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28.09.2016 10:12

Neue Einblicke in die Verarbeitung von Zahlen durch künstliche neuronale Netze

Dr. Evamarie Blattner Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Wissensmedien

    Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Wissensmedien (IWM) haben herausgefunden, dass natürliche Zahlen, negative Zahlen und Dezimalzahlen im Gehirn ähnlich verarbeitet werden. Dazu entwickelten sie künstliche neuronale Netze, die die Verarbeitung von Zahlen im menschlichen Gehirn simulieren.

    Tübingen, 28.9.2016 Zahlen sind nicht nur im alltäglichen Leben, sondern auch in Wirtschaft und Wissenschaft allgegenwärtig. Sie haben jedoch nicht nur hohe Alltagsrelevanz: Verschiedene Studien haben gezeigt, dass schlechte numerische Fertigkeiten auch negative Konsequenzen für den beruflichen Erfolg haben. Erwachsene mit schlechten numerischen Fertigkeiten sind häufiger arbeitslos und verdienen in der Regel weniger als Personen mit guten numerischen Fertigkeiten. Als Folge dessen verursachen unzureichende numerische Fertigkeiten hohe sozioökonomische Kosten. Somit ist es nicht nur für den Einzelnen, sondern für die Gesellschaft als Ganzes wichtig zu verstehen, wie Zahlen verarbeitet werden. Forscher des Leibniz-Instituts für Wissensmedien untersuchen, welche Prozesse im Gehirn an der Verarbeitung von Zahlen beteiligt sind. Denn ein gutes Verständnis dieser Prozesse unterstützt die Vermittlung numerischer Fähigkeiten.
    Zur Untersuchung der Zahlenverarbeitung entwickelten die Wissenschaftler künstliche neuronale Netzwerkmodelle. Diese bestehen ähnlich wie das menschliche Gehirn aus einer großen Anzahl von Knoten (vergleichbar den Neuronen im menschlichen Gehirn), die über Kanten (analog den Axonen und Synapsen im menschlichen Gehirn) verbunden sind. Sie stellen somit eine Abstraktion des menschlichen Gehirns dar und ermöglichen es, menschliches Verhalten zu simulieren. Daraus lassen sich Einblicke in die Funktionsweise des menschlichen Gehirns ableiten. Mithilfe dieser künstlichen neuronalen Netzwerkmodelle haben die Wissenschaftler herausgefunden, dass Menschen die Größe von mehrstelligen Zahlen (z. B. 63,4) nicht als Ganzes wahrnehmen, sondern sich über die Größe der einzelnen Ziffern und die Anzahl der Ziffern erschließen. Das trifft auch auf den Vergleich von positiven und negativen Zahlen zu. Das Vorzeichen wird dabei ähnlich wie eine Ziffer interpretiert.
    Diese Erkenntnis hilft nicht nur, das Erlernen des Stellenwertsystems besser zu verstehen (also zu begreifen, dass zum Beispiel 43 aus 4 Zehnern und 3 Einern besteht), sondern kann auch erklären, warum wir Menschen die Größe von Preisen unterschiedlich wahrnehmen. Im Einzelhandel findet man typischerweise Preise, die auf 99 enden wie zum Beispiel 3,99. Diese Preise sind unter anderem deshalb so beliebt, weil wir Menschen den Unterschied zwischen 3,99 und 4,01 als größer wahrnehmen als den Unterschied zwischen 3,99 und 3,97. Im Gegensatz zu bisherigen Erklärungsmodellen bietet die Simulation mittels künstlicher neuronaler Netzwerkmodelle eine einfachere alternative Erklärung: Wir haben gelernt, dass die Ziffer, die ganz links in einer Zahl steht, die wichtigste Ziffer ist, wenn es um die Größe einer Zahl geht. Deswegen gewichten wir diese Ziffer stärker und nehmen Unterschiede in dieser Ziffer als größer wahr. Dieser Befund kann zum Beispiel dazu verwendet werden, um den Einfluss dieser Ziffer zu erhöhen (z. B. durch fett Schreiben oder Vergrößern der Ziffer, wie es schon im Einzelhandel angewandt wird). Das sollte dazu führen, dass man sich noch mehr auf die Ziffer, die ganz links in der Zahl steht, konzentriert, wenn man Preise vergleicht.
    Die Ergebnisse der Studie wurden in der renommierten Zeitschrift Psychological Review publiziert.

    Weitere Informationen:

    Literaturangabe und Link zum publizierten Artikel
    Huber, S., Nuerk, H.-C., Willmes, K., & Moeller, K. (2016). A General Model Framework for Multisymbol Number Comparison. Psychological Review, No Pagination Specified. http://doi.org/10.1037/rev0000040

    Dr. Stefan Huber
    Nachwuchsgruppe Neuro-kognitive Plastizität
    E-Mail: s.huber@iwm-tuebingen.de

    Das Leibniz-Institut für Wissensmedien
    Das Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen erforscht das Lehren und Lernen mit digitalen Technologien. Rund 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Kognitions-, Verhaltens-und Sozialwissenschaften arbeiten multidisziplinär an Forschungsfragen zum individuellen und kooperativen Wissenserwerb in medialen Umgebungen. Seit 2009 unterhält das IWM gemeinsam mit der Universität Tübingen Deutschlands ersten Leibniz-WissenschaftsCampus zum Thema „Bildung in Informationsumwelten“.
    Internetadresse: www.iwm-tuebingen.de

    Kontakt & weitere Informationen zum Leibniz-Institut für Wissensmedien
    Dr. Evamarie Blattner
    Presse-und Öffentlichkeitsarbeit
    Leibniz-Institut für Wissensmedien, Schleichstraße 6, 72076 Tübingen,
    Tel.: +49 7071 979-222, E-Mail: presse@iwm-tuebingen.de

    Die Leibniz-Gemeinschaft
    Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 88 selbständige Forschungseinrichtungen.
    Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur-und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum-und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung auch in den übergreifenden Leibniz Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen u. a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.100 Personen, darunter 9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute
    liegt bei mehr als 1,6 Milliarden Euro.
    Internetadresse: www.leibniz-gemeinschaft.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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