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29.03.2017 20:00

Vertrauen statt Hass: Wenn Menschen einander kennen, ist Kooperation wahrscheinlicher als Konflikt

Jonas Viering Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

    Wenn zwischen Menschen keine Anonymität herrscht, sondern sie einander kennen, steigt die Wahrscheinlichkeit von Kooperation. Nett sein kann dabei zur Gewinnerstrategie werden, wie jetzt ein Team internationaler Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Science Advances zeigt. Ihre Ergebnisse beruhen auf Experimenten mit einer begrenzten Zahl von Teilnehmern, könnten aber weitreichende Bedeutung haben. Das Verringern von Anonymität könnte sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter helfen, die unter Hass und Falschmeldungen leiden. Und es könnte vielleicht sogar bei Konflikten über Umweltressourcen nützlich sein.

    „Heute scheint es oft, als übertrumpfe Konflikt meist Kooperation, sei es im Internet oder in der Politik – ähnlich ist es in der Evolution, in der Darwins Prinzip der Auslese der Tüchtigeren zur Folge haben sollte, dass der Einzelne nur seinem Eigennutz folgt“, sagt Leit-Autor Zhen Wang von der Nordwestlichen Polytechnischen Universität in Xi’an, China. Obwohl das so scheint, gibt es aber in Natur wie Gesellschaft viel Kooperation. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass hierbei eine Frage entscheidend ist: Kennen sich die Akteure, die da möglicherweise zusammenarbeiten? Wenn sie es tun, dann werden sie mit größerer Wahrscheinlichkeit zusammen zu gewinnen versuchen, statt auf Kosten des jeweils anderen.“

    Gewinner kooperieren – während Bestrafungen eher Vergeltung auslösen

    Die Wissenschaftler ließen 154 Studenten an der Yunnan Universität in China an dem Experiment teilnehmen, das ursprünglich in den 1950er Jahren von US-Mathematikern entwickelt worden war. Die Konstruktion sieht so aus: Zwei Menschen wissen nicht, wie der jeweils andere sich verhält. Sie tun so, als würden sie vor einem Gerichtsprozess verhört. Wenn A gegen B aussagt, profitiert A und bekommt ein milderes Urteil, gleichsam als Kronzeuge. Wenn beide aussagen, werden beide streng verurteilt. Wenn beide nicht aussagen, weil sie darauf vertrauen, dass der oder die andere sich genauso verhält, dann werden beide freigelassen. Die Autoren der neuen Studie haben zusätzlich die Möglichkeit eingebaut, dass die Teilnehmer sich wechselseitig symbolisch bestrafen können, wenn zwei Nicht-Kooperierende aufeinander treffen.

    „In unseren Experimenten trafen die Teilnehmer entweder anonym aufeinander, oder sie kannten sich. Und sie hatten drei Wahlmöglichkeiten: miteinander kooperieren, nicht kooperieren, oder den anderen bestrafen“, sagt Ko-Autor Marko Jusup von der Universität Hokkaido in Japan. „Das Ergebnis: Wenn die Teilnehmer sich gegenseitig kannten, hat das die Häufigkeit von Kooperation deutlich erhöht. Das war dann für diese Teilnehmer auch erfolgreich im Sinne des Experiments – Gewinner sind also nett zueinander.“

    Wenn der eine Teilnehmer den anderen für sein unsoziales Verhalten bestraft, so hatten die Wissenschaftler erwartet, dass dies die Bereitschaft zur Kooperation erhöht. „Wir waren überrascht, dass dies nicht der Fall war“, sagt Jusup. „Die Bestrafung schien eher Vergeltungsgefühle auszulösen, was dann oft zu weiteren Konflikten führte.“

    Die Ergebnisse können relevant sein für Konflikte auf Facebook, aber auch für Konflikte um Umweltressourcen

    Die Autoren betonen, dass es – wie bei jedem Sozialexperiment - schwierig ist, die Ergebnisse außerhalb der gesetzten kontrollierten Bedingungen hochzurechnen. Umfangreiche Computersimulationen auf der Basis einiger überschaubarer Annahmen konnten die Ergebnisse jedoch erfolgreich reproduzieren.

    „Der Geist der Zusammenarbeit und damit die Basis für gesellschaftlichen Zusammenhalt scheint mancherorts zu bröckeln, sei es auf Facebook oder in Gesellschaften, die durch Themen wie Einwanderung gespalten sind – deshalb wollten wir besser verstehen, was Zusammenarbeit verstärken kann“, sagt Ko-Autor Jürgen Kurths vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der Analysen zur statistischen Signifikanz der Ergebnisse beigetragen hat. „Dies könnte auch auf Konflikte um Umweltressourcen anwendbar sein. Wir müssen nun aber das Kontinuum zwischen kompletter Anonymität und großer Vertrautheit mit der jeweils anderen Person noch weiter erforschen. Es wird spannend sein herauszufinden, welche Art von Information, welcher Grad gegenseitiger Anerkennung nötig ist, um Zusammenarbeit zu fördern.“

    Artikel: Zhen Wang, Marko Jusup, Rui-Wu Wang, Lei Shi, Yoh Iwasa, Yamir Moreno, Juergen Kurths (2017): Onymity promotes cooperation in social dilemma experiments. Science Advances [doi:10.1126/sciadv.1601444]

    Weblink zum Artikel, sobald er veröffentlicht ist: http://dx.doi.org/10.1126/sciadv.1601444 oder http://advances.sciencemag.org/

    Kontakt für weitere Informationen:
    Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Pressestelle
    Jonas Viering, Sarah Messina
    Telefon: +49 (0)331 288 2507
    E-Mail: presse@pik-potsdam.de

    Hokkaido University, Global Relations Office
    Naoki Namba
    Telefon: +81-11-706-8034
    E-mail: pr@oia.hokudai.ac.jp


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Mathematik, Meer / Klima, Politik, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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