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15.07.2003 16:29

Zellwucherungen in der Hormon-Schaltzentrale

Dr. Annette Tuffs Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Heidelberg

    Neue Schwerpunkte der Heidelberger Neurochirurgie: Operation der Hirnanhangdrüse und Behandlung von Schädel-Hirn-Verletzungen

    Die Heidelberger Neurochirurgische Universitätsklinik setzt neue Akzente in ihrem breiten Therapiespektrum bei der chirurgischen Behandlung von Tumoren der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) und von Patienten mit Schädel-Hirn-Verletzungen. Diese Bereiche sind wesentlich gestärkt worden durch die Berufung von Prof. Dr. Andreas Unterberg, der im April 2003 als Ärztlicher Direktor die Leitung der Klinik von Prof. Dr. Stefan Kunze übernommen hat, der in den Ruhestand getreten ist. Der als Kliniker und Wissenschaftler international ausgewiesene Prof. Unterberg wird darüber hinaus die Tradition der ausgewiesenen Heidelberger Tumor-Neurochirurgie fortsetzen.

    Bei der Hypophyse handelt es sich um ein kleines bohnenförmiges Organ, das unter den Sehnerven gelegen ist und mehrere Hormone produziert. Es stellt die Schaltstelle zwischen Gehirn und Hormonsystem dar. Hypophysen-Tumoren sind fast immer gutartige Wucherungen von Drüsenzellen; sie treten vor allem ab dem dritten Lebensjahrzehnt auf. In Deutschland erkranken jährlich etwa 2.000 Menschen an einem Hypophysen-Adenom. Frühe Warnsignale sind bei Frauen Störungen ihres hormonellen Zyklus; bei Männern machen sich Tumoren oft erst in einem späteren Stadium bemerkbar. Beschwerden löst vor allem die hormonelle Überproduktion des Tumors hervor. So kann es beispielsweise zum Morbus Cushing kommen, wenn das Hypophysen-Hormon ACTH und damit auch Cortison im Übermaß ausgeschüttet wird. Andererseits können die Zellwucherungen die Produktion anderer Hormone drosseln, so dass ein sehr differenziertes Beschwerdebild entsteht.

    Der Tumor wird selektiv mit schonenden Operationsverfahren entfernt

    Die meisten Tumoren können nicht mit Medikamenten behandelt werden. "Etwa 90 Prozent der Tumoren werden mit minimal-invasiver Technik durch die Nase entfernt", erklärte Prof. Unterberg heute bei einer Pressekonferenz in Heidelberg. Ist der Tumor besonders groß und ungünstig gelegen, müsse der Schädel eröffnet werden. In der Regel gelinge es, die wuchernden Zellen unter dem Operationsmikroskop spezifisch zu identifizieren und selektiv zu entfernen.

    "Durch diesen minimal-invasiven Eingriff, der nur ein geringes Risiko birgt, können die Patienten geheilt werden", sagte Prof. Unterberg. Derzeit werden in Heidelberg jährlich etwa 40 Patienten mit Hypophysentumoren operiert. Diese Zahl soll - in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel - an der Medizinischen Klinik auf ca. 100 pro Jahr erhöht werden. Zweiter neuer Schwerpunkt ist die Versorgung von Patienten mit einem Schädel-Hirn-Trauma (SHT). In Deutschland erleiden jährlich ca. 70.000 Menschen derartige Verletzungen; etwa 20 Prozent sterben an den Folgen der Verletzungen, weitere 20 Prozent bleiben schwerbehindert, leiden z.B. am "apallischen Syndrom" mit permanentem Bewusstseinsverlust. Das SHT ist die häufigste Todesursache von Erwachsenen vor dem 45. Lebensjahr.

    Schädel-Hirn-Verletzungen können sehr unterschiedliche Formen und Schweregrade haben. Dazu gehören der Schädelbruch, Blutungen in Schädel und Gehirn, Gehirnerschütterungen (Kontusionen) und Verletzungen einzelner Hirnstrukturen. Bei den meisten Patienten werden Gehirnbereiche mangelhaft mit Sauerstoff versorgt, es entwickeln sich "ischämische Läsionen", die im Untergang von Nerven- und Stützzellen des Gehirns enden können. Außerdem kommt es häufig zum Hirnödem, einer Anschwellung des Gehirngewebes, die von einem erhöhten Hirndruck begleitet ist und wiederum die Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Gehirns gefährdet.

    Wie kann sich das Gehirn von einem Schädel-Hirn-Trauma erholen?

    Ein weiterer wissenschaftlicher und klinischer Schwerpunkt von Prof. Unterberg und seinem Forschungsteam sind die Auswirkungen von SHT und anderen Durchblutungsstörungen auf das Gehirn und die Regeneration der Gehirnfunktion nach einem Sauerstoffmangel (Ischämie). Das breite Spektrum bildgebender Verfahren wie CT und MRT erlaubt eine detaillierte Darstellung der geschädigten Strukturen sowie beschränkte Funktionsanalysen.

    Mittlerweile können aber auch chemische und physiologische Veränderungen in den Nervenzellen und ihren Zwischenräumen dargestellt werden. Als Folgeerscheinung eines schweren SHT oder einer Blutung unter der Hirnhaut (Subarachnoidalblutung) ist die Konzentration von Neurotransmittern (Nervenüberträgerstoffen), Elektrolyten wie von Kalium und Natrium verändert. Diese können direkt im Gehirn gemessen werden. Mit Hilfe der sogenannten "Mikrodialyse" werden verschiedene wichtige Parameter bestimmt, u.a. Harnstoff, exzitatorische Aminosäuren (z.B. Glutamat), Elektrolyte (z.B. Kalium), Laktat und Glukose. Prof. Unterberg und seine Mitarbeiter konnten z.B. zeigen, dass bestimmte Nervenüberträgerstoffe vor einem Untergang der Nervenzellen schützen können. Sie nehmen derzeit an einer großen europäischen Studie teil, die untersucht, welche Messgrößen für die Verlaufsbeobachtung nach SHT entscheidend sind.

    Adulte Stammzellen als Perspektive für die Erholung vom Schädel-Hirn-Trauma ?

    Bislang gibt es jedoch noch keine therapeutische Möglichkeit, mit Hilfe von Medikamenten oder anderen Maßnahmen wie einer Unterkühlung den Abbau der Nervenzellen nach einem SHT zu stoppen. Schwere SHT haben gravierende Auswirkungen auf den Neurotransmitter-Haushalt, führen zu Elektrolyt-Verschiebungen, sowie zur Entzündung mit Bildung von freien Radikalen. Diese Veränderungen tragen auch zum passiven (Nekrose) und aktiven (Apoptose) Untergang von Nerven- und Stützzellen in den betroffenen Gehirnarealen bei. Auf Grund dieser pathophysiologischen Veränderungen wurden in den letzten Jahren mehrere Studien, u.a. mit Azetylcholin-, Glutamat- sowie Kalziumantagonisten, Barbituraten durchgeführt, die jedoch nicht den erhofften Erfolg erbrachten. Eine Alternative bieten möglicherweise adulte Stammzellen, die das Hirngewebe regenerieren könnten. In der Heidelberger Neurochirurgischen Klinik wird derzeit ein Labor eingerichtet, dass den Einsatz der potenten Zellen in Tierexperimenten untersucht.

    Ansprechpartner: Prof. Dr. Andreas Unterberg: 06221 / 566301 (Sekretariat)

    Diese Pressemitteilung ist auch online verfügbar unter www.med.uni-heidelberg.de/aktuelles/


    Weitere Informationen:

    http://www.med.uni-heidelberg.de/aktuelles/


    Bilder

    Prof. Dr. Andreas Unterberg, Ärztlicher Direktor der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. / Foto: Universitätsklinikum Heidelberg.
    Prof. Dr. Andreas Unterberg, Ärztlicher Direktor der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelber ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Andreas Unterberg, Ärztlicher Direktor der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. / Foto: Universitätsklinikum Heidelberg.


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