400 bis 600 verschiedene Arten von Mikroorganismen leben im menschlichen Darm. Etwa zehn Prozent davon sind seit Beginn der Untersuchungen vor zwei Jahren durch eine Zusammenarbeit des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke mit europäischen Partnern identifiziert worden. Diese Aufklärungsarbeit mit Hilfe molekularbiologischer Methoden geht zügig weiter, denn die Ergebnisse versprechen schon jetzt interessante Einblicke in die Entstehung gefährlicher Darmerkrankungen und lassen auf neue therapeutische Ansätze hoffen.
Mit rund 100 Billionen einzelligen Mitbewohnern unseres Darms müssen wir rechnen. Von den meisten profitieren wir: sie spalten Nahrungsbestandteile, die unser Verdauungssystem nicht nutzen könnte, und stellen auf diese Weise ein zusätzliches Verdauungspotential dar. Spaltprodukte der Darmflora tragen zum Energiegewinn des Menschen bei und liefern zusätzliche Baustoffe. Es gibt aber auch Spaltprodukte, die ein Gesundheitsrisiko darstellen. Die Zusammensetzung der Darmflora und damit ihre biochemische Aktivität wird vom Darminhalt beeinflußt, d.h. also in erster Linie vom Nährstoffangebot; mit anderen Worten: von dem, was wir essen und trinken.
Über viele Einzelheiten der mikrobiellen Darmbesiedelung des Menschen ist bisher noch wenig bekannt. Die klassischen Methoden der Identifizierung und Zuordnung der Bakterienarten mit Hilfe biochemischer Tests sind sehr zeitaufwendig und darüber hinaus oft mehrdeutig. Wissenschaftler der Abteilung "Gastrointestinale Mikrobiologie" des DIfE verwenden deshalb sogenannte Gensonden für die Identifizierung der Darmflora. Sowohl die Bakterienarten als auch deren Menge im Darm kann auf diese Weise präzise bestimmt werden.
Gensonden sind identisch mit typischen Abschnitten des Erbmaterials einer gesuchten Bakterienart, ihrem "genetischen Fingerabdruck" sozusagen. Sie führen zu charakteristischen Reaktionen, die im Experiment nachgewiesen werden können.
Die bisher einzigartigen Untersuchungen sollen u.a. Antwort auf die Frage finden, auf welche Weise Teile der Darmflora entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa mitverursachen. Bei diesen chronischen Leiden findet man Bakterien im entzündeten Darmgewebe. Mit Hilfe der Gensondentechnik läßt sich nun erstmals feststellen, ob bestimmte Arten von Mikroorganismen in das Gewebe einwandern oder ob es beliebige Bakterien sind, die die erkrankten Partien des Darmes aufsuchen. Hieraus läßt sich nach Klärung des Tatbestandes möglicherweise eine Strategie der Ernährung entwickeln, durch die solche schweren Krankheiten vermieden werden. Bisher kennt man die Ursachen nicht und kann den Patienten in schweren Fällen nur durch die operative Entfernung des befallenen Darmabschnitts helfen.
Ein anderes Konzept, das im DIfE verfolgt wird, betrifft die Krebsprophylaxe des Dick- und Enddarms. Bekannt ist, daß Buttersäure (Butyrat) die Gesunderhaltung der Dickdarmschleimhaut fördert. Mit Buttersäure kann man sich - entgegen ihrem Namen - aus dem täglichen Fettverzehr nicht versorgen, sie entsteht aber z.B. durch die Einwirkung von Bakterien auf resistente Stärke. Die resistente Stärke zählt zu den Ballaststoffen. Ballaststoffe sind Bestandteile unserer Nahrung, die wir nicht nutzen können, wenn sie nicht von der Darmflora chemisch aufgeschlossen werden. Es kommt also darauf an, diejenigen Anteile der Darmflora zu identifizieren und dann auch zu stimulieren, die diesen speziellen Prozeß herbeiführen.
Abdruck gestattet / Beleg erbeten
Weitere Informationen: Prof. Dr. Michael Blaut (-470)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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