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30.08.2016 13:16

Kurzzeit-Hilfsprogramm für Flüchtlinge mit psychischen Störungen kurz vor erfolgreichem Abschluss

Katharina Schmatolla Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Psychologische Hochschule Berlin

    Das von Bundesministerin Andrea Nahles geförderte Modellprojekt liefert bereits wertvolle Informationen zu Entlastung und Verbesserung der psychischen Symptome durch eine Kurzzeittherapie.

    Berlin, im August 2016. Die Zahl der Geflüchteten in Deutschland ist dramatisch angestiegen, dies gilt insbesondere auch für Berlin. „Viele der schutzsuchenden Menschen haben sehr schwierige oder traumatische Erfahrungen gemacht, schätzungsweise die Hälfte von ihnen leidet unter psychischen Störungen“, beschreibt Projektleiterin Prof. Eva-Lotta Brakemeier die Problematik. „Auf diesen Zustrom war das deutsche Gesundheitssystem nicht vorbereitet, so dass die zur Verfügung stehenden spezifischen Behandlungsangebote für psychisch kranke Flüchtlinge derzeit bei weitem nicht ausreichen.“ Aufgrund dieser Notlage entwickelte Eva-Lotta Brakemeier, die bis April 2016 Professorin an der Psychologischen Hochschule Berlin war und seit Mai Universitäts-Professorin für Psychotherapieforschung in Marburg ist, gemeinsam mit der Psychiaterin und Migrationsexpertin PD Dr. Meryam Schouler-Ocak aus der Charité Berlin das ‚Interpersonelle Integrative Modellprojekt für Flüchtlinge’. Dieses wird durch die Bundesministerin Andrea Nahles und ihr Bundesministerium für Arbeit und Soziales seit dem 1. November 2015 gefördert. Neben den ehrenamtlich mitarbeitenden Psychotherapeuten unterstützen in der Migrationstherapie erfahrene Psychiater, Sozialarbeiter und Ergotherapeuten der Charité die Patienten. Professionelle und spezifisch für das Projekt geschulte Dolmetscher ermöglichen die Therapie in Muttersprache. Das Ziel des Modellprojektes besteht darin, ein schnell implementierbares Hilfsprogramm für psychisch kranke Flüchtlinge mit anerkanntem Asylverfahren zu ermöglichen, erklärt Projektgründerin Prof. Brakemeier: „Wir möchten die Flüchtlinge durch die Therapie entlasten, ihnen bei der Bearbeitung ihrer psychischen Probleme und interpersonellen Belastungen helfen und gleichzeitig
    ihre Integration in die Arbeits- und Sozialwelt erleichtern.“ Seit November 2015 läuft die Umsetzung des Projektes an der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB), PUK der Charité im SHK, der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Campus Charité Mitte sowie weiteren Kliniken und Praxen Berlins. Das Behandlungszentrum für Folteropfer e.V., der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V., der Berufspsychologische Service der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Berlin- Brandenburg sowie die Jobcenter Mitte und Spandau sind als Kooperationspartner am Projekt beteiligt. 35 psychologische und ärztliche PsychotherapeutInnen und 11 professionelle Dolmetscherinnen und Dolmetscher wurden in der ersten Projektphase durch Trainings in Interkulturellen Kompetenzen sowie Workshops in der Interpersonellen Integrativen Therapie für Flüchtlinge (IITF) auf die aktive Mitarbeit vorbereitet. Aktuell sind 40 Patienten überwiegend aus Syrien und dem Irak in das Modellprojekt aufgenommen. Bei den meisten der Patienten wurde eine Depression (95%) diagnostiziert, wobei von diesen ca. die Hälfte komorbid unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Die bisherigen Erfahrungen basierend auf 25 abgeschlossenen Therapien erscheinen vielversprechend: die vergleichsweise kurze, jedoch intensive Psychotherapie ‚zu dritt‘ wird nach anfänglichem Eingewöhnen schnell akzeptiert und führt bei vielen Patienten zu einer Entlastung und Verbesserung der psychischen Symptome. Deutlich wird auch, dass den sozialarbeiterischen Maßnahmen, welche die Integration in die Arbeitsund Sozialwelt unterstützen, eine immense Bedeutung zukommt. Bis Oktober 2016 sollen die Verläufe von 30 abgeschlossenen Therapien durch detaillierte quantitative (Wirksamkeit) und qualitative (Durchführbarkeit, Zufriedenheit) Analysen mit Daten der Patienten, Therapeuten und Dolmetscher ausgewertet werden, um basierend auf diesen Analysen das Projekt strukturell und inhaltlich weiter zu optimieren. Wenn sich das Modellprojekt insgesamt als gut durchführbar und wirksam erweist, könnte es in Folge in Berlin als auch bundesweit schnell als Kurzzeit-Hilfsprogramm im Rahmen von steppedcare Modellen breiter implementiert und weiter beforscht werden.

    ÜBER DIE IITF
    Die Interpersonelle Therapie (IPT) ist eine in der Depressionsbehandlung bewährte und
    evidenzbasierte Psychotherapie, die den Behandlungsfokus auf die interpersonellen
    Belastungen im Hier und Jetzt sowie der jüngsten Vergangenheit legt. Bei der IITF handelt es sich um eine Modifikation der IPT, ergänzt um den Aspekt der Integration und maßgeschneidert für die spezielle Situation von Geflüchteten. Der negative sich gegenseitig beeinflussende Teufelskreis von interpersonellen Belastungen, psychischen
    Störungen und dadurch erschwerter Integration soll durchbrochen werden. Dazu können folgende fünf Bereiche in der intensiven Kurzzeit-Behandlung (Dauer 2 Monate) fokussiert bearbeitet werden: Integration, Rollenwechsel (Lebensveränderungen durch die Flucht), Interpersonelle Konflikte, Isolation und Einsamkeit sowie die Unterstützung bei Trauerprozessen.


    Weitere Informationen:

    http://www.psychologische-hochschule.de/kurzzeit-hilfsprogramm-fuer-fluechtlinge...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Politik, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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