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30.07.2003 15:36

Paläopathologen entdecken unbekannte Form der Syphilis

Rita Wilp Stabsstelle Unternehmenskommunikation
Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen

    Internationaler Workshop der amerikanischen Paleopathology Association in Göttingen

    (ukg) Bei dem derzeit stattfindenden Workshop der amerikanischen Paleopathology Association zum Thema "Differential Diagnoses in Ancient Bone Diseases at the Microscopic Level" in Göttingen treffen sich Paläopathologen aus den USA, Mexiko, Schweden, Tschechien, Ukraine, Deutschland und Griechenland. Dabei wird unter anderem die Entdeckung einer bislang unbekannten Form der Syphilis, anhand von Skelettfunden aus dem präkolumbischen Kalifornien, vorgestellt. Es gibt insgesamt zwei Formen der Syphilis, die venerische, durch Geschlechtsverkehr übertragene, und die nicht venerische, die zum Beispiel angeboren ist oder nach der Geburt erworben wird. "Die jetzt entdeckte Form zeigt eine sehr milde knöcherne Verlaufsform der endemischen (örtlich begrenzten) Syphilis, die mikroskopisch allerdings charakteristische Merkmale der venerischen Syphilis der Neuzeit aufweist. Es besteht die Annahme, dass in dieser paläo-indianischen Population, die etwa 4.000 Jahre alt ist, möglicherweise eine Erkrankung vorliegt, aus der sich die heutige endemische Syphilis, die venerische Syphilis und eventuell auch die Frambösie, eine syphilis-ähnliche Infektionskrankheit, entwickelt hat," sagt Prof. Dr. Dr. Michael Schultz, Abteilung Anatomie mit Schwerpunkt Embryologie, Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen, und stellvertretender Präsident der Paleopathology Association.

    Die Paläopathologie ist ein neues wissenschaftliches Arbeitsgebiet, das interdisziplinär zwischen Medizin, Anthropologie (Humanbiologie) und Archäologie angesiedelt ist und sich der Untersuchung archäologischer Skelettfunde widmet, die wertvolles primäres Quellenmaterial im Sinne bio-historischer Urkunden repräsentieren. Die Untersuchungsergebnisse geben detailliert Auskunft über die Lebensbedingungen und den Gesundheitszustand der Menschen vergangener Kulturperioden.

    Bisher erarbeitete Ergebnisse zeigen, dass schon seit der frühen Jungsteinzeit eine deutliche Abhängigkeit zwischen Infektionskrankheiten und Mangelkrankheiten sowie eine Korrelation zwischen der Häufigkeit der am Knochen nachweisbaren Krankheiten (Morbiditätsrate) und der Sterbehäufigkeit (Mortalitätsrate) besteht. Diese Ergebnisse entsprechen in der Regel nicht unsrigen heutigen Bedingungen. Hingegen traten bestimmte Krankheiten, die heute als Zivilisationskrankheiten bezeichnet werden (z.B. metastasierende Krebse), schon in der Jungsteinzeit relativ häufig auf. Seit dem Frühmittelalter kann in Mitteleuropa beim Auftreten von Mittelohr-, Kiefer- und Stirnhöhlenentzündungen sowie von Arthrose eine Abhängigkeit der Häufigkeit des Auftretens von der sozialen Stellung des Individuums (Ober- oder Unterschicht) beobachtet werden.

    Es hat sich ferner gezeigt, dass Art und Häufigkeit der Erkrankungen des Kindesalters als ein sehr sensibler Gradmesser für die Lebensqualität einer vorzeitlichen Population anzusehen sind. Die große Sterblichkeit im Kindesalter von circa 50 bis 70 Prozent steht unter anderem mit dem Auftreten von Erkrankungen der Hirnhäute (z.B. bakterielle Meningitis) in Verbindung. Die große Häufigkeit der tuberkulösen Meningitis bei Kindern ab dem Mittelalter belegt, dass die Tuberkulose schon vor dem Zeitalter der Industriellen Revolution eine Volksseuche gewesen ist.

    Ziel der wissenschaftlichen Veranstaltung ist es, einen neuen interdisziplinären Zugang zur routinemäßigen mikroskopischen Bearbeitung archäologischer Skelettfunde zu schaffen. Dabei stehen die Diagnostik und die Interpretation von Spuren krankhafter Prozesse im Vordergrund. Während des Workshops werden bestimmte Fragen in bezug auf die Entstehung und Verbreitung der Syphilis diskutiert. Im praktischen Teil des Workshops werden anhand von Originalpräparaten auch die verschiedenen Arten der vorgeschichtlichen Schädeldachoperationen untersucht und diskutiert. Ein Schädelfund aus dem heutigen Jordanien (Basta), der in das akeramische Neolithikum datiert (ca. 9000 Jahre alt), ist der bisher wohl älteste Fall dieser Art.

    Weitere Informationen:

    Universität Göttingen - Bereich Humanmedizin
    Abt. Anatomie mit Schwerpunkt Embryologie
    Prof. Dr. Dr. Michael Schultz
    Kreuzbergring 36
    37075 Göttingen
    Tel.: 0551 39-7028 oder -7000
    e-mail: mschult1@gwdg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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