Leserinnen und Leser lesen fertige literarische Texte. Durchschnittlich sind es rund 60.000 Wörter, die die Spitze des Eisbergs der literarischen Erzählung bilden und veröffentlicht werden. Die Literaturwissenschaflerin Anke Bosse, geht davon aus, dass rund das 10- bis 20-fache an Material entsteht, bis SchriftstellerInnen ihre Werke fertigstellen. Diese ‚Take-Offs‘ sind bisher nur in komplexen Bucheditionen veröffentlicht. Die Editionswissenschaft bedient sich nun immer stärker des Online-Raums, um die Textgenese auch einem breiten Publikum open access zugänglich zu machen. Zu Ansätzen dieser Arbeit findet von 20. bis 22. April 2017 nun in Klagenfurt eine internationale Tagung statt.
Besonders bekannt sind die ‚Take-Offs‘ aus der Filmwelt: So manche Kinobesucherin wartet gespannt auf die Szenen, die es nicht in den eigentlichen Film geschafft haben und die häufig nach dem Abspann gezeigt werden. Ähnliches Interesse an den literarischen Take-Offs beobachten die Literaturwissenschaftlerinnen und –wissenschaftler des Musil-Instituts der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, wie überhaupt, so deren Leiterin Anke Bosse, „das wachsende Interesse an den Prozessen der Textentstehung“. Die Aufmerksamkeit begründe sich unter anderem darin, dass so mancher Leser bzw. so manche Leserin mehr darüber wissen wolle, wie Schreiben funktioniert und mit welchen Strategien der Autor bzw. die Autorin zum fertigen Produkt gelangt.
Bisher waren zur Darstellung der Textgenese die Möglichkeiten zwischen den zweidimensionalen Buchdeckeln beschränkt. „Mit der Digitalisierung eröffnen sich neue Perspektiven, aber auch Herausforderungen“, führt Bosse aus. Die ‚dritte Dimension‘ werde jetzt überhaupt sicht- und erfahrbar dank Hyperlinkstrukturen oder bild- und textgebender Verfahren. Zugleich stünde die digitale Edition vor der Herausforderung, die Qualitäten und Zielsetzungen, die die Buchedition für die Tiefenerschließung der Makro- wie der Mikrogenese literarischer Texte entwickelt hat, medienadäquat in die Möglichkeiten der digitalen Welt zu überführen oder auch zu erweitern. Kurz zusammengefasst: Wie kann es also gelingen, die Entstehung eines 1000-Seiters wie Musils „Mann ohne Eigenschaften“ auf einem Smartphone mit einer Bildschirmfläche von rund 80 Quadratzentimetern darzustellen?
Die Expertinnen und Experten stehen also vor einer großen Herausforderung. Anke Bosse zeigt sich optimistisch: „Idealerweise soll sich dabei ein Darstellungsmodus entwickeln, der dem Benutzer bzw. der Benutzerin der Edition alle Stufen der Genese eines literarischen Textes intuitiver und leichter nachvollziehbar macht, als es das Buchmedium kann.“
Zu diesen Herausforderungen wollen sich Editionswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler von 20. bis 22. April 2017 in Klagenfurt austauschen. Die Tagung legt den Schwerpunkt auf grundsätzliche theoretische und methodische Fragestellungen und sowie auf aktuelle Fallbeispiele, die konkret zeigen, wie sich Textgenese in der digitalen Edition darstellen lässt.
Die Veranstaltung wird in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition ausgerichtet. Das Tagungsprogramm finden Sie unter www.aau.at/musil.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Kulturwissenschaften, Sprache / Literatur
überregional
Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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