Jugendliche, die viel elterliche Wärme und Unterstützung erleben, engagieren sich im jungen Erwachsenenalter seltener bürgerschaftlich als Altersgenossen, die weniger Zuwendung erhalten haben. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie von Forschern der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Deutschland) und der Universitäten Jyväskylä und Helsinki (Finnland), die im Journal of Youth and Adolescence erschienen ist. Der überraschende Befund stellt die verbreitete Vorstellung infrage, dass positives Erziehungsverhalten in jedem Fall positive Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen in nahezu allen Lebensbereichen hat.
Als freiwillige Helfer in Krisenregionen oder in sozialen Projekten arbeiten, Petitionen verfassen und sich an politischen Debatten und Demonstrationen beteiligen – für bürgerschaftliches Engagement gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten. „Solche Aktivitäten sind für das Funktionieren einer jeden Demokratie wichtig, selbst wenn es im Inhalt des Engagements von Land zu Land Unterschiede gibt“, sagt Dr. Maria K. Pavlova von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. So sei es in den USA weitaus verbreiteter, Bedürftigen durch eigene Bemühungen zu helfen, als es in Kontinentaleuropa der Fall ist, wo der Staat in dieser Verantwortung gesehen wird, erläutert die Entwicklungspsychologin. „Davon unabhängig sind Faktoren, die bürgerschaftliches Engagement generell fördern, etwa ein hoher Bildungsstand, offenbar allgemeingültig.“
Vor allem elterliche Wärme und Unterstützung im Rahmen einer „autoritativen Erziehung“ tragen dazu bei, dass Jugendliche fürsorglich, vertrauensvoll und sozial verantwortungsbewusst aufwachsen. Und das – so die bisherige Annahme – erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Jugendlichen im späteren Leben bürgerschaftlich engagieren. Doch, so haben Dr. Pavlova und ihre Kollegen Prof. Dr. Rainer K. Silbereisen (Jena), Dr. Mette Ranta und Prof. Dr. Katariina Salmela-Aro (Jyväskylä und Helsinki) nun herausgefunden, das Gegenteil ist der Fall. In ihrer soeben veröffentlichten Studie präsentieren die Forscher Ergebnisse, die zeigen, dass die im Jugendalter erlebte elterliche Unterstützung eine signifikant geringere politische Teilhabe bis zu 10 Jahren danach vorhersagte. Mehr wahrgenommene Unterstützung der Eltern im jungen Erwachsenenalter bedingte zudem eine seltenere Ausübung von Freiwilligenarbeit zwei Jahre danach.
Ihre Aussagen stützen die Psychologen auf die Untersuchung von mehr als 1.500 finnischen Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe (im Alter von 16 bis 18 Jahren zu Beginn der Befragung und 25 bis 27 Jahren an deren Ende). „Ähnliche Effekte sind aber auch in einer deutschen Stichprobe aufgetreten“, sagt Maria Pavlova. Das zeige, dass sich die aktuellen Daten aus Finnland durchaus auch auf die Situation in anderen Ländern übertragen lassen.
Als Gründe für die erhaltenen Befunde vermuten die Forscher eine Mischung aus verschiedenen Faktoren. „Einerseits sehen finnische Eltern bürgerschaftliches Engagement weder als notwendig für Erfolg auf dem Arbeitsmarkt noch als moralisch verpflichtend, da der finnische Staat viele soziale Leistungen zur Verfügung stellt“, erläutert Maria Pavlova. „Andererseits könnte eine hohe elterliche Unterstützung im Jugend- und jungen Erwachsenenalter nicht mehr altersgemäß sein. Im jungen Erwachsenenalter könnte emotionale Nähe zu eigenen Eltern in gewissem Sinne zu einer Falle werden, wenn sich junge Menschen um die Welt außerhalb ihres eigenen Kreises nicht kümmern“.
Auch wenn die negativen Effekte elterlicher Unterstützung auf bürgerschaftliches Engagement nicht überschätzt werden sollten, so das Fazit der Psychologen, machen ihre Befunde doch ein Problem deutlich: Eine nach üblichen Maßstäben gute Erziehung alleine, ohne ausdrückliche Befürwortung zivilgesellschaftlicher Werte in der Familie, reiche nicht aus, um eine am Gemeinwesen engagierte Generation junger Erwachsener aufwachsen zu lassen.
Original-Publikation:
Pavlova, M. K., Silbereisen, R. K., Ranta, M., & Salmela-Aro, K. Warm and supportive parenting can discourage offspring’s civic engagement in the transition to adulthood. Journal of Youth and Adolescence 2016, DOI:10.1007/s10964-016-0511-5
Kontakt:
Dr. Maria K. Pavlova
Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Center for Applied Developmental Science (CADS)
Semmelweisstraße 12, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 945921
E-Mail: maria.pavlova[at]uni-jena.de
Dr. Maria Pavlova und Prof. Dr. Rainer Silbereisen von der Uni Jena haben für ihre Studie mehr als 1 ...
Foto: Anne Günther/FSU
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Psychologie
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Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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