Erstmals wurden Flüchtlinge in einer großen Studie umfassend zu ihren politischen Ansichten, zur Religion und ihren Werten sowie zu ihrer Sicht auf die Deutschen befragt.
Die Umfrage liefert überraschende Einblicke. Flüchtlinge stellen sich Deutschland und das soziale Zusammenleben anders vor, als es von vielen Deutschen vermutet wird.
Viele Klischees über Flüchtlinge werden widerlegt, doch die Studie zeigt auch mögliche Konfliktlinien auf.
Auf der Pressekonferenz an der HMKW Berlin am Montag, 15.08.2016, 11 bis 12:30 Uhr, werden die Ergebnisse der Studie vorgestellt. Interessierte Journalistinnen und Journalisten sind herzlich eingeladen.
Demokratieverständnis und Integrationsbereitschaft unter Flüchtlingen 2016:
Sind Flüchtlinge die AfD-Wähler von übermorgen?
Ergebnisse einer sozialwissenschaftlichen Studie unter Flüchtlingen in Berlin
Die HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft hat in Zusammenarbeit mit dem DRK Berlin im Juni/Juli 2016 eine umfangreiche Erhebung in Flüchtlingsunterkünften in Berlin durchgeführt. Es wurden ca. 1000 Fragebögen in den Sprachen Farsi (Persisch), Arabisch und Englisch verteilt. Der Rücklauf betrug N=445 Fragebögen.
Erstmals wurden Flüchtlinge nach ihren Einstellungen zur Demokratie und zur Rolle der Religion befragt. Aber auch die Normen des sozialen Zusammenlebens von Flüchtlingen sowie ihre Sicht auf die neue Heimat und die Deutschen interessierten uns.
Die Umfrage liefert völlig überraschende Einblicke. Flüchtlinge stellen sich Deutschland, die politischen Verhältnisse in Deutschland und das soziale Zusammenleben zum Teil ganz anders vor, als es von den meisten Deutschen vermutet wird. Gängige Klischees gehen gleich reihenweise über Bord. Die übergroße Mehrheit der Flüchtlinge fordert eine klare Trennung von Staat und Religion. Die überwältigende Mehrheit aller Befragten bekennt sich ausdrücklich zur Demokratie. Doch was Flüchtlinge unter Demokratie verstehen, lässt auf der anderen Seite gravierende politische Verständnisdefizite erkennen. Eine besorgniserregende Zahl von Flüchtlingen stimmt rechtspopulistischen Aussagen vorbehaltlos zu. Damit ähnelt das Wertebild der Flüchtlinge in zentralen politischen Teilen am ehesten dem der AfD-Anhänger oder der Pegida-Bewegungen.
Die Flüchtlinge sehen Deutschland und die Deutschen in einem rosaroten Licht. Auch auf Angela Merkel lassen sie nichts kommen. Doch zugleich haben die Flüchtlinge ein sicheres Gespür für die Unterschiede in der Einstellung von Ost- vs. Westdeutschen. Viele haben auch von der feindseligen Haltung der AfD gehört. Die demokratischen Parteien Deutschlands bilden dagegen in den Augen der Flüchtlinge einen undifferenzierten Block. Allenfalls schlägt ein Merkel-Bonus auf die CDU durch. Interessant: Die Mehrheit der erwachsenen Flüchtlinge, Männer wie Frauen, weiß, was am 31.12.2015 in Köln passiert ist. Rund ein Drittel gibt vor, das nicht zu wissen.
Die meisten Flüchtlinge möchten Deutschland als neue Heimat annehmen. Sie sind bereit, dafür in Sprache und Bildung zu investieren. Viele geben an, kulturell gebildet oder zumindest interessiert zu sein. Viele Flüchtlinge bringen auch ein überraschend großes Interesse an der Kultur Deutschlands mit. Die positive Botschaft unserer Umfrage lautet: Die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge möchte sich in die deutsche Gesellschaft integrieren und weiß, dass das großer Anstrengungen bedarf. Sie sind bereit, diese Anstrengungen zu schultern.
Die Umfrage liefert aber auch handfeste Hinweise auf mögliche Konfliktlinien. Neben dem unreifen Demokratieverständnis spielen dafür auch rigide und repressive soziale Einstellungen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die dominierenden Haltungen z.B. zu außerehelichem Sex, zu interreligiösen Ehen oder zur Homosexualität erinnern an das Deutschland der vergangenen 50er Jahre. Die Umfrage bestätigt, dass und wo es erheblicher Anstrengung bedarf, eine Integration zu realisieren. Politische Bildungsarbeit und die Vermittlung liberaler, humanistischer Werte müssen im Mittelpunkt stehen. Andernfalls könnten aus den vorhandenen, z.T. erheblichen Werteunterschieden ernsthafte Konflikte werden.
Die Offenheit und Bereitschaft der großen Mehrheit der Flüchtlinge zur Investition in Sprache und Bildung können hier vorsichtig optimistisch stimmen. Deutschland und die Deutschen bekommen von ihren neuen Mitbürgern einen hohen Vertrauensvorschuss, allen hässlichen Erscheinungen von Fremdenangst oder –feindlichkeit zum Trotz. Diese Offenheit und Neugier der Flüchtlinge könnte für eine aktive Aufklärungsarbeit und selbstbewusste Wertevermittlung genutzt werden. Auch wenn diese Forderung leichter erhoben als umgesetzt ist – es scheint dazu keine vernünftige Alternative zu geben.
Die Pressekonferenz, bei der die Studie vorgestellt wird, findet am Montag, den 15.08.2016, ab 11 Uhr bis 12:30 Uhr an der HMKW Berlin statt.
Adresse des Veranstaltungsorts:
Ackerstr. 76
Aufgang A
2. OG
13355 Berlin
Kontakt für Rückfragen: Prof. Dr. Ronald Freytag, r.freytag@hmkw.de
http://www.hmkw.de Website der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Gesellschaft, Psychologie
überregional
Pressetermine
Deutsch
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