum, Berlin, Germany.


    Weitere Informationen:

    https://insights.mdc-berlin.de/de/?p=10533 – Pressemitteilung auf den Seiten des MDC
    http://circres.ahajournals.org/content/early/2016/05/19/CIRCRESAHA.116.308304.ab... – Vorabveröffentlichung bei Circulation Research


    Bilder

    CD74 (rot markiert) ist auf gesunden Makrophagen präsent. Die Trophoblasten der Plazenta sind grün angefärbt.
    CD74 (rot markiert) ist auf gesunden Makrophagen präsent. Die Trophoblasten der Plazenta sind grün a ...
    Bild: Florian Herse/MDC.
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    Auf präeklamptischen Makrophagen ist CD74 (rot markiert) fast nicht vertreten. Die Trophoblasten der Plazenta sind grün angefärbt. Bild: Florian Herse/MDC.
    Auf präeklamptischen Makrophagen ist CD74 (rot markiert) fast nicht vertreten. Die Trophoblasten der ...
    Bild: Florian Herse/MDC.
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    CD74 (rot markiert) ist auf gesunden Makrophagen präsent. Die Trophoblasten der Plazenta sind grün angefärbt.


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    Auf präeklamptischen Makrophagen ist CD74 (rot markiert) fast nicht vertreten. Die Trophoblasten der Plazenta sind grün angefärbt. Bild: Florian Herse/MDC.


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