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23.09.2016 15:34

Neuroborreliose: Langzeittherapie mit Antibiotika ist ein unnötiges Risiko

Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V., Pressesprecher: Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen Pressestelle der DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

    Zur Neuroborreliose liegen mehrere aktuelle systematische Reviews vor. Sie zeigen, dass Patienten mit liquordiagnostisch gesicherter Neuroborreliose überwiegend gutartige Krankheitsverläufe aufweisen. Des Weiteren bestätigen sie, dass die bisher empfohlene Antibiotikatherapiedauer von zwei bis drei Wochen ausreichend ist. „Eine längere oder intensivere Antibiotikatherapie bringt keinen Zusatznutzen, sondern setzt die Patienten aufgrund der Nebenwirkungen einem unnötigen Risiko aus“, sagt der Neuroborreliose‐Spezialist Prof. Sebastian Rauer vom Universitätsklinikum Freiburg, der die neuen Daten auf der 89. Jahres‐ tagung der DGN in Mannheim vorstellt.

    Die S1‐Leitlinie zur Neuroborreliose der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) wird derzeit unter anderem auf der Basis obiger Daten überarbeitet und zu einer S3‐Leitlinie weiterentwickelt. Die Fertigstellung ist für Anfang 2017 geplant.

    Seit Jahren gibt es zahlreiche Patienten und ärztliche Kollegen, die chronische Beschwerden wie Fatigue, Neurasthenie, Konzentrationsstörungen, Fibromyalgie sowie weitere unspezifische Symptome auf eine vermeintliche chronische Borrelieninfektion zurückführen. „Oft sind nicht indizierte wochen‐ oder monatelange Antibiotikagaben, z.T. in Kombination mit mehreren Substanzen, die Folge“, sagt Prof. Sebastian Rauer, leitender Oberarzt der Neurologischen Universitätsklinik Freiburg.

    Meist gutartiger Langzeitverlauf

    Vor diesem Hintergrund wurde die Prognose der Neuroborreliose in Zusammenarbeit mit dem deutschen Cochrane‐Institut durch eine umfangreiche systematische Auswertung vorhandener Therapie‐ und Verlaufsstudien mit insgesamt 1311 eingeschlossenen Patienten untersucht (Dersch et al. 2016). Dabei zeigte sich, dass Patienten mit einer liquordiagnostisch gesicherten Neuroborreliose überwiegend gutartige Krankheitsverläufe aufwiesen. Dagegen fanden sich deutlich häufiger ungünstige Verläufe mit unspezifischen Beschwerden bei Patienten, bei denen die Diagnose einer Neuroborreliose lediglich vermutet und nicht durch eine Liquoruntersuchung bestätigt wurde. „Wir können davon ausgehen, dass bei letzteren Patienten oftmals keine Neuroborreliose, sondern eine andere Erkrankung, die nicht auf Antibiotika anspricht, zugrunde liegt“, sagt Rauer. Der gutartige Langzeitverlauf der Neuroborreliose wurde außerdem durch eine monozentrische klinische Verlaufsstudie aktuell bestätigt (Dersch et al. 2015b).

    Doxycyclin oral bei früher Neuroborreliose

    Des Weiteren hat eine systematische Auswertung der vorliegenden Antibiotika‐Therapiestudien ergeben, dass eine Therapiedauer von zwei bis drei Wochen ausreichend ist. „Das bestätigt die bisherigen Empfehlungen. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die von manchen Kollegen durchgeführte Langzeittherapie oder die Kombination von Antibiotika für die Patienten einen Vorteil bringt“, sagt Rauer. Außerdem bestätigt die Auswertung, dass zur Behandlung der frühen Neuroborreliose das oral applizierbare Doxycyclin gleichermaßen wirksam und verträglich ist wie die intravenös zu verabreichenden Betalaktam‐Antibiotika. Ob Doxycyclin auch bei der seltenen späten Neuroborreliose (< 2 % aller Neuroborreliose‐Fälle) ausreichend ist, lässt sich aufgrund der geringen Fallzahlen dieser Manifestation nicht abschließend prüfen. Hinweise für eine unzureichende Wirkung ergaben sich allerdings auch für diese Manifestation nicht (Dersch et al. 2015a; Dersch et al. 2014).

    Fachlicher Kontakt bei Rückfragen
    Prof. Dr. Sebastian Rauer
    Neurologische Universitätsklinik,
    Breisacherstr. 64,
    79106 Freiburg
    Tel.: +49 761 270 53080,
    Fax: +49 761 270 53900
    E‐Mail: sebastian.rauer@uniklinik‐freiburg.de

    Quellen

    - Dersch, R., Freitag, M. H., Schmidt, S., Sommer, H., Rauer, S. & Meerpohl, J. J. (2015a) Efficacy and safety of pharmacological treatments for acute Lyme neuroborreliosis – a systematic review. Eur. J. Neurol., 22, 1249–1259.
    - Dersch, R., Freitag, M. H., Schmidt, S., Sommer, H., Rucker, G., Rauer, S. & Meerpohl, J. J. (2014) Efficacy and safety of pharmacological treatments for neuroborreliosis – protocol for a systematic review. Syst. Rev., 3, 117.
    - Dersch, R., Sarnes, A. A., Maul, M., Hottenrott, T., Baumgartner, A., Rauer, S. & Stich, O. (2015b) Quality of life, fatigue, depression and cognitive impairment in Lyme neuroborreliosis. J. Neurol., 262, 2572–2577.
    - Dersch, R., Sommer, H., Rauer, S. & Meerpohl, J. J. (2016) Prevalence and spectrum of residual symptoms in Lyme neuroborreliosis after pharmacological treatment: a systematic review. J. Neurol., 263, 17–24.
    - Rauer, S., Kaiser, R., Kölmel, H. W., Pfister, H. W., Schmutzhard, E., Sturzenegger, M. & Wilske, B. (2012) Neuroborreliose. In Diener, H. C. & Weimar, C. (eds), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart New York, pp. 513–522.

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    c/o albertZWEI media GmbH, Englmannstr. 2, 81673 München
    E‐Mail: presse@dgn.org, Tel.: +49 (0) 89 46148622
    Pressesprecher: Prof. Dr. med. Hans‐Christoph Diener

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
    sieht sich als neurologische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren mehr als 8000 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort‐ und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin.
    www.dgn.org

    Präsident: Prof. Dr. med. Ralf Gold,
    Stellvertretender Präsident: Prof. Dr. med. Gereon R. Fink
    Past‐Präsident: Prof. Dr. med. Martin Grond
    Geschäftsführer: Dr. rer. nat. Thomas Thiekötter,
    Geschäftsstelle: Reinhardtstr. 27 C, 10117 Berlin, Tel.: +49 (0) 30 531437930, E‐Mail: info@dgn.org


    Weitere Informationen:

    http://www.dgn.org/presse/pressemitteilungen/51-pressemitteilung-2016/3312-neuro...


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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