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18.10.2016 09:19

Sterbehilfe im Schatten des Strafrechts

Gunnar Bartsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Ein neues Gesetz zur Sterbehilfe hat vor gut einem Jahr für Unruhe in der Hospiz- und Palliativmedizin gesorgt, weil etliche Konsequenzen dabei nicht bedacht wurden. Ein neues Forschungsprojekt an der Juristischen Fakultät soll jetzt nach Wegen zu mehr Rechtssicherheit suchen.

    Der technische Fortschritt in der Medizin hat dazu geführt, dass der natürliche Alterungs- und Sterbeprozess in erheblichem Umfang beeinflussbar geworden ist. Nicht selten kann das Leben um viele Jahre verlängert werden, was von den Betroffenen in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle dankbar angenommen wird.

    Es gibt jedoch auch Fälle, in welchen Menschen wegen schwerster Krankheiten, die mit unerträglichem Leiden verbunden sind, eine technisch mögliche Lebensverlängerung ablehnen. In solchen Fällen besitzt der Patient nach geltender Rechtslage das Recht, die Behandlung zu verweigern und begonnene Behandlungen abzubrechen – „Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch“ genannt. Führt dies nicht zum erwünschten Ziel, nämlich dem eigenen Sterben, wählen viele Betroffene das „Sterbefasten“ als Alternative und verweigern die Nahrungsaufnahme, bis der Tod eintritt.

    Neue Strafbarkeitsrisiken

    „Die geschilderten Möglichkeiten, sein Leben zu beenden, galten bisher als durch die Grundrechte des Patienten geschützt“, erklärt Professor Eric Hilgendorf, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht an der Universität Würzburg und Experte auf dem Gebiet des Medizinstrafrechts. Für Unsicherheit sorgt allerdings seit Dezember 2015 ein neues Gesetz, das der Bundestag beschlossen hat. „Mit dem neuen Paragraphen 217 Strafgesetzbuch will der Gesetzgeber eigentlich die Aktivitäten von Sterbehilfevereinigungen wie ‚Dignitas‘ oder ‚Sterbehilfe Deutschland‘ auf deutschem Territorium unterbinden“, erklärt Hilgendorf.

    Dabei ist er nach Ansicht des Juraprofessors allerdings möglicherweise über das Ziel hinaus geschossen. So stehe jetzt beispielsweise auch das Gewähren einer Möglichkeit zum Sterbefasten unter Strafe. Auch wer hochwirksame, potentiell tödliche Schmerzmitteln verschreibt oder abgibt – etwa im Rahmen einer ambulanten Palliativbetreuung – oder nur ein Sterbezimmer nach erwünschtem Behandlungsabbruch in einem Hospiz zur Verfügung stellt, könnte plötzlich zum Gesetzesbrecher werden. „Damit griffe Paragraph 217 Strafgesetzbuch weit in den durch die Menschenwürde und die Handlungsfreiheit der Patienten geschützten Bereich ein“, so Hilgendorf.

    Weitere Strafbarkeitsrisiken ergeben sich im Bereich der Teilnahme, beispielsweise dann, wenn ein Angehöriger Vater oder Mutter zu Dignitas in die Schweiz begleitet und sich so möglicherweise der Beihilfe schuldig macht, jedenfalls dann, wenn er sich vorbehält, auch den anderen Elternteil in dieser Weise zu unterstützen und daher nach dem Wortlaut des Gesetzes „geschäftsmäßig“ handelt.

    Das Projekt

    „Es spricht vieles dafür, dass der Gesetzgeber diese Folgen nicht vorausgesehen hat“, sagt Hilgendorf. In einem neuen Forschungsprojekt will er nun nach Wegen suchen, die dazu beitragen können, die Hospiz- und Palliativmedizin aus dem Anwendungsbereich des neuen Gesetzes herauszunehmen und den dort tätigen Ärztinnen und Ärzten sowie den Pflegekräften wieder mehr Rechtssicherheit zu verschaffen.

    Das Projekt wurde durch eine private Spende in Höhe von 100.000 Euro ermöglicht. Der Spender, der anonym bleiben möchte, engagiert sich bereits seit vielen Jahren in der Palliativ- und Hospizmedizin Nordbayerns.

    Kontakt

    Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht, Informationsrecht und Rechtsinformatik, T: (0931) 31-82304, hilgendorf@jura.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Medizin, Recht
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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