Braunschweiger „Antikörper Ingenieure“ wollen bessere Medikamente ermöglichen
Eine neue Methode zur Erzeugung von Antikörper-Medikamenten im Reagenzglas haben Forscher aus Braunschweig entwickelt. Anders als bisherige Verfahren kommt sie ohne die Nutzung von Versuchstieren aus. Nun wollen die Wissenschaftler auf der Basis dieser Methode die Infektionskrankheit Diphtherie bekämpfen. Partner in dem Projekt ist die Tierschutzorganisation PETA International Science Consortium Ltd. (PISC).
Der erste Medizin-Nobelpreis ging an Emil von Behring für die Herstellung eines Antiserums gegen Diphtherie-Toxin. Dieses weltweit erste Antikörper-Medikament hat seither zahllosen Patienten, insbesondere Kindern, das Leben gerettet. Mittlerweile werden solche Seren in Deutschland nicht mehr benötigt, da man hier effektiv impfen kann. Dennoch haben weltweit immer noch viele Menschen keinen Impfschutz. Dort wird das Antiserum weiterhin benötigt. Wie schon zu von Behrings Zeiten wird es dafür immer noch in Pferden erzeugt. Dabei werden die Tiere mit dem Toxin immunisiert und anschließend die vom Tier produzierten Antikörper durch Blutabnahme gewonnen.
Die Verwendung rein menschlicher Antikörper wäre für die Erkrankten besser, denn die Pferde-Eiweiße des bisher verwendeten Antiserums können Nebenwirkungen erzeugen (Serumkrankheit). Auch wären bei der Verwendung menschlicher Antikörper keine Tierversuche an Pferden mehr notwendig. Beide Vorteile vereinigt das Ziel eines Projektes eines internationalen Konsortiums, in dem die Technische Universität Braunschweig eine Schlüsselrolle spielt. In der Abteilung Biotechnologie sollen dazu menschliche Antikörper gegen Diphtherie komplett im Reagenzglas hergestellt werden. Gefördert wird das Projekt aus Mitteln der PETA International Science Consortium Ltd. (UK) mit 134.000 Euro über eine Laufzeit von drei Jahren.
Projektleiter Prof. Dr. Michael Hust vom Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik, dem es gelang, dieses Projekt zu initiieren und nach Braunschweig zu holen, sagt: „Wir freuen uns, dass wir mit unserer Technologie, dem Antikörper-Phagen-Display, beitragen können, ein weltweites Gesundheitsproblem anzugehen. Das Projekt baut direkt auf unsere Erfolge bei Entwicklung menschlicher Antikörper zur Neutralisierung anderer Bakteriengifte, wie Botulinum Toxin (Botox) und insbesondere der Toxine von Clostridium difficile auf, welche wir dank der Förderung durch das Land Niedersachsen im CDiff Konsortium erreicht haben.“
Biotechnologe Prof. Dr. Stefan Dübel, Leiter des Instituts und Mit-Erfinder des Antikörper-Phagen-Displays, kommentiert dazu: „Wir haben langjährige Erfahrungen mit der Erforschung von Technologien zur Antikörperentwicklung im Reagenzglas. Nun freuen wir uns, dass auch unser Einsatz für Komplettersatzmethoden für Tierversuche in der Antikörperherstellung durch PETA anerkannt und auch außerhalb der Fachkreise international sichtbar wird.“
Die in Braunschweig entwickelten menschlichen Antikörper sollen zukünftig gentechnologisch komplett im Bioreaktor hergestellt werden und könnten dadurch den Einsatz von Pferden für die Herstellung des Medikaments weltweit beenden.
Über Antikörper
Antikörper sind die wichtigsten Abwehrstoffe unseres Immunsystems. In Medizin und der biologischer Forschung nutzt man unzählige dieser sogenannten "Immunglobuline" als hochsensitive Sonden zur biochemischen Analyse und der Erforschung von Zellen und Geweben. Auch für sehr viele diagnostische Tests werden Antikörper benötigt. Bei vielen Erkrankungen, wie zum Beispiel Krebs oder Autoimmunerkrankungen werden Antikörper therapeutisch eingesetzt, und sie stellen heute die weltweit umsatzstärkste Klasse von Medikamenten dar. Bisher wurden Antikörper vor allem durch Impfung und nachfolgendes Ausbluten von Versuchstieren hergestellt. Mithilfe von Gentechnologie könnten sie allerdings heute komplett im Reagenzglas hergestellt werden - auf diese Weise können insbesondere auch für Patienten verträglichere, komplett menschliche Antikörper erzeugt werden.
Über Diphtherie
Diphtherie ist eine ansteckende Infektionserkrankung. Der Erreger, Corynebacterium diphtheria, bewirkt eine Infektion der Atemwege. Das sekretierte Diphtherie-Toxin zerstört die Lungenzellen und es kann zu einem lebensbedrohenden Verschluss der Atemwege kommen. Besonders Kinder sind davon betroffen. In Deutschland kommt die Erkrankung aufgrund von Schutzimpfungen nur noch sehr selten vor.
Über die Biotechnologie an der TU Braunschweig
Die Abteilung Biotechnologie des Instituts für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik bearbeitet vielfältige Forschungsthemen rund um die Erzeugung, Nutzung und Verbesserung von menschlichen Antikörpern im Bereich der Infektionsforschung, Diagnostik und Wirkstoffentwicklung. Dabei werden modernste Methoden der Gentechnologie genutzt, welche insbesondere auch einen Komplettersatz von Tierversuchen zur Antikörperherstellung ermöglichen.
Kontakt
Prof. Dr. Michael Hust
Technische Universität Braunschweig
Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik
Abteilung Biotechnologie
Spielmannstraße 7
38106 Braunschweig
Tel.: 0531 391-5760
https://magazin.tu-braunschweig.de/pi-post/anti-diphtherie-wirkstoffe-zukuenftig...
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
Deutsch
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