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21.10.2016 13:48

Helle Verpackungen als subtile Hinweise auf „gesündere“ Lebensmittel – ein zweischneidiges Schwert?

Dr. Boris Pawlowski Presse, Kommunikation und Marketing
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

    Gesundheitsbewusste Verbraucherinnen und Verbraucher sind ein zunehmend gefragtes Segment und Hersteller bedienen diese Nachfrage mit einer Vielzahl vermeintlich gesunder Produkte. Um Gesundheit auszustrahlen, sind deren Verpackungen oft in hellen Farben, wie hellblau oder leichtrosa, gestaltet. In einer kürzlich im „Journal of Retailing“ veröffentlichten Studie haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und der Technischen Universität Dresden (TU) deshalb erforscht, ob helle Farben tatsächlich den Eindruck erwecken, eine vermeintlich gesündere Variante in den Händen zu halten.

    Auf den ersten Blick erscheint es plausibel: Verpackungsfarben steuern unseren Eindruck über Lebensmittel mehr oder weniger bewusst. Menschen nehmen hellere Farben als leichter wahr – „eine Assoziation, die schlussendlich auf das Produkt in der Verpackung übertragen werden sollte“, schließt Autor der Studie Dr. Robert Mai von der CAU auf die Marketingstrategie von Herstellern. Da am Regal im Supermarkt viel los und die Zeit knapp sei, bedienten sich Verbraucherinnen und Verbraucher gern solch schnell verfügbarer Schlüsselreize, um Lebensmittel in prototypische Kategorien wie „gesund“ und „ungesund“ einzustufen. Anders als gut erkennbare und damit leicht hinterfragbare Hinweise (z. B. Nährwertangaben) könnte damit die Verpackungsfarbe das Kaufverhalten auf subtile Weise beeinflussen und häufig sogar unbemerkt, so eine Ausgangsthese der Studie.

    Das Forschungsteam ging aber noch weiter und untersuchte, ob Verpackungsfarben neben der Gesundheitsanmutung nicht sogar eine bislang vernachlässigte Nebenwirkung entfalten. „Konsumenten könnten aufgrund tiefsitzender Farbassoziationen ‚leichte‘, helle Farben auch mit Geschmackseinbußen in Verbindung bringen. Reife, süße Früchte haben in der Natur schließlich oft kräftige, dunkle Farben“, ergänzt Claudia Symmank von der TU Dresden und Co-Autorin der Studie. Helle Verpackungen könnten somit – anders als beabsichtigt – einen negativen Einfluss auf das Kaufurteil ausüben. In einer sechs Experimente umfassenden Studie deckte das Team auf, wann und bei welchen Konsumentinnen und Konsumenten mit diesem „Bumerang-Effekt“ zu rechnen ist.

    Ihre Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Verwendung heller Verpackungen ein zweischneidiges Schwert ist. Helle Verpackungen wecken vor allem dann Zweifel am Geschmack, wenn ein Produkt nur äußerlich betrachtet wird, wie es am Regal im Geschäft typischerweise der Fall ist. Vereinfachende Rückschlüsse auf Geschmackseinbußen aktivieren helle Verpackungen dagegen weniger wahrscheinlich, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher in der Lage sind, sich etwa durch Verkosten vom Geschmack zu überzeugen.

    Anders als der Geschmack jedoch, ist die Gesundheitswirkung auch durch Verkosten des Produktes kaum abschätzbar. Positive Rückschlüsse auf die Gesundheit werden deshalb vor allem nach direkter Erfahrung mit dem Produkt gezogen. Robert Mai ergänzt, dass „die Motivation des Konsumenten darüber entscheidet, ob helle Verpackungsfarben Fluch oder Segen sind“. So seien vor allem weniger gesundheitsbewusste Konsumentinnen und Konsumenten für Geschmacksrückschlüsse aufgrund heller Verpackungen anfällig, mit entsprechend negativen Auswirkungen für die Kaufentscheidung. Der eigentlich erwünschte positive Effekt einer gesünderen Anmutung tritt dagegen vorrangig bei denjenigen auf, die sich aktiv der Förderung ihrer Gesundheit verschrieben haben.

    Das Fazit des Kieler und Dresdner Forschungsteams: Subtile Gesundheitshinweise bei weniger gesundheitsbewussten Verbraucherinnen und Verbrauchern, welche häufig Ziel von Gesundheitskampagnen sind, können sogar das Gegenteil bewirken. Statt aufgrund des visuellen Gewichts heller Farben Gesundheit auszustrahlen, nähren ‚leichte‘ Designelemente gerade bei diesen Verbraucherinnen und Verbrauchern Zweifel am Geschmack, bevor sie sich mit dem Produkt überhaupt näher befassen. Außerdem könnten gerade die gesundheitsbewussteren unter ihnen getäuscht werden, wenn helle Verpackungen einen vermeintlich gesunden (ersten) Eindruck vermitteln. Selbst für Zigaretten werden gern ‚leichte‘ Farben genutzt. „Der kaufprägende Einfluss auch vermeintlich kleiner und unscheinbarer Designelemente ist deshalb nicht zu unterschätzen. Sind konkreten Gesundheitsaussagen, wie ‚30 Prozent weniger Fett‘, bereits jetzt bei der Vermarktung relativ strenge rechtliche Grenzen gesetzt, ist dies bei subtilen Verpackungselementen (noch) nicht der Fall“, ergänzt Claudia Symmank.

    Originalpublikation:
    Mai, R.; Symmank, C.; Seeberg-Elverfeldt, B. (2016): Light and Pale Colors in Food Packaging: When Does This Package Cue Signal Superior Healthiness or Inferior Tastiness?, Journal of Retailing, in press. http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0022435916300379

    Kontakt:
    PD Dr. Robert Mai
    Professur für Marketing
    Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
    Telefon: 0431/880-3614
    E Mail: robert.mai@bwl.uni-kiel.de

    Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
    Presse, Kommunikation und Marketing, Dr. Boris Pawlowski, Redaktion: Claudia Eulitz
    Postanschrift: D-24098 Kiel, Telefon: (0431) 880-2104, Telefax: (0431) 880-1355
    E-Mail: presse@uv.uni-kiel.de, Internet: www.uni-kiel.de
    Twitter: www.twitter.com/kieluni, Facebook: www.facebook.com/kieluni


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-kiel.de/pressemeldungen/index.php?pmid=2016-340-verpackungen


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Medien- und Kommunikationswissenschaften, Psychologie, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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