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12.10.2016 11:01

Grundschulkinder mit starken ADHS-Symptomen zeigen vergleichbare Lernfortschritte beim Lesen

Philip Stirm Referat Kommunikation
Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung

    Eine neue Studie mit mehr als 2.000 Kindern von Klasse eins bis vier gibt Einblick in den langfristigen Zusammenhang von ADHS-Anzeichen und Leseleistungen.

    Die „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung“ (ADHS) zählt zu den häufigsten psychischen Störungen im Kindesalter und geht vielfach mit geringerem Bildungserfolg einher. So haben beispielsweise mehrere Studien belegt, dass Kinder mit ADHS bei Leseleistungstests schlechter als ihre nicht betroffenen Altersgenossen abschneiden. Bislang gibt es jedoch nur wenige Forschungsarbeiten, die nachzeichnen, wie sich die Symptome von ADHS und die Leseleistungen langfristig und im Zusammenhang zueinander entwickeln. Eine Studie des vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) koordinierten Forschungszentrums "Individual Development and Adaptive Education of Children at Risk" (IDeA) liefert hierzu nun neue Erkenntnisse. Das verantwortliche wissenschaftliche Team hat 2.014 Grundschulkinder in Baden-Württemberg von der ersten bis zur vierten Klasse begleitet und in jedem Jahr untersucht, welche ADHS-Symptome sie aufweisen und wie sie bei Lesetests abschneiden. Kernergebnis: „Kinder mit starken ADHS-Symptomen zeigen beim Lesen die gleichen Lernfortschritte wie Kinder mit geringen Anzeichen für die Störung“, so Dr. Jan-Henning Ehm vom DIPF, Erstautor der Studie.

    Die Kinder mit deutlichen ADHS-Symptomen schnitten auch bei den aktuellen Untersuchungen bei jedem Lesetest merklich schlechter ab. Der Abstand zu Schülerinnen und Schülern mit geringen Anzeichen für die Störung, wie sie der Durchschnitt aller Kinder zeigt, blieb jedoch gleich. „Im Mittel erzielten alle den gleichen Lernzuwachs“, erläutert Bildungsforscher Ehm. Dieses eher nicht zu erwartende Ergebnis brachte eine spezifische Untersuchungsmethode zutage: Die Forschenden stützten sich nicht auf eine einmalige klinische Diagnose von ADHS und einem davon ausgehenden Vergleich mit nicht betroffenen Mitschülerinnen und Mitschülern, sondern erfassten in jedem Schuljahr bei allen Kindern die Ausprägung von ADHS-Symptomen neu. Ehm: „Damit konnten wir dem Umstand Rechnung tragen, dass sich die Ausprägung der ADHS-Anzeichen im Verlauf der Zeit verändert.“ Erst unter Einberechnung dieser Veränderungen ergab sich der Befund der vergleichbaren Lernfortschritte.

    Für die Überprüfung der ADHS-Symptome bei den Grundschulkindern zogen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Einschätzungen der Lehrkräfte heran, die sie in jedem Schuljahr über Fragebögen erfassten. In diesen äußerten sich die Lehrerinnen und Lehrer zu den wichtigsten Anzeichen der Störung – Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität –, indem sie Fragen wie „Ist das Kind im Unterricht leicht ablenkbar?“ oder „Denkt das Kind, bevor es handelt?“ beantworteten und dazu auf einer Skala angaben, wie stark dies jeweils zutrifft. Die Leseleistungen der Schülerinnen und Schüler wurden mit standardisierten Tests von Wort- und Text-Verständnis erhoben. Die Kinder sollten in begrenzter Zeit so viele Wörter beziehungsweise Sätze wie möglich lesen und die Wörter Abbildungen zuordnen beziehungsweise Verständnisfragen zu den Sätzen beantworten.

    Die Ergebnisse der Untersuchungen wertet Jan-Henning Ehm als wichtigen Hinweis für zukünftige wissenschaftliche Arbeiten auf diesem Gebiet: „Es sollte beachtet werden, dass die Ausprägung von ADHS-Symptomen Schwankungen unterliegt und sich diese Veränderungen auf die Zusammenhänge mit Lernerfolgen auswirken können.“

    Genauere Erläuterungen zu den Befunden können in einem Beitrag in der Fachzeitschrift „Developmental Psychology“ nachgelesen werden: http://psycnet.apa.org/journals/dev/52/9/1445/

    Außer Dr. Ehm sind für die Studie Dr. Julia Kerner auch Körner (Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, zum Zeitpunkt der Untersuchungen Universität Bremen), Professorin Dr. Caterina Gawrilow (Eberhard Karls Universität Tübingen) sowie Professor Dr. Marcus Hasselhorn und Professor Dr. Florian Schmiedek (beide DIPF) verantwortlich. Die Studie wurden vom Land Baden-Württemberg gefördert und erfolgte im Rahmen des Forschungszentrums IDeA, das individuelle Entwicklungsprozesse von Kindern und Ansätze zu deren Lernförderung erforscht – unter besonderer Berücksichtigung von Kindern, die ein erhöhtes Risiko für eine beeinträchtigte Entwicklung schulischer Fertigkeiten haben.

    Kontakt:
    Studie: Dr. Jan-Henning Ehm, DIPF, +49 (0)69 24708-723, Ehm@dipf.de
    Presse: Philip Stirm, DIPF, +49 (0)69 24708-123, stirm@dipf.de, http://www.dipf.de

    Das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) trägt mit empirischer Bildungsforschung, digitaler Infrastruktur und gezieltem Wissenstransfer dazu bei, Herausforderungen im Bildungswesen zu bewältigen. Das von dem Leibniz-Institut erarbeitete und dokumentierte Wissen über Bildung unterstützt Wissenschaft, Politik und Praxis im Bildungsbereich – zum Nutzen der Gesellschaft.


    Weitere Informationen:

    http://psycnet.apa.org/journals/dev/52/9/1445/ – Fachartikel über die Studie
    http://www.idea-frankfurt.eu – das Forschungszentrum IDeA


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Pädagogik / Bildung, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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