Gehen dient nicht allein der Fortbewegung: Die Bewegungsmuster vermitteln Emotionen, verraten Persönlichkeitsmerkmale und lassen Menschen sympathisch oder sexuell anziehend erscheinen. In psychologischen Experimenten trennt PD Dr. Nikolaus F. Troje (Biopsychologie, Fakultät für Psychologie der RUB) die unterschiedlichen Information, die in der Bewegung stecken, und erforscht sie separat. Die Erkenntnisse könnten Ärzten bei der Diagnose oder Filmproduzenten bei Computeranimationen helfen - und sie decken einen Irrtum auf: Nicht alles was Frauen glauben, finden Männer attraktiv.
Bochum, 17.07.2003
Nr. 232
"Cat Walk" und Westernheld
Frauen ahnen nicht, was Männer attraktiv finden
RUBIN 1/03: Biopsychologen erforschen Bewegungsmuster
Gehen dient nicht allein der Fortbewegung: Die Bewegungsmuster vermitteln Emotionen, verraten Persönlichkeitsmerkmale und lassen Menschen sympathisch oder sexuell anziehend erscheinen. In psychologischen Experimenten trennt PD Dr. Nikolaus F. Troje (Biopsychologie, Fakultät für Psychologie der RUB) die unterschiedlichen Information, die in der Bewegung stecken, und erforscht sie separat. Die Erkenntnisse könnten Ärzten bei der Diagnose oder Filmproduzenten bei Computeranimationen helfen - und sie decken einen Irrtum auf: Nicht alles was Frauen glauben, finden Männer attraktiv.
RUBIN mit Fotos im Internet
RUBIN 1/03 inklusive Fotos zum Herunterladen finden Sie im Internet unter: http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rbin1_03/
Psychologen lassen "Strichmännchen" laufen
Im BioMotionLab, einem verdunkelten Raum, bewegen sich dunkel gekleidete Testpersonen, mit reflektierenden Markierungen (Marker) an ihren Trikots: sie gehen, rennen, werfen, setzen sich hin oder heben etwas auf. Neun Kameras zeichnen dabei die Positionen der Marker mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung dreidimensional auf. Die so entstehenden sog. Punktlicht-Displays sehen sich andere Testpersonen auf einem Monitor an. Innerhalb von Sekunden unterscheiden sie bei drei Vierteln der "laufenden Strichmännchen" Männer von Frauen. Die beste Erkennungsleistung zeigt sich bei Frontalansichten. Während die Testperson eine Serie von Punktlicht-Displays betrachtet, messen Elektroden die Hirnströme und liefern damit Informationen, wie das Gehirn funktioniert, wenn es komplexe Bewegungsmuster verarbeitet.
Bewegung sagt mehr als die bloße Figur
Im nächsten Schritt zerlegen die Forscher die Bewegungen in ihre Bestandteile und setzen sie dann künstlich wieder so zusammen, dass nur noch bestimmte Teile der Gesamtinformation ihre Geschlechtsspezifität behalten, andere aber neutral werden. Auf diese Weise lassen sich Merkmale, die für das eine oder andere Geschlecht typisch sind, herausfinden. Es zeigte sich, dass die dynamischen Anteile der Gesamtinformation bei weitem mehr zur Geschlechtserkennung beitragen, als die strukturellen, d.h. die Figur des Strichmännchens allein sagt viel weniger aus, als wenn sie sich bewegt.
Alte Klischees bestätigen sich
Indem die Forscher die Bewegungsmuster in einen mathematischen Raum projizieren, können sie mithilfe von Methoden der Mustererkennung und linearer Statistik die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Laufmustern noch deutlicher machen, sie übertreiben und damit karikieren. Die entstehenden weiblichen und männlichen Karikaturen bestätigen alte Prototypen: Der Supermann zeigt den Gang des Helden im Westernklassiker, die Ellenbogen werden herausgestellt, der Gang ist breitbeinig und die im Gegensatz zu den Hüften sehr breiten Schultern zeigen eine starke seitliche Bewegung. Die Superfrau hingegen zeigt sich schmal, trägt die Ellenbogen nah am Körper, führt kaum seitliche Bewegungen aus, dafür eine starke Drehbewegung der Hüfte.
Hier irrt sich Frau
In einem anderen Experiment sollen die Testpersonen die sexuelle Attraktivität der Punklicht-Displays auf dem Monitor bewerten. Die Ergebnisse sind überraschend. Männer und Frauen bestätigen zwar die beschriebenen Klischees, wenn es um das andere Geschlecht geht. Doch als die Psychologen den weiblichen Testpersonen Punktlicht-Displays ihrer Geschlechtsgenossinnen zeigten und sie nach deren Wirkung auf Männer fragten, irrten sich die Frauen: Indem sie Attraktivität als schwungvolles, aufrechtes und entspanntes Gehverhalten mit einem großen Anteil an vertikalen Bewegungen beschreiben, treffen sie nicht das "typisch weibliche Bild", das Männer bevorzugen. Es stellte sich sogar heraus, dass Männer den sog. "cat walk", mit dem Models über den Laufsteg schreiten, äußerst attraktiv finden.
Vielfältige Anwendungen: Von Medizin bis Kinofilm
Derzeit untersuchen die Biopsychologen anhand welcher Merkmale Menschen identifiziert werden und wie sich verschiedene Gefühle in Bewegungsmustern ausdrücken. Daneben ergeben sich eine Reihe fachübergreifender Anwendungen: Die sensiblen Methoden eignen sich z.B. auch zur frühzeitigen Differentialdiagnose neurologischer Krankheiten, die oft mit Bewegungsstörungen einher gehen. Sie können auch helfen, die Videoanimationen realistischer zu machen. Durch ein besseres Verständnis der Mechanismen visueller Informationsverarbeitung im Gehirn lassen sich Algorithmen entwickeln, auf deren Basis sich künstliche, mit dem Computer erzeugte Charaktere psychologisch überzeugend bewegen könnten.
Weitere Informationen
PD Dr. Nikolaus F. Troje, Biopsychologie, Fakultät für Psychologie, Tel.: 0234/32-24082, EMail: troje@uni-bochum.de
Themen in RUBIN 1/2003
Weitere Themen in RUBIN: Zur Situation im Irak (Gastkommentar von Peter Scholl-Latour); Humanitäre Hilfe im Schatten des Regimewechsels im Irak; Glückliche Maschinen - eine philosophische Betrachtung zu den Maschinen des Künstlers Jean Tinguely; Faszination Diamant: Zauber und Geschichte eines Edelsteins; Das kindliche Gehirn schützen, Nervenzellen ersetzen; Wenn Berührung weh tut - Neue Wege in der Schmerztherapie; Formgedächtnislegierungen - Metalle erinnern sich; Kanal voll: Wenn Bäume in Rohren Wurzeln schlagen; News. RUBIN ist in der Pressestelle der Ruhr-Universität Bochum zum Preis von 2,50 Euro erhältlich.
http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rbin1_03/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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