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28.09.1998 00:00

Forschungspreis der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft verliehen

Ingrid Godenrath Stabsstelle Zentrale Kommunikation
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

    Über den Vater des modernen indischen Romans

    Hans Harder heißt einer der beiden Forschungspreisträger 1998 der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. Ausgezeichnet wird er für seine in englischer Sprache verfaßte Dissertation zum Thema "Bankimchandra Chattopadhyay's Srimadbhagavadgita: Translation and Analysis". Die Arbeit wurde am Institut für Indologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg von Rahul Peter Das, Professor für Neuindische Philologie, betreut und im Jahre 1997 fertiggestellt. Den mit DM 5000 dotierten Preis teilt Hans Harder mit Claudia Preckel von der Ruhr-Universität Bochum. Die Preisverleihung erfolgt anläßlich des 27. Deutschen Orientalistentages am 28.9.1998 in Bonn.

    Bankimchandra Chattopadhyay (anglisiert: Chatterjee) (1838-1894), oft als "Vater des modernen indischen Romans" apostrophiert, war nicht nur einer der bedeutendsten bengalischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, sondern auch einer der wichtigsten geistigen Väter des indischen Nationalismus, insbesondere des Nationalismus "hinduistischer" Prägung. Seine hohe westliche wie traditionelle Bildung ermöglichte es ihm, ein Gedankengebäude zu errichten, das gerade die damals in ganz Südasien tonangebenden, bengalischen gebildeten Schichten ansprach. Im Rahmen der heutigen, teilweise recht gewalttätigen Entwicklung in Indien nehmen die während jener Phase der indischen Geschichte geborenen Ideen einen wichtigen Platz ein. Deshalb finden Bankimchandra Chattopadhyay und sein Werk wieder verstärkt Beachtung, nicht nur in der heutigen indischen Union selbst, sondern auch im benachbarten Bangladesch und im angelsächsischen Ausland.
    Obwohl Bankimchandra Chattopadhyay sich auch des Englischen bediente, war sein bevorzugtes literarisches Medium doch das Bengalische. Dennoch hatten seine Ideen weit über Bengalen hinaus Einfluß. Die Bezugnahme auf traditionelle religiöse Werke, insbesondere auf die in Sanskrit verfaßte Bhagavadgita, dient noch heute als Muster für ähnliche Versuche im Bereich der aktuellen politischen Diskussion in Indien und der Auseinandersetzung mit dem Westen. Dabei spielen die Instrumentalisierung und moderne Umdeutung der altindischen Kultur und ihrer geistigen Erzeugnisse eine wesentliche Rolle.
    Bankimchandra Chattopadhyay ist einer der ersten Inder, die sich sowohl mit der westlichen Indologie als auch mit der traditionellen Exegese auseinandergesetzt hat. Wichtig ist dies vor allem im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Diskussion zum Neohinduismus, die unter anderen auch der deutsche Indologe Paul Hacker initiierte.
    Doch obwohl sich schon mehrere Generationen von Forschern mit Bankimchandra Chattopadhyay und seinem Werk befaßt haben, sind diese Aspekte seines Wirkens nur selten zur Sprache gekommen und blieben im Westen so gut wie unbekannt. Eine wirklich kritische Untersuchung seines Verständnisses der traditionellen Schriften fehlte bisher fast völlig.
    So wird deutlich, wie wichtig eine Studie wie die von Hans Harder für unser Verständnis der Entwicklungen nicht nur in Britisch-Indien, sondern auch in der heutigen indischen Union ist. Der Preisträger hat in seiner Dissertation nicht nur Bankimchandra Chattopadhyays Bhagavadgita zum ersten Male vollständig aus dem Bengalischen übersetzt, sondern sein Werk - unter Einbeziehung der geistigen Quellen der Ideen dieses Autors - auch kritisch analysiert.

    Charakteristisch für die Arbeit von Hans Harder sind erstens der Blick auf die historische Dimension von Bankimchandra Chattopadhyays Schaffen, aus der ersichtlich wird, daß man Entwicklungen im modernen Indien ohne Kenntnisse des alten Indiens nur schwer verstehen kann, und zweitens die Berücksichtigung des sozialen und ideengeschichtlichen Umfelds im kolonialzeitlichen Bengalen, das das Haupttor für das Eindringen westlicher Ideen nach Südasien darstellte.
    Die Martin-Luther-Universität ist eine der wenigen deutschen Universitäten, die neben einer Professur für das Studium der klassischen südasiatischen Kultur auch eine eigene Professur für das Studium der Kultur des neuzeitlichen Südasiens eingerichtet haben. Es wird Wert gelegt sowohl auf Kultur und Geschichte dieses Raumes als Gesamtheit als auch auf einen interdisziplinären Forschungsansatz.
    Die Auszeichnung von Hans Harder durch die Deutsche Morgenländische Gesellschaft sollte jedoch nicht nur als Anerkennung für den Promovenden selbst angesehen werden, sondern zugleich als Bestätigung für die Zukunftsträchtigkeit des institutionellen Konzepts, das in nicht unerheblichem Maße auf das Wirken des Emeritus Johannes Mehlig zurückgeht, dem als Anerkennung für seine Lebensleistung auf dem Gebiet der Indologie 1998 der Friedrich-Weller-Preis der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig verliehen wurde.

    Ansprechpartner:
    Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
    Fachbereich Kunst- und Altertumswissenschaften
    Institut für Indologie
    Prof. Dr. Rahul Peter Das
    06099 Halle (Saale
    Tel.: (0345) 552 36 52
    Fax: (0345) 552 72 26
    e-mail: das@indologie.uni-halle.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Religion, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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