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17.07.2003 11:58

Bis an die Grenzen gehen - auch mit Behinderung

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

Sportpsychologin der Universität Jena vergleicht Karrieren von behinderten und nichtbehinderten Sportlern

Jena (17.07.03) Sie suchen Spaß und Grenzerfahrungen, wollen fit bleiben und ihre Kräfte messen - gefragt, warum sie Sport treiben, nennen fast alle Leistungssportler diese Gründe. Ob die Frage einem behinderten oder nichtbehinderten Athleten gestellt wird, spielt dabei keine Rolle: Die Antwort ist in beiden Fällen die Gleiche. So lautet eins der überraschenden Forschungsergebnisse von PD Dr. Reinhild Kemper. Die Sportwissenschaftlerin von der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat in ihrer Habilitation die Karrieren von körper- und sinnesbehinderten sowie nichtbehinderten Leistungssportlern untersucht - und dabei u. a. Motive, Selbstbilder und soziale Anerkennung der Athleten miteinander verglichen.

Vergleichende Studien zu Karrieren von Athleten mit und ohne Behinderung sind in der Sportwissenschaft bislang noch eine Seltenheit. Diese Forschungslücke wollte Kemper schließen und mit ihrer Untersuchung zugleich die Attraktivität des Leistungssports der Behinderten herausstellen. Denn ob im Handbiking oder im Sitzfußball, im Blindenschwimmen oder in anderen Sportarten: "Die Leistungen behinderter Sportler werden von der Öffentlichkeit immer noch viel zu wenig wahrgenommen und anerkannt", kann die frisch habilitierte Forscherin auf Grund der Athletenaussagen dokumentieren.

Auch über die Schattenseiten ihrer Karrieren sind sich behinderte wie nichtbehinderte Athleten weitgehend einig, lautet ein weiteres Ergebnis der Jenaer Sportler-Studie. Beiden Gruppen fehlt es an Zeit für ihr Privatleben, beide fühlen sich nicht ausreichend sozial abgesichert und beklagen mangelnde finanzielle Unterstützung - wobei die finanziellen Missstände bei den Athleten mit Handicap stärker akzentuiert werden.

Beim Thema Gesundheitsrisiken allerdings gehen die Meinungen auseinander: "Dass Sport nicht nur Spaß, sondern auch krank machen kann, wird von nichtbehinderten Sportlern häufiger angesprochen als von behinderten", so Kemper. Unterschiede zeigen sich ebenfalls in der Selbstwahrnehmung: Athleten mit Behinderung identifizieren sich weniger mit der Rolle des Leistungssportlers als ihre nichtbehinderten Kollegen. Diese wiederum suchen im Sport häufiger die Chance zur Selbstdarstellung.

Kempers Ergebnisse beruhen auf der Auswertung von 40 Interviews und mehr als 400 Fragebögen. Unter den insgesamt 136 behinderten und 312 nichtbehinderten Teilnehmern an der Studie waren zahlreiche Olympia- und Paralympics-Sieger, Welt- und Europameister. "Die Kontakte mit den Probanden habe ich u. a. auf Trainerlehrgängen und über Verbände wie die Stiftung Deutsche Sporthilfe (DSH) und den Deutschen Behindertensportverband (DBS) geknüpft", erzählt Kemper. Ihr prominentester Gesprächspartner, der zwar kein Leistungssportler ist, aber seit einem Attentat im Oktober 1990 querschnittsgelähmt und dennoch aktiver Breitensportler: CDU-Politiker Wolfgang Schäuble.

Gefreut hat sich Kemper über die professionelle Anerkennung, die behinderte Sportler bei ihren nichtbehinderten Kollegen finden. Mit der mangelnden Akzeptanz des Behinderten-Leistungssports in der Öffentlichkeit waren beide Gruppen unzufrieden. "Damit sich hier etwas ändert, sollten behinderte Sportler stärker in den Medien präsent sein", fasst Kemper die Verbesserungsvorschläge ihrer Gesprächspartner zusammen. Außerdem regt die Jenaer Sportwissenschaftlerin an, Kinder frühzeitig über Behinderungen aufzuklären. "Sie lernen dann, dass bei einem Menschen nicht zählt, was er nicht kann, sondern was er kann - und das", unterstreicht Kemper, "ist gerade bei Athleten mit körperlichen Beeinträchtigungen oft ungeheuer viel." Eine gute Gelegenheit zur Aufklärung bieten die Olympischen Spiele der Behinderten, die Paralympics, die im nächsten Jahr nach den Olympischen Spielen ebenfalls in Athen stattfinden.

Kontakt:
PD Dr. Reinhild Kemper
Institut für Sportwissenschaft der Universität Jena
Abteilung Sportpsychologie/Sportmotorik
Seidelstr. 20, 07749 Jena
Tel.: 03641 / 945695 und 02952 / 3799 (priv.)
Fax: 03641 / 945691
E-Mail: s9kere@uni-jena.de


Bilder

Die Jenaer Sportwissenschaftlerin Reinhild Kemper mit einem weiteren prominenten Teilnehmer ihrer Studie: dem Skispringer Jens Weißflog. (Foto: privat)
Die Jenaer Sportwissenschaftlerin Reinhild Kemper mit einem weiteren prominenten Teilnehmer ihrer St ...

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Ergänzung vom 17.07.2003

Die korrekte Telefonnummer, unter der PD Dr. Reinhild Kemper derzeit zu erreichen ist, lautet: 02925 / 3799.


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Psychologie, Sportwissenschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Die Jenaer Sportwissenschaftlerin Reinhild Kemper mit einem weiteren prominenten Teilnehmer ihrer Studie: dem Skispringer Jens Weißflog. (Foto: privat)


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