Noch vor zehn Jahren trat das Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs) eher selten auf. Seither steigt die Anzahl der Krankheitsfälle stetig: Bis 2030 wird diese Krebsart die dritthäufigste Tumorerkrankung sein. Eine alarmierende Prognose, denn es handelt sich dabei um den Tumor mit der höchsten Sterblichkeitsrate. Prof. Dr. Margot Zöller, Leiterin der Arbeitsgruppe Tumorzellbiologie am Universitätsklinikum Heidelberg, konnte nun, durch ihre von der Wilhelm Sander-Stiftung unterstützte Forschungsarbeit, Möglichkeiten einer verbesserten Diagnose sowie einer effektiveren Therapie aufzeigen. Im Zentrum stehen dabei Exosomen, die von Zellen abgegeben werden und sich im Organismus verteilen.
Dass Bauchspeicheldrüsenkrebs häufig tödlich endet, hat verschiedene Gründe: Zum einen bildet das Pankreaskarzinom sehr schnell Tochtergeschwulste im gesamten Organismus. Zum anderen erfolgt die Diagnose des „Silent Killers“, wie der Bauchspeicheldrüsenkrebs auch bezeichnet wird, meist sehr spät, was vor allem daran liegt, dass zunächst kaum Symptome auftreten. Eine frühzeitige Diagnose ist jedoch gerade beim Bauchspeicheldrüsenkrebs überlebenswichtig: Nur wenn der Tumor frühzeitig erkannt wird, kann er chirurgisch entfernt werden – und ein chirurgischer Eingriff ist bislang die einzige Therapieform, die eine Chance auf Heilung verspricht. Demnach verwundert es nicht, dass weltweit viele Gruppen in der Krebsforschung nach Möglichkeiten suchen, das Pankreaskarzinom frühzeitig zu erkennen. Neben einer frühen Diagnose konzentriert sich die Forschung derzeit auch auf adjuvante Therapien, die die Überlebenszeit ohne Beeinträchtigung bei nicht-operablem Tumor verlängern.
Prof. Dr. Margot Zöller führte in den letzten fünf Jahren mit ihrem Team ein Forschungsprojekt durch, in dem sie sich auf Exosomen und deren mögliche Rolle als Diagnostikum und Therapeutikum des Pankreaskarzinoms konzentrierte. Exosomen sind kleine Vesikel, also innerhalb von Zellen gelegene sehr kleine rundliche bis ovale Bläschen, die von vielen Zellen und dabei besonders reichlich von Tumorzellen abgegeben werden. Die Arbeitsgruppe zeigte nun in ihrem Abschlussbericht für das von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojekt vielversprechende Ansätze sowohl für eine verbesserte Diagnose als auch für eine effektivere Therapie auf.
Diagnostik per Blutabnahme
Verantwortlich für das Wachstum des Tumors und die Bildung von Tochtergeschwüren in entfernt liegenden Organen sind die Tumorstammzellen – eine kleine Population von Zellen in der gesamten Tumormasse. Es gibt inzwischen überzeugende Hinweise, dass Tumorstammzellen dieses Wachstum mittels Exosomen anstoßen, die sich im gesamten Organismus verteilen und somit auch in allen Körperflüssigkeiten gefunden werden. Darauf beruht die Hoffnung, dass Exosomen für eine frühe, gering invasive Diagnostik per Blutabnahme geeignet sind. Dies haben Prof. Dr. Margot Zöller und ihr Team als erste Forschungsgruppe für das Pankreaskarzinom untersucht. Dabei stellten sie fest, dass ein Panel an verschiedenen Markern eine Treffsicherheit von 100 Prozent aufweist, sehr frühe Stadien ausgenommen. Prof. Dr. Zöller geht davon aus, dass durch weitere methodische Verbesserungen in einigen Jahren eine Pankreaskarzinomdiagnose mittels Serumexosomen (Exosomen, die sich im Blut befinden) als Routineverfahren in Kliniken eingesetzt wird.
Aktivierung von „Killerzellen“ durch Exosomen – eine individualisierte Tumortherapie
Ebenso wie der diagnostische, ist auch der therapeutische Einsatz von Tumorexosomen noch in der Erprobungsphase. Prof. Dr. Margot Zöller und ihre Arbeitsgruppe untersuchten nun im Rahmen eines Mausmodells erstmalig, ob die Effektivität einer Chemotherapie erfolgreich durch eine Exosomen-basierte Immuntherapie unterstützt werden kann. Diese Therapie basiert auf der Aktivierung sogenannter, den Tumor zerstörenden „Killerzellen“, die vom Pankreaskarzinom, welches zahlreiche immunsuppressive Substanzen abgibt, behindert werden.
„Voraussetzung für die Aktivierung der Killerzellen ist, dass ihnen die Marker der Pankreaskarzinomzellen von sogenannten präsentierenden Zellen in geeigneter Form angeboten werden“, erläutert Prof. Dr. Zöller. Diese Präsentationszellen lassen sich aus dem Blut von Patienten gewinnen. Neu in dem von Prof. Dr. Zöller gewählten Ansatz ist die Beladung dieser Zellen mit Exosomen, die ebenso aus dem Blut des Patienten entnommen werden. Die darin enthaltenen Tumormarker eignen sich hervorragend zum Aktivieren der Killerzellen, wie die Arbeitsgruppe zeigen konnte: „Die mit den Exosomen beladenen Zellen werden dem Patienten zurückgegeben, wodurch die Killerzellen beginnen, gegen den Tumor anzukämpfen“, erklärt Prof. Dr. Zöller. Dieses Verfahren wird als „individualisierte Tumortherapie“ bezeichnet.
In Kombination mit einer in der Klinik häufig eingesetzten Chemotherapie konnte die Forschungsgruppe im Rahmen des Mausmodells eine Verdopplung der Überlebenszeit erzielen und die Entwicklung von Tochtergeschwülsten um 80 bis 90 Prozent verhindern. Bei Einsatz der Kombination aus Chemo- und Immuntherapie nach Entfernung des Primärtumors war ein Teil der Tiere sogar geheilt. Prof. Dr. Zöller setzt sich derzeit für die klinische Erprobung dieses sehr vielversprechenden Ansatzes ein.
Referenzen
1. Madhavan B, Yue S, Galli U, Rana S, Gross W, Müller M, Giese NA, Kalthoff H, Becker T, Büchler MW, Zöller M. Combined evaluation of a panel of protein and miRNA serum-exosome biomarkers for pancreatic cancer diagnosis increases sensitivity and specificity. Int J Cancer 136:2616-2627, 2015.
2. Xiao L, Erb U, Zhao K, Hackert T, Zöller M. Efficacy of vaccination with tumor-exosome loaded dendritic cells combined with cytototxic drug treatment in pancreatic cancer. OncoImmunol, in press
Kontakt:
Prof. Dr. Margot Zöller
Universitätsklinikum Heidelberg
Tumorzellbiologie
Im Neuenheimer Feld 365, 69120 Heidelberg
Tel.: 06221/56-5147 Fax.: 06221/56-6402
m.zoeller@uni-hd.de
Die Wilhelm Sander-Stiftung hat dieses von Prof. Dr. Margot Zöller ins Leben gerufene Forschungsprojekt mit rund 214.000 Euro unterstützt.
Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 220 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen bayerischen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.
Weitere Informationen zur Stiftung: http://www.wilhelm-sander-stiftung.de
Prof. Dr. Margot Zöller (© Universitätsklinikum Heidelberg)
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