idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
01.03.2017 10:34

Zika-Viren bauen Wirtszellen zu „Virus-Fabriken“ um

Julia Bird Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Heidelberg

    Wissenschaftler des Heidelberger Universitätsklinikums zeigten in einer aktuellen Veröffentlichung neue Einblicke in Zellen, die vom Zika-Virus befallen sind. Die Viren bauen Zellbestandteile so um, dass dort „Fabriken“ zur massenhaften Virusvermehrung entstehen. Die Entdeckungen könnten neue Ansätze zur Behandlung von Zika-Virusinfektionen und damit zum Schutz von Embryonen ermöglichen. Die Forschungsergebnisse wurden jetzt in der bekannten Fachzeitschrift „Cell Reports“ veröffentlicht.

    Wie das Zika-Virus die Kontrolle über Zellorganellen menschlicher Leberzellen und Nerven-Stammzellen übernimmt, zeigten Wissenschaftler der Abteilung „Molekulare Virologie“ am Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg mit Licht- und Elektronenmikroskopie. Dabei stellten sie fest, dass die beiden bekannten Stämme des Virus ihre Wirtszellen so umbauen, dass darin „Fabriken“ zur Vermehrung der Krankheitserreger entstehen. „Diese Strukturen entsprechen denjenigen, die wir bereits vom fieberauslösenden Dengue-Virus kennen. Beide Virus-Arten sind extrem nah verwandt“, sagt Prof. Ralf Bartenschlager, Direktor der Abteilung „Molekulare Virologie“ und Senior-Autor der neuen Studie.

    Wie das Dengue-Virus kapert das Zika-Virus das sogenannte Endoplasmatische Reticulum, ein mit dem Zellkern verbundenes Membransystem, in dem Eiweiße entstehen. Die Viren nisten sich dort ein, vermehren ihr Erbgut in geschützten Membranbläschen, die sie am Endoplasmatischen Reticulum hervorrufen und bilden über verschiedene Zwischenschritte neue, fertig verpackte Nachkommen. Das Besondere am Zika-Virus ist jedoch, dass es außerdem auf einzigartige Weise das „innere Gerüst“ der Zelle – das sogenannte Zytoskelett – umgestaltet. Die Bestandteile des Zytoskeletts haben vielfältige Aufgaben: Sie kontrollieren beispielsweise Form, Wachstum und Bewegung der Wirtszellen, sorgen für mechanischen Halt und koordinieren Transportvorgänge in der Zelle. „Zika-Virusinfektionen verursachen eine drastische Störung dieses Netzwerkes in den Zellen. Sie verwandeln die normalerweise locker verteilten Elemente in eine Art Käfig, der ihre Vermehrungszentren umgibt", so Bartenschlager.

    Das Zytoskelett – ein unfreiwilliger Helfer der Zika-Viren?
    Die interessante Frage für die Forscher ist nun, wozu dieser zellinnere Umbau eigentlich dient. Handelt es sich um eine reine Verdrängung der Zellorganellen durch das Wachstum der „Virus-Fabriken“? Prof. Ralf Bartenschlager vermutet, dass mehr dahinter steckt: „Wir nehmen an, dass das Zytoskelett eine aktive Rolle bei der Vermehrung der Viren spielt. Es könnte zum Beispiel bestimmte Stoffe transportieren, die die Viren benötigen. Möglich wäre auch eine Art Schutzfunktion vor Angriffen durch das körpereigene Immunsystem, das die Zelle überwacht und fremdes Erbgut zerstört.“

    Das Zika-Virus ist bereits seit 1947 bekannt, geriet aber erst im Jahr 2015 in den Fokus der weltweiten Aufmerksamkeit, als ein Zusammenhang von Zika-Virusinfektionen und Schädigungen von Neugeborenen in Lateinamerika hergestellt wurde. Zika-Viren infizieren nur bestimmte Zelltypen, unter anderem die Vorläufer von Nervenzellen in Embryonen. „Das Zytoskelett hat eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Nervenzellen", sagt Dr. Mirko Cortese, Erstautor der Studie. „Möglicherweise stehen die durch das Zika-Virus im Zytoskelett ausgelösten Veränderungen in einem Zusammenhang mit der Mikrozephalie und den neurodegenerativen Störungen, die bei einer angeborenen Zika-Virusinfektion vorliegen.“

    Ein Krebsmedikament hemmt in Zellkultur die Vermehrung der Viren
    Die Forscher wollen nun in Tiermodellen untersuchen, ob bestimmte Medikamente, die die Aktivität des Zytoskeletts hemmen, auch gegen Zika-Viren wirken. Im Fokus stehen hier Substanzen wie Paclitaxel aus der Rinde von Eiben, das eigentlich zur Behandlung verschiedener Krebsarten eingesetzt wird und auch in der Spätphase der Schwangerschaft sowie während des Stillens eingenommen werden kann. „In unseren Zellkulturen hat sich bereits gezeigt, dass es eine Verbindung zwischen der Dynamik des Zytoskeletts und der Zika-Virus-Vermehrung gibt. Wir hoffen daher, dass wir neue Wege für eine Behandlung identifizieren können“, sagt Ralf Bartenschlager.

    Prof. Ralf Bartenschlager forscht und lehrt seit 2002 an der Universität Heidelberg und wurde für seine Forschungen wiederholt ausgezeichnet. So erhielt er 2016 den Lasker-DeBakey-Preis - die höchste Auszeichnung der USA für klinisch-medizinische Forschung - und vor wenigen Wochen den mit 150.000 Euro dotierten Wissenschaftspreis der Hector Stiftung.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Ralf Bartenschlager
    Universität Heidelberg
    +49 (0) 6221 564225
    Ralf.Bartenschlager@med.uni-heidelberg.de

    Literatur:
    Cell Reports, Cortese et al.: “Ultrastructural characterization of Zika virus replication factories” http://www.cell.com/cell-reports/fulltext/S2211-1247(17)30179-1 DOI: 10.1016/j.celrep.2017.02.014


    Weitere Informationen:

    https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Molekulare-Virologie.5926.0.html Molekulare Virologie am Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg
    https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Molecular-Virology.104862.0.html Molecular Virology
    http://www.dzif.de/ Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
    http://www.cell.com/cell-reports Cell reports


    Bilder

    Zytoskelett (rot) in normaler (li) und mit Zika-Virus infizierter Leberzelle (re). Grüne Punkte: virale Vermehrungsfabriken, die sich nahe Zellkern (blau) anhäufen und vom Zytoskelett umgeben sind.
    Zytoskelett (rot) in normaler (li) und mit Zika-Virus infizierter Leberzelle (re). Grüne Punkte: vir ...
    Quelle: M. Cortese und R. Bartenschlager, Zentrum für Infektiologie, Molekulare Virologie, Universitätsklinikum Heidelberg.


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Zytoskelett (rot) in normaler (li) und mit Zika-Virus infizierter Leberzelle (re). Grüne Punkte: virale Vermehrungsfabriken, die sich nahe Zellkern (blau) anhäufen und vom Zytoskelett umgeben sind.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).