Politikwissenschaftler der Universität Jena veröffentlicht neues Buch zur Europäischen Umweltpolitik
Jena (08.07.03) Die Umweltpolitik ist trauriger Spitzenreiter, wenn es um die europaweite Umsetzung von Gesetzesvorgaben geht. Die Vielschichtigkeit nationaler Interessen sowie die verschiedenen Verwaltungs- und Rechtssysteme erschweren die Durchsetzung einheitlicher Umwelt-Richtlinien. "Relativ offene und vage Formulierungen, die in unklaren rechtlichen Vorgaben für die Mitgliedsstaaten resultieren, hemmen die praktische Umsetzung", verdeutlicht Prof. Dr. Christoph Knill. Der Politikwissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat untersucht, wie die Europäische Union (EU) bestimmte Richtlinien z. B. zur Abgasemission oder Kontrolle der Wasserqualität durchzusetzen versucht. Seine Erkenntnisse über die Steuerungsprobleme und Regulierungsmuster im komplexen "Mehrebenensystem Europa" sind jetzt als Buch unter dem Titel "Europäische Umweltpolitik" im Verlag Leske+Budrich erschienen.
"Lange hat die EU-Kommission nach hierarchischem Muster gewirkt, von oben Richtlinien vorgegeben, die die Beamten im jeweiligen Land umsetzen sollten", erklärt Knill. Doch sie regulierte so oftmals an den geografischen, politischen und regionalen Gegebenheiten und Bedürfnissen des Mitgliedsstaaten vorbei und nahm ihnen den Handlungsspielraum. Die Folge: Richtlinien wurden gar nicht oder nur unvollständig umgesetzt. In den letzten Jahren hat der Jenaer Politikwissenschaftler jedoch einen Wandel in der EU-Steuerungsphilosophie ausgemacht. Um die Handlungsspielräume der EU-Mitglieder zu erweitern, werden nun z. B. flächendeckende Grenzwerte für bestimmte Umweltmedien vorgegeben, die im Durchschnitt nicht überschritten werden dürfen. Durch welche angemessene Maßnahme das Mitgliedsland den Grenzwert einhält, bleibt ihm überlassen. Um dies besser kontrollieren zu können, wurden gleichzeitig Maßnahmen beschlossen, die den Bürgern den freien Zugang zu umweltrelevanten Daten sichern.
"Der Druck von unten als Mittel zur Durchsetzung von europäischen Umweltzielen", beschreibt Knill das Vorgehen. Allerdings tut man sich gerade in Deutschland mit der Herausgabe der Daten schwer. Der EU-Kommission liegen viele Beschwerden vor, die die Verzögerungstaktiken deutscher Behörden beklagen. "Zum Teil wurden übermäßig hohe Verwaltungsgebühren verlangt", so Knill. Diese Beschwerden von Seiten der Bevölkerung, insbesondere nationaler Umweltorganisationen über die Nichteinhaltung bestimmter Vorgaben an die Kommission, seien derzeit der einzige verlässliche Indikator dafür, ob Regelungen in der Praxis umgesetzt werden. "Dabei ist es nicht grundsätzlich so, dass Verwaltungen die Maßnahmen bewusst schlecht umsetzen." Knill zitiert einen Fall, bei dem es um extrem strenge Werte für die Trinkwasserqualität ging, die jedoch mit den vorhandenen Technologien unmöglich nachgewiesen werden konnten.
Obwohl sich die deutschen Beamten mit der Herausgabe von Daten an die Bürger schwer tun, plädiert der Jenaer Politikwissenschaftler für das offene Steuerungsmodell mit Druck von unten. Es bietet seiner Ansicht nach für die Mehrzahl der Staaten Vorteile. "Hier liegt ganz klar eine zentrale Aufgabe der Politikwissenschaftler, Anregungen zu geben, welches die sinnvollste Form politischer Steuerung ist, um europäische Richtlinien, nicht nur in der Umweltpolitik am effektivsten umzusetzen". In seinem aktuellen Projekt "Environmental Governance in Europe: The Impact of International Institutions and Trade on Policy Convergence" widmet sich Knill der Frage, ob in Mehrebensystemen die Gefahr eines Wettlaufs nach unten besteht - also angesichts vieler unterschiedlicher Interessen und dem durch wirtschaftliche Integration induzierten Systemwettbewerb nur der kleinste gemeinsame Nenner eine Chance hat umgesetzt zu werden.
Christoph Knill: "Europäische Umweltpolitik. Steuerungsprobleme und Regulierungsmuster im Mehrebenensystem", Leske+Budrich, Opladen 2003, 232 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 3-8100-3761-3
Kontakt:
Prof. Dr. Christoph Knill
Institut für Politikwissenschaft der Universität Jena
Ernst-Abbe-Platz 8, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 945450, Fax: 03641 / 945432
E-Mail: Christoph.Knill@uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Meer / Klima, Politik, Recht, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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