Wenn die in Zellen notwendigen Signalweiterleitungsmechanismen verstärkt und/oder nicht mehr abschaltbar sind, wird die Entstehung von Tumoren wahrscheinlicher. Die Rolle einer in der Signalweiterleitung maßgeblich involvierten Proteinfamilie - die Raf-Kinasen - haben Forscher am Helmholtz Zentrum München bei der Entstehung von Tumoren des Immunsystems genauer untersucht. Dazu wurden in einem bereits etablierten Maus-Tumormodell die beiden Raf-Kinasen B-Raf und C-Raf genetisch und parallel auch in humanen Tumorzelllinien pharmakologisch ausgeschaltet. Dabei konnten überraschende Erkenntnisse gewonnen werden, die zu einer verbesserten Therapie dieser Form von Lymphknotenkrebs führen könnten.
Weiße Blutkörperchen des Immunsystems, die B-Lymphozyten (B-Zellen), produzieren bei einer Infektion mit Viren oder Bakterien spezifische Antikörper gegen die Erreger und schützen damit den Organismus. Um möglichst wirksame Antikörper produzieren zu können, werden in den B-Zellen genetische Veränderungen ausgelöst. Manchmal führen diese jedoch auch zu ‚unerwünschten‘ Abweichungen anderer Gene und können dadurch Ursache einer Entartung der Zellen sein und damit eine Krebserkrankung hervorrufen. Aus diesem Grund treten Tumore, die auf einer krankhaften Veränderung von B-Zellen beruhen, mit zirka 26 Fällen pro 100.000 Personen im Jahr mit vergleichsweise großer Häufigkeit auf. Leider sind die Faktoren, die in diesen Tumorzellen eine essentielle Rolle bei der Entstehung oder Aufrechterhaltung des entarteten Verhaltens spielen, meist noch nicht bekannt. Deren Identifizierung wäre jedoch Voraussetzung für eine zielgerichtete Therapie.
Die Arbeitsgruppe um Dr. Ursula Zimber-Strobl konnte bereits vor einigen Jahren anhand eines Mausmodells zeigen, dass die andauernde Aktivierung eines wichtigen Oberflächenproteins von B-Zellen, das sogenannte CD40, zu einem massiv verstärkten Wachstum dieser weißen Blutkörperchen und letztendlich zur Tumor-Entstehung führt. Dabei werden u.a. auch die Proteine Erk1 und Erk2 stark aktiviert (siehe Anhang Abb. A - Ausgangsbefund).
Damit konnten die Münchner den auch durch andere Studien nahegelegten Verdacht untermauern, dass Erk1 und Erk2 zu den tumorspezifischen Eigenschaften entarteter B-Zellen beitragen. Die beiden Proteine werden im gesunden Organismus über eine sogenannte Signalkaskade aktiviert. Dabei werden Signale über festgelegte Zwischenschritte bis zum Zielprotein weitergeleitet. Die Forschergruppe hat nun eine wichtige Komponente dieser Signalkaskade, nämlich die Mitglieder der Raf-Kinase-Proteinfamilie genauer betrachtet. Ziel war es zu klären, ob sie auch an der Entstehung von B-Zell-Tumoren beteiligt sind. Durch Ausschaltung zweier Komponenten der Signalkaskade – nämlich der Proteine C-Raf und B-Raf – sollte nun geklärt werden, ob dadurch auch die Aktivierung der beiden Erk-Proteine unmöglich wird, was auch eine Tumorentstehung blockieren würde (siehe Anhang Abb. B - Fragestellung).
Erstaunlicherweise führte sowohl die genetische wie auch die pharmakologische Inaktivierung der Raf-Kinasen nicht - wie erwartet - zu einer Reduktion der Erk1- und Erk2-Aktivitäten, sondern blieb entweder folgenlos oder führte sogar zu einer weiteren Aktivierung dieser beiden Proteine. Die Forschergruppe zeigte daraufhin mit Hilfe diverser chemischer Hemmstoffe und weiteren genetischen Inaktivierungen im Mausmodell sowie in den humanen Tumorzelllinien einen neuartigen Signalweg auf, der dort – unabhängig von Raf-Kinasen – zu einer Aktivierung der beiden Erk-Proteine führt (siehe Anhang Abb. C - Ergebnisse).
Diese Ergebnisse eröffnen eventuell neue Therapiemöglichkeiten für die Behandlung von B-Zell-Lymphomen, die von einem aktivierten CD40-Signalweg abhängig sind.
Erläuterung zur Abbildung im Anhang:
A) Signalwege, die im Mausmodell mit konstitutiv aktivem CD40 aktiviert werden.
B) Geförderte Fragestellung: Was geschieht mit der Aktivierung der Erk-Proteine und letztendlich mit der Tumorentstehung, wenn die in anderen Systemen sehr gut charakterisierte Raf-MEK-ERK Signalkaskade durch Inaktivierung von Raf unterbrochen wird?
C) Die Ergebnisse führten zu der Identifizierung eines völlig neuartigen Signalwegs, der – unabhängig von Raf-Kinasen – zur Erk-Aktivierung und Tumorentstehung beiträgt.
Kontakt (Projektleitung)
PD Dr. rer. nat. Ursula Zimber-Strobl
Gruppenleiterin, Abteilung Genvektoren
Helmholtz Zentrum München
+49-(0)89-7099-523
strobl@helmholtz-muenchen.de
Die Wilhelm Sander-Stiftung hat dieses Forschungsprojekt in zwei Förderphasen mit insgesamt über 317.000 € unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 220 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt.
Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.
Weitere Informationen zur Stiftung: http://www.wilhelm-sander-stiftung.de
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