idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
02.07.2003 12:41

Kompetenznetz Demenzen - Start in Göttingen

Rita Wilp Stabsstelle Unternehmenskommunikation
Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen

    Bundesweit installiertes Netz erforscht Demenz-Erkrankungen - Göttingen einziger Standort in Niedersachsen.

    (ukg) Mit der steigenden Lebenserwartung der Menschen werden demenzielle Erkrankungen zunehmend zu einer Herausforderung für die Gesellschaft. In Deutschland leiden aktuell schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen an einer Demenz, für das Jahr 2030 rechnet man mit etwa 2,5 Millionen Betroffenen. Die Zahl der Erkrankten steigt mit dem Lebensalter an. Während in der Altersgruppe der 60- bis 70-Jährigen etwa drei bis vier Prozent der Personen betroffen sind, liegt der Anteil im Alter zwischen 80 und 85 Jahren bereits bei zehn bis 15 Prozent und im hochbetagten Alter von über 85 Jahren bei etwa 20 bis 25 Prozent.

    Das Kompetenznetz Demenzen wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über einen Zeitraum von insgesamt fünf Jahren mit einem Volumen von bis zu 2,55 Millionen Euro pro Jahr finanziert. Auf bundesweiter Ebene haben sich 14 universitäre, vor allem psychiatrische Zentren zusammengeschlossen, die in der Demenzforschung führend sind (siehe Abbildung).

    Der Psychiatrischen Universitätsklinik Göttingen, mit Prof. Dr. med. Eckhart Rüther als Vize-Sprecher des Kompetenznetzes Demenzen, kommt eine führende Rolle bei der inhaltlichen Definition und Organisation zu. Ihr molekularbiologisches Labor fungiert - neben Erlangen und München - als eines der drei bundesweiten Laborzentren für die neurochemische Demenzdiagnostik im Kompetenznetz Demenzen. Die Erforschung demenzieller Syndrome und neurodegenerativer Hirnerkrankungen fügt sich in den Kontext der Neurowissenschaften als ein von der niedersächsischen Landesregierung definierter, profilbildender Schwerpunkt des Bereichs Humanmedizin der Universität Göttingen ein.

    Die Forschungsziele des Kompetenznetzes Demenzen gliedern sich inhaltlich in die drei Bereiche (Module)
    * Früh- und Differentialdiagnostik
    * Therapie
    * Epidemiologie/Genetik

    Die korrekte Differentialdiagnostik einer Hirnleistungsstörung, das heißt das Erkennen ihrer zugrundeliegenden Ursache, ist ausschlaggebend für die Therapieplanung und dient der Information des Patienten und seiner Angehörigen. Einige Ursachen von Hirnleistungsstörungen wie Depressionen, Bluthochdruck, oder Schilddrüsenerkrankungen sind gut behandelbar, so dass das Fortschreiten des Leistungsabbaus verhindert wird oder sogar reversibel ist. Ein großer Anteil der Hirnleistungsstörungen beruht im höheren Lebensalter allerdings auf einer so genannten primär progressiven Demenz, deren Fortschreiten nicht verhindert werden kann. Die Alzheimer Erkrankung ist darunter am häufigsten und am bekanntesten. Andere primär progressive dementielle Syndrome sind die Frontotemporalen Demenzen oder die Lewy-Körper-Demenz.

    Auch im Fall dieser primär progressiven Erkrankungen sind verschiedene Behandlungsansätze je nach Syndrom sinnvoll und erfolgversprechend, und je nach Syndrom ist die Aufklärung der Angehörigen und Patienten über den Verlauf der jeweiligen Erkrankung wichtig. Nicht alle Demenzen führen gleichsam und rasch zu einer Persönlichkeitsveränderung oder einem umfassenden Verfall aller Fähigkeiten. So ist bei der Alzheimer Demenz über einen längeren Zeitraum zwar das Erlernen neuer Informationen und die Auffassung komplexer Zusammenhänge erschwert, aber nicht das Sprachverständnis oder das Sprechen, die Einsicht in die persönliche Situation oder das Ausüben vertrauter körperlicher Betätigungen. Das Wissen um Stärken und Schwächen verhindert sowohl Überforderung als auch ungerechtfertigte Geringschätzung des Patienten.

    Bei vielen Patienten wird die Erkrankung erst spät erkannt, weil die Beeinträchtigungen zunächst als Ausdruck des normalen Alterungsprozesses angesehen werden. Bei der Früherkennung einer Demenz besteht jedoch die beste Chance, durch den Einsatz von Antidementiva Erfolge zu erzielen, Verhaltensmodifikationen einzuüben sowie soziale und rechtliche Regelungen zu treffen.

    Das Modul Früh- und Differentialdiagnostik wird von Prof. Dr. med. Johannes Kornhuber und Prof. Dr. med. Jens Wiltfang (Erlangen) geleitet. Um Informationen zu Frühzeichen der Demenzen zu gewinnen, und um die verschiedenen Demenzen gut charakterisieren zu können, strebt die Studie in diesem Modul bundesweit die Verlaufsuntersuchung von etwa 2.000 Patienten an, die zum ersten Zeitpunkt zwar unter leichten kognitiven Störungen leiden oder bei denen der Verdacht einer leichtgradigen Demenz besteht, aber bei denen keine ausgeprägte Demenz vorliegt.

    Das Modul Therapie (Leitung: Prof. Dr. med. Isabella Heuser, Berlin, und Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Möller, München) schließt seine Studien inhaltlich an die Diagnostik-Studie an. Zur medikamentösen Therapie bei der Alzheimer-Erkrankung werden derzeit vor allem entweder Acetylcholinesterasehemmer wie Galantamin oder der NMDA-Rezeptor-Antagonist Memantine eingesetzt. Zwar kann die Demenzerkrankung damit nicht geheilt werden, aber es ist möglich, den Verlauf der Erkrankung zeitlich hinauszuzögern. Im Rahmen der Studie sollen beide Substanzen in einem sehr frühen Erkrankungsstadium in ihrer Kombination eingesetzt werden.

    Das Modul Genetik (Leitung: Prof. Dr. med. Wolfgang Maier, Bonn, und Prof. Dr. med. Matthias Angermeyer, Leipzig) strebt den Aufbau einer genetischen Datenbank für Demenzen an. Es soll geprüft werden, ob Gene identifiziert werden können, die das Erkrankungsrisiko beeinflussen beziehungsweise das Ansprechen auf bestimmte Therapien voraussagen.

    Als Ergänzung zu den genannten, forschungsbezogenen Modulen, sollen die Arbeiten im so genannten Vertikalen Netz den Austausch und Transfer mit der Öffentlichkeit, Patientenorganisationen, wie der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft e.V., niedergelassenen Allgemeinmedizinern, Neurologen und Psychiatern, Pflegediensten, geriatrischen Klinikabteilungen und Allgemeinkrankenhäusern fördern. Als Grundlage für eine hohe Versorgungsqualität sollen einheitliche und fortschrittliche Richtlinien für die Diagnostik und Therapie demenzieller Erkrankungen in Deutschland entwickelt werden.

    Die Studien des Kompetenznetzes Demenzen beginnen jetzt in der Psychiatrischen Universitätsklinik Göttingen und werden über einen Zeitraum von weiteren vier Jahren vom BMBF finanziert werden. An der Universitätsklinik Göttingen ist neben dem Kompetenznetz Demenzen auch das Kompetenznetz Parkinson in der Abteilung Klinische Neurophysiologie (Leitung: Prof. Walter Paulus) vertreten sowie in der Abteilung Medizinische Informatik (Leitung: Prof. Otto Rienhoff) die Leitung des Bereichs Telematik/Informationsdienste des Kompetenznetzes Demenzen und des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler.

    Weitere Informationen:
    Universität Göttingen - Bereich Humanmedizin
    Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
    Prof. Dr. Eckart Rüther
    von-Siebold-Str. 5
    37075 Göttingen
    Tel.: 0551 / 39-14373 oder 39-14258


    Weitere Informationen:

    http://www.Kompetenznetz-Demenzen.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    regional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).